Kaum war der Mieter ausgezogen, offenbarte sich einem Gottmadinger Ehepaar das ganze Dilemma. Die Wohnung habe einer Müllhalde geglichen. Überall lagen Abfall und die Hinterlassenschaften einer Katze. Boden, Fenster und Badezimmer seien beschädigt worden. Doch der Verursacher wolle davon nichts wissen, sagt die Vermieterin. Für sie begann das neue Jahr daher mit dem Gang zum Anwalt. Nachdem es in der Vergangenheit zu Bedrohungen kam und die Polizei im Einsatz war, fürchtet das Paar die Rache des Mannes und will anonym bleiben. Dennoch wollen sie ihre Geschichte erzählen und andere warnen: „Wir sind da leider sehr unbedarft rangegangen. Heute würden wir es anders machen.“
Zwei Experten ordnen für den SÜDKURIER beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit aus Mieter- und Vermieter-Perspektive ein, welche Rechten und Pflichten es gibt – und wie man solche Enttäuschungen vielleicht vermeiden kann.
Der Fall: Vom Quasi-Familienmitglied zum bedrohlichen Fremden
Sie hätten das Dachgeschoss auch weiter leer stehen lassen können, schildern die Eheleute. Doch dann fragte eine Bekannte, ob sie die Räume einem netten jungen Mann vermieten wollten. Zur Besichtigung war der Vater dabei und versicherte, die Hand für seinen Sohn ins Feuer zu legen. Also zog der damals 19-Jährige im September 2017 ein – „nur mit einer Zahnbürste“, denn die Wohnung sei komplett ausgestattet gewesen. „Wir haben ihn wie ein Familienmitglied behandelt“, versichert die Vermieterin. Das Verhältnis habe sich nach zwei Jahren aber verschlechtert: Erst zog seine Freundin mit ein, dann wurden die Vermieter nicht zum Überprüfen des Rauchmelders in die Wohnung gelassen. Etwas später hätten sie bemerkt, dass eine Katze in der Wohnung lebt, obwohl das laut Mietvertrag nicht erlaubt war. Nach einem Wasserschaden mussten Handwerker in die Wohnung und schilderten desaströse Zustände. Daraufhin kündigten die Vermieter das Mietverhältnis.
Bei der Übergabe dann der Schock: Überall Dreck, Müll und Schäden. Und Teppiche, einen Staubsauger und einen Toaster nahm der Mann offenbar mit in seine neue Wohnung. „Wir gaben ihm drei Wochen, um die Wohnung wieder bewohnbar zu machen“, schildert der Vermieter. Doch kurz später habe ihnen der Mieter den Schlüssel vor die Füße geworfen. Der Vater des Mieters habe etwas geholfen, den Müll zu beseitigen. Doch letztlich sei die Arbeit an den Vermietern hängen geblieben: „Wir haben eine Woche nur geputzt und den Dreck mit Spachteln von den Fenstern gekratzt.“ Der Anwalt der Familie beziffert die Schäden mit 8500 Euro.
Worauf sollte man vor Beginn eines Mietverhältnisses achten?
Winfried Kropp und Florian Zimmermann haben immer wieder mit unzufriedenen Mietern und Vermietern zu tun: Kropp ist Mitglied im geschäftsführenden Vorstand sowie Pressesprecher des Deutschen Mieterbunds Bodensee, der Verein vertritt etwa 8000 Mitglieder im Landkreis Konstanz sowie Bereich Überlingen. Zimmermann ist Rechtsanwalt sowie Geschäftsführer beim Eigentümerverein Haus und Grund in Singen mit rund 2000 Mitgliedern im Hegau. Beide sind sicher, dass die meisten Mietverhältnisse problemlos sind.
Florian Zimmermann rät Vermietern, sich einen künftigen Mieter genauer anzuschauen: Haus und Grund biete nicht nur an, einen Mietvertrag zu erstellen, sondern auch für eine Selbstauskunft. Der Anwalt empfiehlt, die dort genannten Daten auch zu nutzen und beispielsweise mal beim bisherigen Vermieter nachzufragen. Außerdem könne man eine Schufa-Auskunft einholen. Der Anwalt empfiehlt auch immer eine Barkaution als Sicherheitsleistung, zulässig seien drei Kaltmieten. „Wichtig ist auch ein ordentliches Übergabeprotokoll, denn ein Vermieter muss später beweisen, dass Mängel nicht schon beim Einzug bestanden haben.“
Winfried Kropp argumentiert aus Mietersicht ähnlich. Für ihn macht einen fairen Vermieter aus, dass der Mieter die Kaution in drei Raten zahlen kann. Mit Online-Bürgschaften gebe es inzwischen auch andere Lösungen. Von einer persönlichen Bürgschaft etwa der Eltern hält Kropp wenig: „Das ist ein unkalkulierbares Risiko für den Bürgen, das ich niemandem empfehlen würde. Eine Kaution reicht auch völlig aus, um das allgemeine Risiko abzudecken.“
Wann darf ein Vermieter in die Wohnung?
Da sind sich die Experten weitgehend einig: Gar nicht, wenn er keinen berechtigten Grund hat. Es gebe allerdings ein Betretungsrecht für Instandhaltungen und Modernisierungen, sagt Winfried Kropp vom Mieterbund. Dazu zähle die Wartung von Rauchmeldern. Auch wenn der Eigentümer die Wohnung verkaufen wolle, muss ein Mieter Zutritt gewähren. Wichtig sei eine angemessene und rücksichtsvolle Ankündigung: „Man muss sich darauf einstellen können. Wenn samstags um 6 Uhr spontan die Handwerker klingeln, muss man nicht aufmachen“, so Kropp.
Laut Florian Zimmermann dürfen Vermieter nicht einmal einen Schlüssel zum Wohnraum haben. Allerdings sei es ein Kündigungsgrund, wenn ein Mieter es nicht ermögliche, den Rauchmelder zu überprüfen: „Da geht es ja auch um die Sicherheit des Mieters und anderer.“
Darf ein Mieter seinen Partner einziehen lassen?
Ja. Ein Mieter müsse den Vermieter informieren und um Zustimmung bitten, sagt Florian Zimmermann. Es gebe dann aber nur wenige Gründe, weshalb ein Vermieter ablehnen könne – einen stadtbekannten Dealer oder Nazi muss man laut dem Anwalt nicht aufnehmen. Ein Vermieter könne die Erlaubnis an eine höhere Miete knüpfen, gerade wenn diese pauschal bezahlt werde. Dass die Wohnung zu klein ist, sei übrigens kein Argument: Eine Überbelegung sei nur ganz selten der Fall.
Anders ist es laut Zimmermann bei einer Untervermietung, wenn der Mieter alle Räume jemand anderem überlassen möchte. Darauf habe man keinen Anspruch.
Was ist, wenn der Mieter ein Haustier haben möchte?
Ein Vermieter darf nicht pauschal verbieten, Tiere zu halten, sagt Florian Zimmermann zu dem umstrittenen Thema mit wechselnder Rechtsprechung. Klauseln in Standard-Mietverträgen, die das verbieten, seien meist unwirksam. Die Größe eines Tieres sei dafür übrigens nicht entscheidend. Zulässig sei ein Verbot nur, wenn es begründet in einem individuellen Vertrag festgehalten werde – doch das komme selten vor. Eine bereits gegebene Zustimmung zur Tierhaltung könne widerrufen werden, wenn sich ein Tier als Gefahr für andere oder für die Wohnung herausstelle. Winfried Kropp vom Mieterbund empfiehlt, die Tierhaltung mit einem Vermieter abzustimmen.
Was ist bei der Kündigung eines Mietverhältnisses zu beachten?
„Dem vertragstreuen Mieter darf nicht so einfach gekündigt werden“, stellt Winfried Kropp vom Mieterbund klar. Es brauche ein berechtigtes Interesse oder Pflichtverstöße. Einfach festzumachen sei das an der Mietzahlung: Wenn zwei aufeinanderfolgende Monate nicht vollständig gezahlt wurde, ist eine fristlose Kündigung möglich. Laut Anwalt Florian Zimmermann genügt es auch, insgesamt zwei Monatsmieten in Verzug zu sein, denn damit erweise sich der Mieter als unzuverlässig. Zu berechtigten Gründen für eine Kündigung zählen laut Mieter-Vertreter Kropp auch Beleidigungen, ein permanenter Verstoß gegen die Hausordnung oder Schäden an der Mietsache.
Beide Experten warnen davor, Eigenbedarf als Kündigungsgrund auszunutzen: Bei einem vorgetäuschten Eigenbedarf könne ein Mieter später Schadensersatzansprüche geltend machen.
Die Konsequenz: Diese Gottmadinger Wohnung bleibt leer
Vorerst wird das Dachgeschoss in einem Gottmadinger Wohngebiet leer stehen, das betroffene Ehepaar will nicht erneut vermieten – auch wenn es weiß, dass Wohnraum aktuell sehr gefragt ist. Erst einmal sind die beiden damit beschäftigt, die Schadenssumme einzuklagen. „In der Hoffnung, wenigstens einen Teil der Kosten erstattet zu bekommen“, wie die einstige Vermieterin sagt. Der Rechtsweg koste aber auch Zeit und Geld.