Leere Briefkästen? Mittlerweile ein gewohntes Bild auf der Höri. Ein chronisch erhöhter Krankenstand, das Infektionsgeschehen und der umkämpfte Arbeitsmarkt machen der Post zu schaffen. Der eigentlich vorgesehenen Brief-Versorgung kann sie daher schon seit Beginn des Sommers nicht mehr gerecht werden. Hierin liegt auch der Unmut und das Unverständnis vieler Bürger, Unternehmer und Verwaltungen begründet.
„Ein so großes Unternehmen wie die Deutsche Post muss in der Lage sein, schneller auf Personalengpässe zu reagieren und diese zu lösen“, kritisiert der Mooser Bürgermeister Patrick Krauss. Er beschreibt die Lage der Briefzustellungen in seiner Gemeinde noch immer als sehr schlecht.
Briefe kommen über eine Woche später an
Erst neulich habe ihn ein Gemeinderat auf einen Stapel Briefe aufmerksam gemacht, deren Eintreffen weit mehr als eine Woche vom Poststempel abwich. „Es betrifft uns alle und hat teilweise weitreichende Folgen, zum Beispiel dann, wenn Unternehmen kein Skonto einräumen können. Ein regelrechter Rattenschwanz“, so der Bürgermeister. Auch in der Öhninger Gemeinde waren Firmen wie die Zimmerei Löble von der Skonto-Problematik betroffen, wie ein Mitarbeiter bestätigt.
Geduld ist auch für die Privathaushalte der Höri momentan eine gefragte Tugend. „Zeitweise kam die Lieferung mit Briefen nur einmal die Woche, oft spätabends zu sehr unüblichen Zeiten“, sagt Haro Behrens, der schon viele Jahre in Hemmenhofen wohnt. Bei Nachbarn von ihm habe die verspätete Zustellung von wichtigen Briefen teils brenzlige Fälle verursacht. Nun zeige sich ihm zufolge in Hemmenhofen aber eine leichte Verbesserung, wenn auch noch nicht auf dem früheren Niveau.
Problematisch sieht er die ständig wechselnden Postboten. „Immer wieder landen Briefe dadurch im falschen Briefkasten“, sagt er. Einen großen Vorwurf macht er ihnen allerdings nicht, die Hauptursachen würden sicherlich woanders liegen.
Neue Mitarbeiter sind nicht leicht zu finden
Wo genau die Ursachen speziell am Untersee und im Raum Konstanz liegen, dazu äußert sich Sonja Radojicic als Leiterin der Pressestelle Süd der Deutschen Post. „Grund sind in erster Linie deutlich höhere Personalausfälle wegen Corona-Infektionen, die aufgrund der sehr angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt nur begrenzt kompensiert werden können“, schildert sie.
Mitarbeiter seien aktuell stark umworben und die Rekrutierung neuer Arbeitskräfte dementsprechend herausfordernd. Obwohl die Verspätungen in der Briefzustellung nachhaltig sind, möchte sie nicht von einem systemischen Versagen sprechen. Gleichzeitig räumt sie Probleme in „manchen Regionen Baden-Württembergs“ ein.
Anlassprüfung: 42 Beschwerden in 2022
Ein Blick in die sogenannten Anlassprüfungen der Bundesnetzagentur verrät, dass die Zustellprobleme keinesfalls exklusiv sind. Beeinträchtigungen in der Postversorgung ziehen sich 2022 durch weite Teile des Landes. Neben ländlichen Regionen sind auch Metropolen wie München und Berlin betroffen.
Anlassprüfungen werden durchgeführt, wenn der Bundesnetzagentur verstärkt Hinweise auf Auffälligkeiten eines Postleitzahlbereichs vorliegen, beispielsweise ein erhöhtes Beschwerdeaufkommen. In solchen Fällen greift sie ein und lässt sich vom jeweiligen Postunternehmen Gründe sowie beschlossene Maßnahmen darlegen, damit die Postversorgung wieder gewährleistet werden kann.
2021 führte die Bundesnetzagentur 17 Anlassprüfungen durch, bei denen sich die Beschwerden auf die Deutsche Post bezogen, 2022 sind es derzeit schon 42. Warum darunter keine der stark betroffenen Gemeinden des südlichen Hegaus oder der Höri auftauchen, ist unklar.
Bürgermeister fordert sofortige Lösungen
Von der Informationspolitik der Deutschen Post und den anhaltenden Versorgungsproblemen verärgert, haben sich die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden nun in einem Brief direkt an das Bundeswirtschaftsministerium gewandt. Auch die Höri-Bürgermeister aus Moos und Gaienhofen, Patrick Krauss und Uwe Eisch finden sich unter den Unterzeichnern. Der Brief wurde vor wenigen Tagen abgeschickt und fordert „sofortige Lösungen“.
Lösungen benötigen auch die noch einsatzfähigen Postboten. Mehr als eine Milliarde Briefe müssen sie in Deutschland jeden Monat zustellen. Unter Zeitdruck hetzen sie aktuell vielerorts durch die Straßen, um die Versorgungsengpässe so glimpflich wie möglich zu halten.
„Der Personalmangel ist noch immer enorm, der Stress sowieso“, meint einer der Postboten auf der Höri, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Immer wieder wird Personal dorthin versetzt, wo die Lage am angespanntesten ist.“ Auch auf der Höri sei das der Fall. Mit Navigationssystem würden sich diese dann durch das meist unbekannte Terrain kämpfen.
Post wirbt um Mitarbeiter
Laut Sonja Radojicic führt die Post derweil an „Standorten mit besonders hohen Personalausfällen das sogenannte Corona-Notfallkonzept durch. Dieses sieht vor, dass Haushalte nur jeden zweiten Werktag Briefe erhalten.“
Ob sich die Postsituation auf der Höri dauerhaft normalisiert, hängt wohl maßgeblich davon ab, wie schnell es der Post gelingt, neue Mitarbeiter einzustellen. Unter dem Slogan „werde einer von uns“ wirbt sie gerade offensiv um neue Kollegen.