Mit mehrfachem Applaus reagierten die Gemeinderäte in ihrer jüngsten Sitzung auf den Bericht von Martin Rauwolf über die Integrationsarbeit in der Gemeinde. Der Leiter der Abteilung Jugend, Soziales, Familien ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine noch weitaus mehr mit der Unterbringung von geflüchteten Menschen und deren Integration beschäftigt als davor. Und man spürt die Belastung, die von den vielfältigen Aufgaben ausgehen auch an seinem Vortag. Atemlos, ja fast gehetzt, ging der Fachbereichsleiter durch die Zahlen.
Von Januar 2022 bis zum Januar 2025 hat sich die Zahl der geflüchteten Menschen, die in Gottmadingen aus der Notunterkunft in eine Anschlussunterbringung umgezogen sind, mehr als verdoppelt. Dabei hat sich die aktuelle Situation etwas entspannt, weil weniger Flüchtlinge im Landkreis ankommen. Und trotzdem gibt es ein Problem, weil die verfügbaren Wohnungen bereits belegt sind und die Zahl der Neuankömmlinge gesunken ist.
Verteilschlüssel entscheidet über Anzahl der Geflüchteten
Lag die Zahl der Geflüchteten im Januar 2022 bei 207, so stieg sie bis Januar 2025 auf 439 Personen. Rechnet man die Menschen aus der ersten Flüchtlingsbewegung 2014/2015 dazu, so gibt es auch hier einen deutlichen Anstieg von 348 auf 750 Personen. „Das sind nur die Menschen in den Anschlussunterbringungen“, sagte Martin Rauwolf. „Die Personen, die in der Notunterkunft in der alten Eichendorff-Schule leben, sind nicht mitgerechnet.“ Die Notunterkunft soll nur noch bis Ende 2025 zur Verfügung stehen. Das hat das Gremium einstimmig beschlossen.
Geflüchtete Menschen werden über einen Verteilschlüssel an die Gemeinden verwiesen. In Gottmadingen sollten am 1. Januar 2024 446 Menschen untergebracht werden, neuere Zahlen gibt es noch nicht. Tatsächlich lebten aber 342 Menschen in der Gemeinde. „Das ist eine Differenz von 104 Personen“, rechnete Rauwolf vor.
Den Hauptanteil machen Menschen aus der Ukraine (185) und Syrien (170) mit Aufenthaltserlaubnis aus. Insgesamt leben aber Menschen aus 16 Ländern in der Gemeinde. „Der größte Teil hat also eine Bleibeperspektive“, sagte Rauwolf.
Viele Familien leben im Kernort
Übersetzt heißt das, dass es kaum einen Wechsel in den bereits zur Verfügung gestellten Wohnungen geben wird. Rauwolf dankte den zahlreichen privaten Vermietern, die für 341 Menschen Wohnraum zur Verfügung gestellt haben. 97 Personen können in Gemeindewohnungen wohnen. Damit macht der Anteil des privat zur Verfügung gestellten Wohnraums fast 80 Prozent aus.
Die meisten geflüchteten Menschen (353) sind im Kernort untergekommen, 58 in Bietingen und 28 in Randegg. Wiederum die meisten Personen leben hier im Familienverbund (375), darunter sehr viele Kinder im Grundschulalter. 64 Menschen sind alleine gekommen.
Noch im vergangenen Jahr hatte der Fachbereichsleiter erklärt, dass die Zahl der Menschen in Arbeit, vor allem unter den Ukrainern, noch zu wünschen übrig lasse. Das habe nun aber eine erfreuliche Wende genommen. „Die Ukrainer haben eine hohe Motivation zu arbeiten“, sagte er. Sie hätten über das Job-Center schneller eine Arbeit gefunden. Die Beobachtung bezieht sich allerdings nur auf die Bewohner der Gemeindewohnungen.
Immer mehr Aufgaben, auch wegen Anträgen
Auf die nackten Zahlen folgte auch noch eine inhaltliche Betrachtung der Integrationsarbeit. „Ohne die Ehrenamt-Bürgerhilfe in Gottmadingen (BiG) würde das nicht funktionieren“, sagte Rauwolf. „Und auch die Kindergärten, Schulen und Vereine leisten großartige Arbeit.“ Die Aufgaben nähmen zu. Das beginne beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen, Übersetzungsleistungen und der Sprachvermittlung.
Die Integration vor Ort beschränke sich nicht auf die Menschen in den Anschlussunterkünften, sondern beginne schon in der Notunterkunft in der ehemaligen Eichendorff-Schule. Auch 2025 sei die Gemeinde auf die Hilfe der Ehrenamtlichen angewiesen. Ziel der Verwaltung sei die Stärkung kommunaler Strukturen.
Bürgermeister Michael Klinger würdigte das Engagement seiner Fachabteilung, die am Limit arbeite. Und auch von den Räten gab es Applaus. „Das Thema der Flüchtlingsunterbringung beschäftigt uns auf allen Ebenen der Verwaltung“, sagte Klinger. Dazu zählt er auch den Neubau von zwei Flüchtlingshäusern in der Hilzinger Straße und in Randegg für insgesamt rund 90 Personen.
Verwunderung über Bundestagswahlkampf
„Wir müssen ohne Unterstützung vom Land ein Päckchen tragen, das wir nicht bestellt haben“, sagte er und kritisierte den im Bundestagswahlkampf herrschenden plötzlichen „Überbietungswettbewerb“ in Sachen Abschiebung. Aus den Reihen der Gemeinderäte kam großes Lob für die Integrationsarbeit von Kirsten Graf und Markus Dreier (SPD/UL) sowie von Stefanie Brachat (FWG).