Ein bisschen fühlt sich Ursula Barner an ein Tribunal erinnert. „Die Kandidaten stehen aber nicht vor Gericht“, versichert die Vorsitzende des Wahlausschusses gut gelaunt. Man habe Vera Schraner, Marc Erny und Amtsinhaber Markus Möll lediglich auf drei Podeste gesetzt, damit sie für jeden in der Exklavenhalle gut zu sehen sind.
Nicht das einzige Kuriosum des Abends. Denn eine Kandidatenvorstellung in einer beschaulichen 1500-Einwohnergemeinde wie Büsingen bringt automatisch ihren eigenen Charme mit.
Da kann es schon mal vorkommen, dass sich der Bürgermeister direkt nach seiner Rede der Frage eines Grundschülers stellen muss. Dass Herausforderin Vera Schraner einer Besucherin ihr Beileid ausspricht, nachdem deren Katze angefahren wurde. Oder dass sich Kandidat Marc Erny für sein Berliner Autokennzeichen rechtfertigen muss.
Vera Schraner: „Die zukünftige Bürgermeisterin“

„Da kommt sie, die zukünftige Bürgermeisterin.“ So habe sie Ehrenbürger Gunnar Lang 2017 einmal begrüßt, erzählt Vera Schraner zu Beginn ihres Vortrags. „Damals habe ich verlegen gelächelt. Heute tue ich das nicht mehr.“ Ein selbstbewusster Start. Die nächsten Minuten nutzt die Gemeinderätin und Mutter zweier Söhne, um ihre Charaktereigenschaften zu beschreiben. Klar sei sie in ihrer Kommunikation, empathisch und verbindend.
Vera Schraner will sich für Kinderbetreuungsplätze und eine gezielte Aufforstung stark machen. Und für eine Temporeduktion im Ortskern. Den Bürgern möchte sie zuhören, deshalb soll es regelmäßige Spaziergänge geben und Treffen mit den verschiedenen Gruppen im Ort. „Als Personalleiterin bin ich es gewohnt, Mitarbeiter zu vertreten“, erklärt sie. „Lösungen finden wir gemeinsam im Dialog.“
Zusammen soll es vorwärts gehen. Passend dazu lädt die im Ort aufgewachsene Schraner die Anwesenden ein, mit ihr als Bürgermeisterin ein Dorffest zu planen. Optimistisch klingen Aussagen wie: „Wir stehen mit beiden Beinen auf fruchtbarem deutschem Boden und atmen frische Schweizer Luft. Was will man mehr?“ Oder: „Ich schwimme gerne gegen den Strom – nicht nur im Rhein.“
Als sie sich in den folgenden zehn Minuten den Fragen des Publikums stellt, wirkt sie nicht ganz so forsch. Jetzt merkt man Vera Schraner an, dass sie bereits als Gemeinderätin Verantwortung trägt. Aussagen wie „wir werden da dran bleiben“ oder „das wird voran getrieben“ klingen fast so, als wäre sie bereits als Bürgermeisterin im Amt.
Markus Möll: Ein lernfähiger Amtsinhaber

Der tatsächliche Amtsinhaber verfolgt eine andere Strategie: Die erste Hälfte seines Vortrags nutzt Markus Möll, um die Meilensteine seiner bisherigen acht Jahre als Bürgermeister herauszustellen. Die zweite um Ziele für die folgende Amtszeit zu formulieren.
Dabei scheinen die Zahlen auf Mölls Seite zu sein. Er habe den Wasserverlust um 60 Prozent verringern, den Wasserzins stabil halten können. „In den vergangenen acht Jahren ist Büsingen um 230 Einwohner gewachsen“, berichtet er weiter. Durch die Erschließung von Neubaugebieten habe man junge Familien angelockt: „Es gibt so viele Kinder in Büsingen wie schon lange nicht mehr.“
Im Galopp geht es weiter: Die Zusammenarbeit mit den Vereinen, aber auch sein Handeln während der Corona-Krise: Möll gibt sich stolz ob des bisher Erreichten. In Aussicht stellt er eine neue Hausarztpraxis, verbessert werden soll die Kläranlage, die digitale Infrastruktur, die Badi und die Verkehrssituation.
Dann kommen überraschend selbstkritische Worte: „Ich habe auch Fehler gemacht und nicht immer alle Beteiligten mitgenommen“, gibt sich der Bürgermeister einsichtig. „Ich habe meine Quittung erhalten.“ Einigen Zuschauer reicht das nicht. „Du häsch zwar viel geschwätzt, da muss aber einiges besser werden“, fordert ein Mann. Eine Frau möchte, dass Möll seine Fehler konkretisiert. Fast kleinlaut antwortet der Amtsinhaber, dass er falsche Personalentscheidungen getroffen habe.
Marc Erny: Unvorbelastet und medienaffin
Selbstbewusster präsentiert sich Herausforderer Marc Erny. Tatsächlich ergreift er noch das Wort bevor er auf der Bühne angelangt ist. Er sei früher Radiomoderator gewesen, erzählt der junge Familienvater. Jetzt arbeite er für eine PR-Radio-Agentur in Berlin. „Mein Manko im Wahlkampf ist vielleicht, dass sie mich gar nicht kennen.“ In den nächsten Minuten bemüht er sich das zu ändern.
Erny erzählt von seiner vier Monate alten Tochter. Von dem Gefühl den Zöllnern in Corona-Zeiten ausgeliefert zu sein. Sein Credo: Büsingen darf nicht vergessen werden. Um das zu erreichen, scheut der Quereinsteiger nicht davor zurück, die Kuriosität des Orts hervorzuheben. Er wolle den Exklavenstatus Büsingens medial ausschlachten und den Ort als Urlaubsdestination bekannt machen.
Gerade für Neubürger wünscht er sich einen festen Ansprechpartner in Exklavenfragen. Generell beschwichtigt der gebürtige Heilbronner aber: „Ich will nicht alles einreißen.“ Von der Publikumsfrage, welche drei Dinge er nach Amtsantritt zuerst angehen möchte, wirkt er überrumpelt. „Mich im Rathaus vorstellen, Kontakt mit dem Gemeinderat und der Presse aufnehmen.“ Und dann? „Dann würde ich mich in die kommunalpolitischen Themen reinfuchsen.“