Wie viele Störche sind zuviel? Bei 100 Vögeln und 450 Menschen in einem Ortsteil wird es heftig, findet Bürgermeister Florian Zindeler. Derzeit sei der Hohenfelser Ortsteil Mindersdorf, in dem es etwa 15 Störchennester gibt, ein großer Sammelpunkt für in den Süden ziehende Störche, beschreibt er. Da dies in den vergangenen Jahren zugenommen habe, befürchtet er, dies könnte sich zu einem größeren Problem entwickeln.

Grundsätzlich sei es zwar schön, dass die Population des streng geschützten Weißstorchs zunehme. Doch die Störche würden zur Belastung „und die Stimmung droht allmählich zu kippen, wenn es nicht schon zu spät ist“, so der Bürgermeister. Jährlich entstünden neue Nester und im Sommer würden abends alle Dächer besetzt.

Dutzende Störche sind bei Mindersdorf gleichzeitig in der Luft. Sie steuern Felder an, auf denen Bauern gerade mähen.
Dutzende Störche sind bei Mindersdorf gleichzeitig in der Luft. Sie steuern Felder an, auf denen Bauern gerade mähen. | Bild: Löffler, Ramona

Er will einen Masterplan vom Land

Er macht auf das größer werdende Problem in einer offenen E-Mail an das Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg sowie verschiedene Landtags- und Bundestagsabgeordnete aufmerksam. Sein Anliegen ist, dass das Ministerium „mittelfristig einen Masterplan zum Umgang mit geschützten Arten in besonders betroffenen Städten und Gemeinden“ erarbeitet.

Zindeler schreibt: „Ich möchte nicht nur den anfallenden Kot und das Klappern erwähnen, viel wichtiger ist es doch, dass das Verhältnis zwischen Schutzgut Tier und Schutzgut Mensch aus den Fugen gerät und man hilflos zuschauen muss. Darüber hinaus berichten mir unsere Landwirte, dass auf unseren Riedflächen auch andere Arten darunter leiden, denn die Störche fressen radikal alles, angefangen von Fröschen, Mäusen oder Hasen und dies in einer unglaublichen Menge.“

Das könnte Sie auch interessieren

Manche Orte sind stark betroffen

Der Bürgermeister erzählt, er habe auch Kontakt mit anderen Bürgermeistern im Landkreis gehabt, die davon berichten, wie sich manche Menschen abends gar nicht mehr auf die Terrasse setzen könnten, weil sonst vielleicht Kot von oben kommen könnte.

Sein Ziel mit dem Brief: „Ich möchte, dass sich das Land Gedanken macht. Mir geht es um den Grundsatz und eine Strategie – keine Einzelfälle.“ Er erwartet also eine Lösung von den Behörden, da Störche unter Naturschutz stehen. Die Politik solle aktiv sein und sich nicht später reaktiv kümmern.

Kosten sind auch ein Problem

Wie könnte aber eine Lösung aussehen, um den Tieren Raum zu geben, aber Einschränkungen für Menschen zu verhindern? Zindeler kann sich eine Begrenzung der Nest-Anzahl für ein Gebiet vorstellen. Er wolle keinesfalls in Frage stellen, dass die Störche schützenswert seien, betont er.

Wie die Störche sind auch Biber streng geschützte Tiere. Zindeler bedauert, dass beim Gesetzgeber nicht durchdacht sei, welche Konsequenzen das nach sich zieht. Für Biber könnte er sich als Lösung vorstellen, Zonen einzurichten, in denen Dämme entfernt werden dürfen.

Ein Problem seien aber bei allen Maßnahmen die Kosten und wer diese dann trage. Dazu gab es kürzlich auch Gespräche der Storchenbeauftragten Astrid Wochner und Christian Mende mit der Stockacher Stadtverwaltung, die ebenfalls bemängeln, dass es vom Land keine Zuschüsse mehr gibt, aber jeder Hausbesitzer mit Storchennest die Verkehrssicherungspflicht habe. Daher kann es dann teuer werden. 

Drei Störche auf dem Turm der Mindersdorfer Kirche.
Drei Störche auf dem Turm der Mindersdorfer Kirche. | Bild: Löffler, Ramona

Zindeler formuliert seine Forderung an das Land daher so: „Wie können wir gemeinsam und rechtssicher vermeiden, dass die jeweilige Population weiter zunimmt und wie schaffen wir es, dass sich die Lebensqualität der Menschen vor Ort nicht weiter verschlechtert?“ Ganz am Ende müsse geklärt sein, wer dafür die Verantwortung beziehungsweise die Kosten trägt – seines Erachtens liege dieser Ball unbestritten beim Urheber des Gesetzes.

Viele Störche sitzen in diesen Tagen und Wochen bei Mindersdorf auf den Feldern. Hier sind auch drei auf dem Kirchturm im Hintergrund zu ...
Viele Störche sitzen in diesen Tagen und Wochen bei Mindersdorf auf den Feldern. Hier sind auch drei auf dem Kirchturm im Hintergrund zu sehen. | Bild: Löffler, Ramona

Storchenbeauftragter sieht Lage anders

Josef Martin ist der Storchenbeauftragte für den Bereich um Hohenfels und Mühlingen. Er wohnt selbst in Mindersdorf und hat bisher nicht den Eindruck, dass es Probleme gibt. „Wenn Störche auf der Wiese laufen, stören sie niemanden“, sagt er. Aktuell nehme die Zahl der Vögel, die sich für den Flug in den Süden sammeln, schon wieder ab, sagt er. Die Störche würden sich abends zwar auf die Dächer der großen alten Bauernhäuser setzen, aber das könne beim Sitzen auf Terrassen eigentlich nicht stören.

Dass die Störche Kleintiere wie Frösche wegfressen, komme manchmal zur Sprache, aber sonst habe er bisher wenig Kritik gehört, so Martin. Er verweist auf Böhringen, die Storchenhochburg des Landkreises Konstanz, wo es keine Probleme gebe. Er halte daher die Ängste, dass durch Störche Frösche, Regenwürmer oder so ganz weggefressen werden, für unbegründet.

Das könnte Sie auch interessieren

Viele der Störche sterben im ersten Jahr

Manche freuen sich über Störche und manche nicht, weiß Martin aus Erfahrung. „Für mich ist das Klappern Musik in meinen Ohren“, sagt er. In Mindersdorf schlage die Kirchturm-Uhr das ganze Jahr über 24 Stunden lang jede Viertelstunde, ergänzt er. Das störe ihn auch nicht, sei aber im Gegensatz zu den Störchen das ganze Jahr über hörbar.

Laut Martin sind Störche die Gewinner der Klimaerwärmung, doch ihre Population werde sich einpendeln. Jedes Jahr sterbe der Großteil des Nachwuchses, nicht nur in einem schlechten Jahr wie jetzt. Zwei Drittel der Jungstörche seien so unerfahren, dass sie das erste Lebensjahr nicht überleben würden, erzählt er. In Mindersdorf habe sich dieses Jahr die Zahl der Nester von etwa acht auf 15 fast verdoppelt. 13 Jungstörche seien aufgewachsen und flügge geworden – aber nicht alle davon werden durchkommen.