Leere Briefkästen? Mittlerweile leider schon ein gewohntes Bild im Hegau. Ein chronisch erhöhter Krankenstand, das Infektionsgeschehen und der umkämpfte Arbeitsmarkt machen der Post zu schaffen – und dies schon länger. Der eigentlich vorgesehenen Brief-Versorgung kann sie daher schon seit Beginn des Sommers 2022 teilweise nicht mehr gerecht werden. Das sorgt wiederum bei vielen Bürgern, Unternehmern und Verwaltungen für Unmut und Unverständnis. Gipfel des Post-Chaos ein gemeinschaftlicher Brandbrief der Hegauer-Bürgermeister an die Bundesnetzagentur. Und wie sieht es heute aus?
Gleich schlecht oder doch ein bisschen besser?
Die Situation habe sich nur teilweise entspannt, wie Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer auf Nachfrage bestätigt. Aktuell seien für seine Gemeinde keine neuen Beschwerden über mangelnde oder ausbleibende Briefzustellungen im Rathaus eingegangen. Aber Mayer betont auch, dass die aktuelle Situation nur sehr schwer messbar sei. „Vielleicht beschweren sich die Bürger auch kein zweites oder drittes Mal.“
Ob das nun heiße, dass die Situation sich verbessert habe, oder einfach nur gleich schlecht geblieben sei, lasse sich nur sehr schwer nachvollziehen. Sein Gottmadinger Amtskollege Michael Klinger gibt ihm Recht: „Ich habe keinen Gradmesser, wie auch. Ich schaue nicht jeden Tag in 100 Briefkästen oder mache eine Bürgerumfrage.“ Er lebe davon, was man ihm sage und freue sich, wenn sich niemand melde. Er hoffe, dass dann auch alles klappe.

Doch die Verbesserung der Situation könnte laut SÜDKURIER-Information auch mit einem anderen Umstand zusammenhängen. Zumindest in Gottmadingen. Denn dort hat sich die Bundesnetzagentur in das Postchaos eingeschaltet und eine Anlassprüfung veranlasst.
Anlassprüfung fordert Gründe und Aktionen ein
Laut Pressesprecherin Judith Henke fordert die Bundesnetzagentur das jeweilige Postunternehmen auf, bestehende Mängel zeitnah abzustellen und die gesetzlich vorgeschriebene Qualität dauerhaft zu gewährleiten. Das geschehe, wenn sich Beschwerden aus einem Postleitzahlengebiet häufen oder zu einem bestimmten Thema Auffälligkeiten festgestellt werden. Dann greift die Bundesnetzagentur ein und lässt sich vom jeweiligen Postunternehmen Gründe sowie beschlossene Maßnahmen darlegen, damit die Postversorgung wieder gewährleistet werden kann. Laut Bundesnetzagentur habe es 2022 in ganz Deutschland 86 Anlassprüfungen gegeben.
Auf SÜDKURIER-Nachfrage teilt die Bundesnetzagentur mit, dass es kürzlich auch in Gottmadingen zu einer solchen Anlassprüfung gekommen sei. Bürgermeister Michael Klinger bestätigt dies. „Den Beschwerden aus Gottmadingen lag eine mangelhafte beziehungsweise ausgefallenen Briefzustellung zugrunde. Die Deutsche Post AG begründete dies mit Personalengpässen und der Umstellung auf die Verbundzustellung“, heißt es in einer Stellungnahme der Bundesnetzagentur. Als Abhilfemaßnahmen habe die Post unter anderem den Maßnahmen zur Personalgewinnung angekündigt.
Aber Pressesprecherin Henke betont auch, dass die rechtlichen Möglichkeiten der Bundesnetzagentur, bei Qualitätsmängeln im Einzelfall für Abhilfe zu sorgen, beschränkt seien. „Es gibt kein gesetzliches Instrumentarium, mit dem ein Postdienstleister im Einzelfall durch eine behördliche Anordnung oder Ähnlichem zur Erbringung einer bestimmten Qualität verpflichtet werden kann. Ebenfalls kann die Bundesnetzagentur vorübergehende Mängel nicht entsprechend sanktionieren“, teilt sie mit.
Über 6300 Beschwerden alleine in Baden-Württemberg
Eine grundsätzliche Verbesserung der Postversorgung im Hegau kann also auch die Anlassprüfung nicht bewirken. Dabei steht die Region mit den Problemen nicht alleine da. 2022 stieg die Zahl der Beschwerden über verspätete Zustellungen bei der zuständigen Bundesnetzagentur auf 37.000 – so viel wie nie zuvor. Alleine in Baden-Württemberg seien über 6300 Beschwerden eingegangen, wie die Pressestelle auf Nachfrage erklärt.
Ein Blick in die sogenannten Anlassprüfungen der Bundesnetzagentur verrät, dass die Zustellprobleme im Hegau keinesfalls exklusiv sind. Beeinträchtigungen in der Postversorgung ziehen sich 2022 durch weite Teile des Landes. Neben ländlichen Regionen sind auch Metropolen wie München und Berlin betroffen.

Brandbrief-Schreiber warten noch auf Antwort
Laut Bürgermeister Holger Mayer warte man im Hegau noch auf eine Antwort auf den Brandbrief. Diese sei bisher noch nicht aus dem Bundeswirtschaftsministerium eingegangen. Allerdings habe er Anfang der Woche einen Anruf aus dem Wirtschaftsministerium erhalten. „Wir gehen davon aus, dass wir nach Fasnet eine Antwort erhalten“, so Mayer weiter. Am Telefonat sei ihm versichert worden, dass das Ministerium im engen Austausch mit der Post und der Bundesnetzagentur sei. „Ich gehe davon aus, dass dort die Zügel nach den Problemen im vergangenen Jahr deutlich angezogen werden“, hofft Mayer.
Er gehe davon aus, dass der Gesetzgeber nun deutliche Maßnahmen zur Beseitigung der Probleme ergreifen werde. „Die Probleme kann man so einfach nicht stehen lassen. Das Postproblem ist keines, das der Hegau exklusiv hat – auch wenn uns dies zu Beginn so zu verstehen gegeben wurde“, betont Mayer.