Wer den Arc de Triomphe in Paris genau betrachtet, bemerkt in dessen Inschriften die Namen gewonnener Schlachtfelder Frankreichs. Neben weltbekannten Orten wie Saragossa und Lille ist dort auch die Stadt Engen zu finden. Doch warum ist eine kleine Stadt im Hegau auf einem der bekanntesten Denkmäler Frankreichs verewigt? Roland Kessinger, Regionalhistoriker und Beirat im Hegau-Geschichtsverein, erklärt im Gespräch mit dem SÜDKURIER die Hintergründe.

Die Schlacht von Engen im Zweiten Koalitionskrieg

Die Antwort darauf führt zurück ins Jahr 1800, als am 3. Mai während des Zweiten Koalitionskriegs im ganzen Hegau blutige Schlachten zwischen österreichischen und französischen Truppen stattfanden. „Unter dem Befehl von General Jean-Victor Moreau stießen rund 60.000 französische Soldaten auf etwa 40.000 österreichische Truppen unter General Pál Kray“, berichtet Roland Kessinger. Die Auseinandersetzungen dieses Tages sollten nicht nur den Verlauf des Zweiten Koalitionskriegs maßgeblich beeinflussen, sondern auch bleibende Spuren in der Region hinterlassen.

„In der kleinen Stadt Engen, die damals nur etwa 1000 Einwohner hatte, befanden sich plötzlich tausende Soldaten.“ Historiker Roland ...
„In der kleinen Stadt Engen, die damals nur etwa 1000 Einwohner hatte, befanden sich plötzlich tausende Soldaten.“ Historiker Roland Kessinger | Bild: Roland Kessinger

„Während des Zweiten Koalitionskriegs sind im Jahr 1799 französische Truppen in den Hegau vorgedrungen“, erklärt Kessinger. „Anfang 1800 stand die französische Armee dann entlang des Rheins, von Mannheim bis an den Bodensee und auch in der Schweiz“, so der Historiker weiter. Die österreichische Armee habe sich zu dieser Zeit mit ihren Haupttruppen bei Engen und einer kleineren Einheit bei Stockach positioniert. „Diese beiden Städte waren damals wichtige Straßenknotenpunkte, an denen sich zentrale Handels- und Militärstraßen kreuzten“, erklärt Kessinger.

So ist die Schlacht verlaufen

„Am Morgen des 3. Mai 1800 ist letztendlich die Schlacht von Engen ausgebrochen“, erklärt der Historiker. „Die Österreicher wollten eigentlich keine Schlacht schlagen, sondern nur erkunden, wie stark die Franzosen waren“, so Kessinger weiter. Doch die französischen Truppen seien schneller vorgerückt als erwartet. „Sie kamen von Singen in Richtung Stockach und von Randen in Richtung Engen, sodass die Österreicher eher unfreiwillig in die Kämpfe gerieten“, berichtet er.

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Die Österreicher seien zahlenmäßig unterlegen gewesen: „Etwa 1000 österreichische Soldaten fielen, mehr als 1000 wurden verwundet, und über 3000 gerieten in Gefangenschaft“, so der Historiker. Auch auf französischer Seite gab es hohe Verluste: „In Summe waren es etwa 2000 Gefallene und Verwundete der französischen Armee“, betont Kessinger.

Wie Engener Bürger die Schlacht erlebten

Die Auswirkungen auf die Region waren enorm. „In der kleinen Stadt Engen, die damals nur etwa 1000 Einwohner hatte, befanden sich plötzlich tausende Soldaten. Das war eine gewaltige Zahl“, erklärt Kessinger.

Viele Bürger seien bereits vor Beginn der Kämpfe geflohen, da sie die französische Armee für ihre Plünderungen gefürchtet hätten, erklärt Kessinger. „Wer konnte, suchte Schutz in den umliegenden Wäldern oder floh zu Verwandten nach Oberschwaben.“ Andere seien geblieben und hätten das Geschehen aus sicherer Entfernung verfolgt. „Einige beobachteten die Schlacht von Kirchtürmen aus“, so der Historiker. „Die ‚Schaffhausener Zeitung‘ berichtete damals, dass der Kanonendonner sogar bis nach Schaffhausen zu hören war“, berichtet er.

Die Hegauer mussten aber auch mit anpacken: „Die verwundeten Soldaten sind in Gasthäusern als notdürftig eingerichteten Lazaretten versorgt worden“, erzählt Kessinger. Dabei sei die Bevölkerung gezwungen gewesen, Hilfe zu leisten und auch die gefallenen Soldaten zu beerdigen.

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Triumphbogen erinnert bis heute an Engen

Warum Engen auf dem Arc de Triomphe steht, ist einfach zu beantworten: Die Schlacht von Engen endete laut Kessinger mit einem französischen Sieg. „Es war ein bedeutender Erfolg der französischen Armee, und dieser wurde deshalb auf dem Arc de Triomphe verewigt“, erzählt er.

Auch am Napoleonseck zwischen Engen und Watterdingen hätten besonders heftige Kämpfe getobt. Noch heute erinnert der Ort an die Schlacht von Engen. Doch der Name führt oft zu Missverständnissen: „Napoleon war selber bei der Schlacht von Engen nicht anwesend“, erklärt Kessinger. „Die französischen Truppen kämpften unter dem Befehl von Jean-Victor Moreau, einem General Napoleons“. Kessinger vermutet: „Napoleon war der Bekanntere der beiden“, daher sei der Ort wahrscheinlich nach ihm benannt worden.

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Fehlende archäologischen Funde sind Mysterium

Trotz der Größe der Schlacht und der zahlreichen Opfer gebe es im Hegau nur wenige archäologische Spuren, die auf die Kämpfe hindeuteten. „Es gibt keine Massengräber, die man bei einer Schlacht dieser Größenordnung erwarten würde“, erklärt er. Lediglich in Orsingen sei ein Pferdegrab entdeckt worden, in dem eine Kugel gelegen habe, die wohl aus der Zeit der Schlacht stamme. „Warum es keine weiteren Funde gibt, bleibt ein Rätsel“, sagt Kessinger.