Durchschnittlich 7000 Radfahrer sind laut städtischer Statistik täglich auf der Petershauser und Jahnstraße unterwegs, an Spitzentagen sind es auch mal 13 000. "Hier entsteht eine Fahrradstraße" heißt es seit April in der Petershauser und Jahnstraße. Seitdem herrscht aber auch Verwirrung, nicht nur bei Rad-, sondern auch bei Autofahrern: Wer darf eigentlich wo fahren und halten? Welche Rechte haben Autofahrer und welche Radfahrer? Vor Ort haben wir uns mit Rad- und Autofahrern unterhalten und später den städtischen Projektverantwortlichen, Gregor Gaffga, zu diesen Fragen um Stellungnahme gebeten. Und der schickt vorweg: "Kritik ist normal. Die Situation, wie sie jetzt ist, ist nicht optimal. Aber es ist die beste Zwischenlösung."
Unsicherheiten bei Radfahrern
Sven Martin, dreifacher Vater, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Allmannsdorf-Staad und selbst auch Autofahrer, benutzt die Straße auf dem Weg von Allmannsdorf in die Stadt regelmäßig und begrüßt den Ausbau zur Fahrradstraße.
"Jeder, der einmal in einer niederländischen Stadt Rad gefahren ist, zum Beispiel in Groningen oder in Amsterdam, erkennt, dass dies die Zukunft ist", so Martin. In der jetzigen Übergangsphase sei aber auch er unsicher, wo er denn nun fahren darf - vor allem, wenn seine beiden Kinder im Alter von zehn und 13 Jahren mitfahren. "Wir fühlen uns etwas unwohl, da wir nicht wissen, ob wir bereits berechtigt sind, die neue Straße zu nutzen – sprich auf der Straße zu fahren". Weil viele nicht wissen, was denn nun gilt, gibt es auch Szenen wie diese zu beobachten: Die einen fahren auf der Straße, die anderen noch auf dem Radweg.
Kurze Zeit später ist auch folgende Szene zu beobachten: Ein Auto fährt dicht hinter einem Radfahrer auf, überholt, und der Fahrer deutet auf den Fahrradweg. Ganz unrecht hat der Autofahrer nicht, um genau zu sein – zumindest solange, wie es noch das blaue Schild "Radweg" gibt. Der ist laut Straßenverkehrsordnung, Paragraf 2, Absatz 4, benutzungspflichtig. Für die Übergangszeit ist es Radfahrern aber auch erlaubt, auf der Straße zu fahren. "Das muss jeder selbst nach seinen eigenen Fähigkeiten entscheiden, wo man sich sicher fühlt", so Gaffga.
Ab nächster Woche gilt: Alle auf die Straße
Derzeit werden die restlichen Markierungsarbeiten erledigt, und die noch vorhandenen Radweg-Schilder überklebt. Damit ist die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben. "Die Radwege sind dann rechtlich gesehen Radwege ohne Benutzungspflicht und dürfen von Radfahrenden benutzt werden, müssen aber nicht", erklärt Gregor Gaffga. Nächste Woche – einen genauen Termin kann Gaffga nicht nennen – werde dann die neue Beschilderung „Fahrradstraße“ montiert. Im Anschluss würden die alten Radwege gesperrt, sodass Radfahrende auf der Straße fahren müssen, wie diese beiden.
Radfahrer dürfen dann auch nebeneinander fahren. Ansonsten gelten die gleichen Verkehrsregeln wie in anderen Straßen auch. Radfahrende Kinder unter acht Jahren müssen auch in einer Fahrradstraße auf dem Gehweg fahren und dürfen durch einen Erwachsenen begleitet werden.
Noch fahren sehr viele Autos auf der Petershauser und Jahnstraße
Zwischen 4500 und 5500 Autos fuhren bislang täglich über die Petershauser und Jahnstraße. Teilweise nutzen auch Lkw die Straße, so die Erfahrung von Sven Martin. "Gerade mit Kindern – bei eher gemächlichem Tempo – fühlen wir uns manchmal unsicher und von Autofahrern bedrängt." Gaffga prognostiziert: "Ich gehe davon aus, dass die Autos in nächster Zeit deutlich weniger werden. Das hat auch viel mit Gewohnheit zu tun, die sich nur langsam ändert."
Ankündigung von Geschwindigkeitskontrollen
Die Fahrradstraße Petershausen ist, wie die Schottenstraße auch, für Autofahrer weiter befahrbar. Während allerdings in der Schottenstraße nur Anlieger freie Fahrt haben, dürfen die Petershauser und Jahnstraße alle Autofahrer befahren. Sie müssen aber dann besondere Rücksicht auf Radfahrer nehmen, die Vorfahrt haben. Für alle Verkehrsteilnehmer gilt auf der Straße eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Daran halten sich offenbar nicht alle Autofahrer – gerade dann, wenn sie verärgert Radfahrer überholen. "Auch wir haben entsprechende Rückmeldungen bekommen", bestätigt Gaffga. In den kommenden Wochen soll es deshalb entsprechende Geschwindigkeitskontrollen geben. Ob Blitzer oder Anzeigetafeln, sei noch nicht klar.
Neue Beschilderung am Zähringer Platz
Annette Fuchs beispielsweise fuhr bislang fast jeden Tag die Strecke mit dem Auto. "Ist mein Arbeitsweg", sagt sie kurz angebunden aus dem Auto heraus. Sie werde künftig wohl einen anderen Weg fahren, sagt sie. "Die Entscheidung für die Fahrradstraße ist jetzt nun mal da. Das muss man akzeptieren." Wer wie sie aus Richtung Allmannsdorf kommt, wird das neue Schild schon entdeckt haben: Richtung Reichenau werden Autofahrer erst einmal nach links Richtung Sternenplatz statt geradeaus geleitet.
"Die Konstanzer wissen natürlich, wo sie fahren können. Aber für Touristen ist das relevant", so Gaffga.
Wer darf wo vor dem Bahnübergang stehen?
Auch hier gibt es derzeit Verwirrung: Manche halten hinten, manche direkt an den Schranken.
Im besten Fall sieht der Wartebereich vor dem Bahnübergang laut Gaffga so aus: Die Autos halten weiter hinten an der dicken Linie, die Radfahrer innerhalb der blauen Markierung. Ganz vorne direkt an den Schranken zu stehen, sei nicht verboten. Aber die Pufferzone hat einen Grund: "Bürger haben angeregt, dass Platz bleiben sollte für die Radfahrer, die entlang der Bahnlinie fahren und die Straße queren. Sie kommen so besser durch", erklärt Gaffga.
Zu Beginn der Sommerferien wird noch der Ebertplatz umgebaut
Es ist der vorerst letzte Abschnitt im Zuge der Umbauarbeiten zur Fahrradstraße: Der Ebertplatz wird umgestaltet, sodass die Fahrradstraße direkt auf die Fahrradbrücke führt. Radfahrer müssen dann nicht mehr rechts über den Radweg auf die andere Straßenseite, wie auf diesem Bild, sondern werden direkt über die Kreuzung geführt.
Die Arbeiten starten zu Beginn der Sommerferien. Dazu muss die Ampelschaltung geändert werden und fällt deshalb bis zu mehrere Tage aus. "Das wollten wir nicht in der Schulzeit machen", erklärt Gaffga. Sind die Arbeiten abgeschlossen, ist die Fahrradstraße Petershausen komplett ausgebaut. Rund 150 000 Euro kostet die Umwandlung der Petershauser – und Jahnstraße in eine Fahrradstraße, so Gaffga.
Unterschiedliche Rückmeldungen zur Fahrradstraße
Mitarbeiter der Technischen Betriebe berichten, dass während der Markierungs- und Umbauarbeiten viele Fahrradfahrer anhalten und sich positiv äußern. Das sei ungewöhnlich – denn meist bekämen die Mitarbeiter nur dann Rückmeldungen, wenn etwas nicht passt.
Auch Sven Martin findet: "Der Ausbau wird dazu beitragen, dass meine Kinder sicherer zur Schule kommen und dass Gelegenheitsradler auf das Rad umsteigen, da sie dort jeder in seinem Tempo, nebeneinander, in Gruppen, entspannt in die Stadt radeln können."
Es gibt aber auch weiter andere Meinungen: "Noch mehr Schikane für Autofahrer" ruft einer aus dem Auto und fährt weiter.