Maximal zwei E-Mails pro Tag, arbeiten in der freien Natur, Kaffee auf dem Feuer, leben in einem Wohnwagen und nachts ein Sternenmeer – für viele ist so ein Leben nur schwer vorstellbar, für Valentin Grüner ist es der wahr gewordene Traum. Seit zehn Jahren lebt er nun schon in seiner Wahlheimat Botswana im südlichen Afrika und setzt sich dort als Wildhüter für den bereits hohen Standard an Naturschutz ein.
"Das hat sich einfach richtig angefühlt"
Nicht nur die riesigen offenen Flächen, die politische Sicherheit und die vielen Wildtiere waren ausschlaggebend für seine Entscheidung, dort mit dem Reservat Modisa Wildlife Project an der Kalahari-Wüste seinen Lebensmittelpunkt aufzubauen. Sondern eine Freundschaft der ganz besonderen Art, nämlich zu der heute knapp sechs Jahre alten Löwin Sirga.
"Das hat sich einfach richtig angefühlt", erinnert sich Grüner an seine Rückkehr nach Afrika nach seinem Zivildienst in einem Naturschutzzentrum in Deutschland. Keine zehn Tage alt war Sirga, als sie wie ihre älteren Geschwister vom ihrem Rudel verstoßen und von da an durch Valentin Grüner mit der Hand aufgezogen wurde.

Der Wildhüter hat mit der jungen Raubkatze lange Spaziergänge in der Savanne unternommen und ihr in einem privaten Reservat in Botswana das Jagen beigebracht. Seit einigen Jahren ist Sirga jedoch ausgewachsen. Das Reservat aber, in dem sie bis vor einem Jahr gelebt hat, war nicht mit einem Elektrozaun versehen und daher auch nicht raubtiersicher.
Freilassen in einem der botswanischen Nationalparks stand ebenfalls nicht zur Debatte, da sich der natürliche Lebensraum der Löwen in den vergangenen Jahrzehnten durch den Menschen und die Agrarwirtschaft stark zurückentwickelt hat und Sirga gerade durch ihre Gewöhnung an Menschen ein Risiko darstellen würde.
Also hat der Konstanzer vor etwa vier Jahren begonnen, sich nach einem Gebiet für ein Privatreservat umzusehen und konnte mittels Spendengeldern für seine Löwin ein zwanzig Quadratkilometer großes Stück Land mit Wasser und einer ausreichenden Anzahl von Wildtieren kaufen.
"Sie hat es wirklich verdient"
Da aber auch hier noch die Elektrik am Zaun fehlt, lebt Sirga seit dem Umzug in das neue Areal vor einem Jahr in einem fußballfeldgroßen Gehege und wartet tagtäglich darauf, dass Grüner mit der zweiten Hälfte der benötigten Spenden den über zwei Meter hohen Zaun nachrüsten und sie endlich in ihr neues Zuhause einziehen kann. "Die Löwin soll raus. Sie hat es wirklich verdient", betont Grüner.

Bis es aber endlich soweit ist, geht Grüner für Sirga jagen, gräbt Wasserlöcher und besucht die mittlerweile 200 Kilogramm schwere Löwin jeden Tag zum Spielen und Kuscheln. Körperlich sei dies ungefähr so anstrengend wie ein Boxkampf.
Was für die ausgewachsene Löwin ein Begrüßungsritual und eine Geste der Zuneigung ist, kann für den Konstanzer schmerzhaft werden. Denn ihr Kopfreiben verpasse ihm auch schon mal aus Versehen das eine oder andere blaue Auge, wie Grüner mit einem Schmunzeln erzählte.

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER wird schnell deutlich, dass die Auswilderung auch für den 30-Jährigen eine emotionale Trennung bedeutet. Als Wildhüter stellt er jedoch seine eigenen Bedürfnisse zurück, um Sirga ein artgerechtes Löwenleben in relativer Freiheit zu ermöglichen – im besten Fall sogar irgendwann mit anderen Artgenossen.
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Wer der Löwin Sirga dabei helfen möchte, dass sie ihr neues Zuhause möglichste schnell beziehen kann, kann sich über www.gofundme.com/loewe an dem Projekt beteiligen.
"Ich werde mich täglich versichern, wo sie ist und wie es ihr geht. Aber wenn sie sich distanzieren möchte, um mit anderen Löwen Kontakt zu haben, ist das das Beste, was passieren kann. Und wenn sie irgendwann richtig alt ist, werde ich sie auch wieder füttern", erklärt der 30-Jährige.
Dass die Spenden am Ende nicht ausreichen könnten, stellt für Grüner kein Hindernis dar, sein Vorhaben zu verwirklichen: "Ein paar Jahre wird sie auf jeden Fall in Freiheit bekommen, dafür werde ich arbeiten, so lange ich kann", erklärt er zielstrebig.

Neben der Liebe zu Tieren wurzelt die Begeisterung für Afrika schon in Grüners Kindertagen, die er in Gaienhofen-Horn, Wahlwies und Konstanz verbrachte. Auslöser für den Traum, auf den Kontinent zu ziehen und sich dort für den Naturschutz einzusetzen, seien insbesondere eine Keniareise seiner Tante und der 1959 gedrehte Dokumentarfilm "Serengeti darf nicht sterben" gewesen.
Und auch wenn der Bodensee für ihn immer noch seine Heimat ist, nach Deutschland zurückkehren werde Grüner nach eigenen Aussagen wohl nur noch, um Verwandte in Horn und Freunde in Konstanz zu besuchen und um – wie er selbst lachend hinzufügt – natürlich um den See zu genießen.

Weitere Infos zum Modisa Wildlife Project
Mit dem Modisa Wildlife Project hat sich Valentin Grüner zusammen mit seinem Geschäftspartner Mikkel Legarth 2010 einen Lebenstraum verwirklicht und bringt in seinem Camp Tourismus und Forschung zusammen. Mit einer kleinen Lodge an der Kalahari-Wüste möchten Grüner und sein Team aus zehn bis 20 Mitgliedern den Gästen eine nachhaltige touristische Erfahrung ermöglichen.
Gleichzeitig beherbergt das Camp eine Forschungsstation, in der Universitäten oder andere Institute mit permanenter wissenschaftlicher Unterstützung aus Texas arbeiten können. Neben Sirga leben zeitweise zur Erholung auch immer mal wieder andere Tiere in dem Camp, wie zum Beispiel derzeit eine junge Elenantilope, die das Team mit der Hand aufzieht, oder auch mal kleine Stachelschweine.