Im Großen und Ganzen ist die Schriftstellerin Gaby Hauptmann zufrieden mit der Premiere ihrer TV-Show „Talk am See“, die am vergangenen Samstag im SWR ausgestrahlt wurde. „Wie alle Premieren hat auch diese an den Nerven aller Beteiligten genagt“, sagt die 62-Jährige und ergänzt: „Man kann es nie allen Recht machen. Das ist wie bei meinen Büchern: Die einen finden sie gut, andere nicht.“

Während die Allensbacherin nach eigener Aussage viel positives Feedback bekommen hat, störte sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) Bodensee-Region massiv über die Auswahl eines Gastes durch die SWR-Redaktion: Jürgen Todenhöfer, den die DIG in einem Schreiben an die SÜDKURIER-Redaktion als „verschwörungsideologisches wie antisemitisches Starlet der deutschen Medienlandschaft“ bezeichnet.
Todenhöfer sei in den vergangenen Jahrzehnten „wiederholt durch Holocaustrelativierungen und Verharmlosungen des nationalsozialistischen Terror- und Willkürregimes aufgefallen“, schreibt die Gesellschaft weiter. Und: „So verbreitete er etwa 2014 die antisemitische Mär eines kindermordenden Israels und bezeichnete Gaza als größtes Konzentrationslager der Welt. Dass ein deutscher Buchautor sich erdreistet, Israel, einen demokratischen Rechtsstaat, mit der nationalsozialistischen Diktatur gleichzustellen, macht uns sprachlos.“
Das Schreiben schließt mit den Worten: „Es hätte keiner großen Recherche bedurft, um Todenhöfers Ausfällen auf die Schliche zu kommen.“
Auf Nachfrage des SÜDKURIER erklärt der Stellvertretende Vorsitzende Lasse Stodollick, dass die DIG sich besonders daran störe, „dass so ein Mensch eine Plattform bekommt und unkritisch sprechen darf“. Todenhöfer habe in der Sendung über den Gazastreifen gesprochen und „die Hamas-Terroristen als Rebellen bezeichnet. Das ist eine grobe Verharmlosung und Falschdarstellung.“ Die Hamas gilt als eine Palästinenser-Organisation, die Israel mit Terror bezwingen will. Sie stellt die Regierung im Gazastreifen.
Gaby Hauptmann hält dagegen, dass ihre Show „Talk am See“ überhaupt nicht darauf abziele, ein politisches Statement abzugeben, sondern vielmehr „Samstagabend-Unterhaltung“ sei.
Die Schriftstellerin hat – wie dem lauten Applaus nach zu urteilen auch viele andere Zuschauer – aus Todenhöfers Auftritt folgende Kernaussage mitgenommen: „Waffen weg. Hört auf, Kriege zu führen. Für mich wäre es richtig, es gäbe überhaupt keinen Krieg“, sagt die Bestsellerautorin.
In diesem Punkt ist auch Lasse Stodollick von der DIG mit der Allensbacherin einer Meinung. „Wir sind auch für Weltfrieden“, erklärt der Geschichtswissenschaftler, „und natürlich ist nicht jede Kritik an Israel antisemitisch. Im Fall von Jürgen Todenhöfer aber schon, weil er eindeutig antisemitische Chiffren verwendet.“
Der Anlass für die Einladung Jürgen Todenhöfers „war sein neu erschienenes Buch ‚Die große Heuchelei‘, welches derzeit auch in anderen Medien und Sendungen besprochen wird, unter anderem in 3sat: Kulturzeit, ttt im Ersten, oder Beiträgen in Deutschlandfunk Kultur“, schreibt der SWR auf SÜDKURIER-Anfrage. Dort heißt es weiter, dass die Redaktion im Vorfeld intensiv über jeden einzelnen Gast diskutiere.
Der SWR erklärt, dass die Vorwürfe „nicht Thema des Gesprächs zwischen Frau Hauptmann und Herrn Todenhöfer“ gewesen seien
„Dass Jürgen Todenhöfer nicht unumstritten ist, war dem Produzenten und der Redaktion bekannt. Im Zentrum des Gespräches ging es um die persönlichen Erfahrungen Todenhöfers, die er auf seinen Reisen gesammelt hat. Anhand dieser Erfahrungen wurde vor allem darüber gesprochen, dass Kriege wie in Afghanistan und dem Irak auch Opfer in der Zivilbevölkerung fordern“, schreibt der SWR weiter.
Zudem seien die von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bodensee-Region erhobenen Vorwürfe „nicht Thema des Gesprächs zwischen Frau Hauptmann und Herrn Todenhöfer. Herrn Todenhöfer wurde kein Raum gegeben, die im Schreiben aufgeführten Thesen zu vertreten.“ Jürgen Todenhöfer war für eine Stellungnahme leider nicht zu erreichen.

Der nächste „Talk am See“ verspricht weniger politisch zu werden als der Auftakt. Am Samstag werden zu Gast sein: Gräfin Bettina Bernadotte, die von ihrem Engagement für die Umwelt auf der Insel Mainau berichtet; Kabarettist Christoph Sonntag, der mit seiner Tour „Swabian Worldwide“ zu einer „Comedy-Weltreise“ aufbricht; Moderatorin Andre Ballschuh, die erzählt, wie sie ihren Zucker-Konsum vollständig einstellte; die Kommunikationstrainerin und Sprecherzieherin Ariane Willikonsky sowie Willi Wolf, der schwäbische Cowboy, der mehr als 300 Wasserbüffel sein Eigen nennt.
„Lebendig und schön“ sollen die Sendungen sein, wünscht sich Gaby Hauptmann, die mittendrin sitzen und Spaß haben will. Die Quoten der Premiere mit vorläufig 160.000 TV-Zuschauern bereiten ihr dabei überhaupt keine Bauchschmerzen.
„Wir müssen noch die Zahlen der Mediathek abwarten, da waren es wohl um die 400.000 Zuschauer. Die genauen Quoten gibt es erst nach zehn Tagen“, sagt sie. Auch wenn sie keine ausgebildete Moderatorin ist, weiß Gaby Hauptmann: „Eine Talkshow braucht einen langen Atem und muss erst einmal bekannt werden. Auch wir entwickeln uns und sehen dann, was passiert.“
Der nächste Talk
In der zweiten Sendung der neuen SWR-Talkshow „Talk am See“ begrüßt Gaby Hauptmann unter anderem den Kabarettisten Christoph Sonntag, Bettina Gräfin Bernadotte und die Moderatorin Andrea Ballschuh. Die nächste Aufzeichnung findet am heutigen Freitag in der ehemaligen Stiftskirche St. Johann statt. Die zweite Folge ist am Samstag, 21.50 Uhr, im SWR Fernsehen zu sehen.
Dann berichtet Kabarettist Christoph Sonntag von seinem Aufbruch zu einer „Comedy-Weltreise“. Moderatorin Andrea Ballschuh möchte mit ihrem Buch „Zucker is(s) nicht!“ Menschen zu einem zuckerreduzierten Alltag motivieren. Und Bettina Gräfin Bernadotte spricht über ihr Engagement für die Umwelt im Rahmen der SWR-Aktionswoche „Rettet die Insekten“. Nachhaltigkeit auf den Wiesen der Insel Mainau und die Bienen seien ihr besonders wichtig.