Georg Lange

„Herzlich Willkommen auf der ‚Seestern‘. Die Sonne scheint heut in Strömen. Und wie es ausschaut wird der Regen wärmer“, schallt es humorvoll durch die Lautsprecher des Motorschiffs „Seestern“. In Baden-Württemberg ist seit Mitte Mai die Fahrgastschifffahrt wieder erlaubt. Trotz regnerischem Wetter setzt Kapitän Harald Lang 15 Urlauber von der Höri-Gemeinde Gaienhofen auf die Bodenseeinsel Reichenau über – mehr als der Bodensee-Kapitän an einem regnerischen Sonntag erwartet hatte.

Schweiz öffnet bald die Grenzen

Für gewöhnlich verbindet Harald Lang ab Mai mit seiner Höri-Fähre auf dem Untersee das Schweizer mit dem deutschen Ufer. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie blieben die Grenzen zur Eidgenossenschaft geschlossen. Auf beiden Seeseiten brach der internationale Schifffahrtsverkehr zusammen. Jedes Anrainerland bediente vorerst seine eigenen nationalen Häfen.

Zur Ankurbelung seines Schifffahrbetriebs bot Harald Lang eine Verbindung zur Reichenau an. Ab Montag möchte die Schweiz ihre Grenzen zu den EU-Ländern wieder öffnen. Am darauffolgenden Sonntag bedient Kapitän Harald Lang erstmals in diesem Jahr internationale Gäste.

In Zeiten mit niedrigen Fahrgastzahlen fand Kapitän Harald Lang von der MS Seestern wieder Muse für sein Schifferklavier.
In Zeiten mit niedrigen Fahrgastzahlen fand Kapitän Harald Lang von der MS Seestern wieder Muse für sein Schifferklavier. | Bild: Georg Lange

Harald Lang erlebt die Pandemie ähnlich wie andere Unternehmer: „Kunden, die kommen, fühlen sich verunsichert. Alle anderen kommen erst gar nicht.“ Dreiviertel seines Umsatzes ist durch die Pandemie eingebrochen. Mit einem bekümmerten Auge blickt er in sein Auftragsbuch: „Ich hatte ein Bombenjahr vor mir. Die Saison im März war voll. Und das ganze Jahr war abgewickelt und alle Samstage und Wochenenden waren gechartert“. Das aktuelle Auftragsbuch ist gefüllt mit durchgestrichenen Namen und über jedem Strich steht: Hochzeit verschoben auf 2021.

Harald Lang bietet neben der länderübergreifenden Höri-Fähre auch Genuss-, Literatur- und Musikfahrten auf dem Untersee an. Dieses Angebot wolle er am Fronleichnam sowie ab Juli durch die neuen Lockerungsmaßnahmen und unter Einhaltung von Hygiene-Standards im vollen Umfang wieder anbieten.

Klarsichtfolie trennt die Tische

Rund 2000 Euro investierte Harald Lang in Glasscheiben für die Sicherheit seiner Gäste, um die Regeln zur sozialen Distanzierung einhalten zu können. Das überdachte Oberdeck ermöglicht durch den Fahrtwind des Motorschiffes eine deutliche Senkung der Viruslasten in den Aerosolen.

Die Kunden hatten entschieden: Lieber Kabinen mit Folien als durchsichtige Trennscheiben aus Plexiglas. Kapitän Harald Lang von der MS ...
Die Kunden hatten entschieden: Lieber Kabinen mit Folien als durchsichtige Trennscheiben aus Plexiglas. Kapitän Harald Lang von der MS Seestern richtete sich nach den Sicherheitsbedürfnissen seiner Fahrgäste.

Im Unterdeck-Salon werden die Tische mit einer Klarsichtfolie voneinander getrennt. Harald Lang testete eine Abhängung aus kostspieligen und filigranen Plexiglas-Scheiben und zeigte sich erstaunt darüber, dass seine Gäste die Klarsichtfolien bevorzugen würden. Sie böten mehr „sichtbare“ Sicherheit als unauffällig erscheinende Scheiben aus Plexiglas, so das Argument der Fahrgäste. Mit anderen Worten: Es gehe auch um das Gefühl von Sicherheit, und deshalb würden die unauffälligen Klarsichtscheiben abgelehnt.

50 Fahrgäste pro Deck

Mit der neuen Verordnung vom 9. Juni sowie unter Einhaltung der Hygiene-Standards kann Harald Lang auf jedem Deck für den Fährbetrieb rund 50 Fahrgäste aufnehmen. Für seine kulinarischen Veranstaltungen mit Reservierungen bietet er seinen Gästen je zwei Plätze an – einen im Salon sowie einen auf dem Oberdeck. Ab Juli könne er unter Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen wieder Musikveranstaltungen auf dem Oberdeck anbieten.

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Auch wenn die Aufträge für den Charterbetrieb in diesem Jahr zusammengebrochen sind bleibt Lang zuversichtlich: „Ich bin froh, dass wir tolle Stammgäste haben. Das baut auf, wenn man eine Perspektive für danach hat. A bissel was geht immer“, zitiert Harald Lang mit einem Augenzwinkern die TV-Figur „Monaco Franze“ und verabschiedet die überraschend hohe Zahl an Fahrgästen an einem regnerischen Sonntag.