Es sind die Kontraste, die Olga Gozdzik an Gottmadingen so reizvoll findet. Wenn man sie fragt, was sie in die Hegaugemeinde gezogen hat, so zählt sie auf: Die Reste der alten Landmaschinenfabrik Fahr, der Umbau der Industriebrache zu einem florierenden Wirtschaftsstandort, und auf der anderen Seite die Reste des dörfliche Charakters. Die neue Stadtplanerin schätzt die Dynamik des Ortes und spricht sogar vom Genius Loci. Diesen Begriff aus der römischen Antike benutzen die Architekten immer dann, wenn sie die Besonderheit, die Atmosphäre eines Ortes hervorheben wollen.
Wo Dorf und Industrie zusammenkommen
Für Olga Gozdzik ist Gottmadingen so ein Ort. Die gebürtige Danzigerin ist in Hamburg aufgewachsen. Dort hat sie auch Stadtplanung studiert. Für ihre Abschlussarbeit ist sie ein Jahr nach Leipzig gezogen, wo sie den Charme der Industriearchitektur der Gründerzeit kennengelernt hat. „Der Wandel, die Umgestaltung eines brach gefallenen Gebietes interessiert mich“, erklärt sie. Und da gibt es Ansatzpunkte in Gottmadingen. „Lange war Gottmadingen für mich der letzte Ort vor der Grenze“, sagt sie. Bei genauem Hinsehen wurde er interessant für sie. Es zeige sich, dass der Ort anders strukturiert ist als andere Mittelstädte. Ausschlaggebend dafür ist die Industriegeschichte des Ortes mit der Architektur der ehemaligen Landmaschinenfabrik Fahr.
Der ganzheitliche Blick auf die Gemeinde
Seit Mitte Mai hat sie ihr Büro als Stadtplanerin im Gottmadinger Bauamt bezogen. „Frau Gozdzik bringt eine Menge mit, was wir hier gebrauchen können“, erklärt Bürgermeister Michael Klinger seine Wahl. „Ihr ganzheitlicher Blick auf die Gemeinde ist mir wichtig und ihre Erfahrung aus der Privatwirtschaft.“ Ihre erste Stelle führte Olga Gozdzik in ein privates Planungsbüro. Danach war sie neun Jahre lang in verschiedenen Positionen von der Sachbearbeiterin bis zur Abteilungsleiterin bei der Stadtplanung in Rottweil beschäftigt. „Lange genug, um wieder eine neue Aufgabe zu suchen“, sagt sie, die sich inzwischen in der Region fest verankert sieht. In den Norden Deutschlands zurückzugehen, kam für sie nicht mehr in Frage, weil sie den Südwesten schätzt. „Der Bodensee ist für mich wie der Norden; nur wärmer und ohne Regen“, sagt sie mit einem breiten Lachen.
Maximale Verdichtung ist nicht die erste Wahl
Ihre ersten Erfahrungen mit den zahlreichen Bauprojekten in Gottmadingen hat Olga Gozdzik inzwischen gemacht. In jüngster Zeit hatte der Gemeinderat über etliche Bauanfragen zu diskutieren, über die keine Einigkeit mit der Baurechtsbehörde im Konstanzer Landratsamt herrschte. Während die Genehmigungsbehörde ihre Zustimmung signalisierte, waren die Mandatsträger mehrheitlich der Meinung, dass die geplanten Häuser nicht in die Umgebung passten. „Wenn kein Baum mehr auf ein Grundstück passt, weil es maximal bebaut wird, ist das fragwürdig“, sagt die Stadtplanerin. Auch die Nachbarn hatten Einspruch erhoben. Um handlungsfähig zu bleiben und Fristen einzuhalten, beschloss der Rat, für die strittigen Gebiete in Ebringen, Bietingen und Gottmadingen jeweils Bebauungspläne aufzustellen. Hier ist Olga Gozdzik gefordert.

Der Mensch steht im Mittelpunkt
„An der Ortsplanung begeistert mich, dass hier alles zusammenfließt, was die Menschen betrifft“, sagt sie. „Projekte, Wünsche, Nutzungsräume, Grün und Soziales.“ Dass sich die Baurechtsbehörde in Konstanz befindet, ist für sie kein Problem. Es gehe ihr auch in strittigen Fragen immer darum, mit den Bauherren zu planen und nicht gegen sie. Dort, wo man sich über die Ermessensspielräume des Paragraphen 34 nicht einigen könne, seien Bebauungspläne hilfreich. „Das machen wir aber nicht, um Bauvorhaben zu verhindern, sondern um Instrumente zu schaffen, mit denen wir Konflikte regeln können“, springt auch Michael Klinger bei.

Viele Aufgaben für die Stadtplanung
Gottmadingen hat in den nächsten Monaten und Jahren viele Aufgaben zu erledigen, in die auch die Stadtplanung involviert sein wird: Gewerbe, Mobilität und Verkehrsentwicklung, die Spielplatzkonzeption und die Bürgerwerkstatt Riedwies. Eines der größten Themen ist jedoch die Entwicklung des Quartiers 2020 im Gebiet der alten Eichendorff-Realschule. Hier sind die Herausforderungen groß, weil nicht alle Wünsche aus der Bürgerbeteiligung erfüllt werden können. Olga Gozdzik hatte mittlerweile Kontakt mit der Spurgruppe, die sich über Wohn- und Nutzungsformen im Gelände Gedanken macht. „Für mich ist es spannend, innerörtlich ein so großes Quartier mitentwickeln zu dürfen“, sagt sie. Dabei will sie ihren Blick auf die zukünftigen Bewohner richten.