Dieses Thema ist Chefsache: Immer wenn Bürgermeister Michael Klinger die Folien auspackt und selber präsentiert, dann ist Dampf im Kessel. Tatsächlich brodelt es im Gottmadinger Rathaus. Der Grund ist die Personalnot auf allen Verwaltungsebenen. Schon in der Vergangenheit konnte man beobachten, wie Klinger äußerst bestimmt auf Fragen aus dem Gemeinderat reagierte. Zum Beispiel bei der Detailfrage, wieviel Heizkosten der Betrieb von warmen Duschen in den Sporthallen verursachen würde. Das aufzudröseln, wollte der Bürgermeister seinem Gebäudemanagement nicht zumuten. Zumal der Blick auf die Verwaltungsbank einige Leerstellen zeigte. Zeitweise waren fast alle Mitarbeiter im Bauamt erkrankt, nicht nur erkältet, sondern auch wegen Überlastung. Eine große Lücke hat auch Olga Gozdzik hinterlassen, die sich nach nur etwa einem Jahr aus der Stadtplanung verabschiedet hat.
Schon in der jüngeren Vergangenheit hat Michael Klinger immer wieder darauf hingewiesen, dass seine Mitarbeiter sich verausgaben, um all die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. So war auch die aus der Not geborene Standortsuche und anschließende Verhandlung über eine neue Kindertagesstätte im Industriepark 312 ein „harter Ritt“, der in dieser Gangart nicht für jedes Projekt angewandt werden könne. Das Problem der Arbeitsverdichtung und Überforderung der Mitarbeiter in den Amtsstuben hatte sich schon über längere Zeit angedeutet. Jetzt mündete es kurz vor Weihnachten in einer Brandrede des Verwaltungschefs vor dem Gemeinderat. Eine Thema, das auch beim Nachbarschaftswein in Singen auf den Tisch kam.

Es war zum einen der Versuch, die Ansprüche des Gremiums an die Verwaltung zu filtern; es war aber auch eine klare Zustandsbeschreibung mit der Erkenntnis: „Wir brauchen eine Strategie aus der permanenten Überlastung“. Dabei wandert der Blick schnell auf die Prioritätenliste der vergangenen Jahre. Sie zeigt, wie weit die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit auseinandergeht.
Seit 2015 stehen 70 Projekte auf der jährlichen Prioritätenliste. Umgesetzt werden konnten davon 29. Vieles blieb auf der Strecke, wie zum Beispiel die bereits 2015 projektierte Breitbandversorgung, die 2023 endlich umgesetzt werden kann. Oder die Pläne zur Ausstattung der kommunalen Dächer mit PV-Anlagen: Sie scheiterten bisher daran, dass kein Projektpartner gefunden wurde. Soll die Aufgabe also hausintern gelöst werden? In der Verwaltung gibt es dafür laut Klinger keine Kapazitäten. Die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtaufgaben nehme ständig zu.
Für den Rathaus-Chef stellt sich nun die Frage, wie viel Pflicht und wie viel Kür kann sich die Gemeinde noch leisten? Oder muss man die eigene Erwartungshaltung korrigieren? „Sind unsere Ansprüche zu hoch?“, fragte er in die Ratsrunde und mahnte. „Wir sollten nicht kritisieren, was wir nicht geschafft haben, sondern froh darüber sein, was wir erreicht haben.“ Doch damit ist es nicht getan.
Strategien, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben
Um weiter leistungsfähig zu bleiben, will die Verwaltung Strategien entwickeln, um als Arbeitgeber attraktiver zu werden. Wie schafft man es also, trotz Fachkräftemangels, sich abzuheben und neues Personal zu finden? Einige Ideen werden jetzt schon in Gottmadingen umgesetzt, wie zum Beispiel Unterstützung bei der Wohnungssuche, flexible Arbeitszeitgestaltung, ein Jobticket und vieles mehr. Doch das reicht noch nicht.
Jetzt wird über Kita-Plätze für alle, mehr Home-Office-Angebote und mobiles Arbeiten oder einfach nur freie Getränke bei der Arbeit nachgedacht. Für Mangelberufe kann sich die Gemeinde Zulagen von bis zu 20 Prozent über dem üblichen Lohn oder höhrere tarifliche Eingruppierungen vorstellen.
Bedürfnisse der Mitarbeiter noch besser ausloten
Man will die Bedürfnisse der Mitarbeiter noch besser ausloten, um diese zu halten. Um im Bauamt und in der Kämmerei den Druck zu vermindern sollen dort laut Empfehlung des Sozialausschusses neue Stellen geschaffen werden. In der Kämmerei 1,5 zusätzliche Stellen und im Bauamt eine weitere Stelle. Im Höhenfreibad könnten in der Hauptsaison 2023 regulär jedes Wochenende Sicherheitskräfte engagiert werden; beim Wasserwerk könnte sich Gottmadingen mit Gailingen eine dritte Vollzeitstelle teilen. Die Fahr-Kantine solle nur noch an Einwohner von Gottmadingen, Büsingen und Gailingen vermietet werden. So will man Probleme mit schwierigen Mietern verringern, die die Hausmeister belasten.

Dass Gottmadingen mit diesen Probleme bei weitem nicht alleine ist, zeigt ein offener Brief von Städte-, Gemeinde-, Landkreistag und Wirtschaftsverbänden an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Darin fordern die Absender einen grundsätzlichen Reformprozess mit dem Ziel, bürokratische Hürden abzubauen. Gesetze, Verordnungen oder überbordende Regelungen im Vergaberecht führten zu einer lähmenden Behäbigkeit, kritisieren die Vertreter der 1001 Städte und Gemeinden, der 35 Landkreise, der rund 800.000 Betriebe sowie 50 Sparkassen und 140 Volksbanken. In einem Zukunftskonvent wollen sie die Überregulierung stoppen, die die Kommunen in ihrer Gestaltungshoheit immer mehr hemmt.