Es geht um viel an diesem Tag auf dem Gießberg. Um Prestige, um Geld, um Jobs. Als Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Konstanz, schließlich ans Mikrofon tritt, verkündigt sie strahlend vor versammelter Studenten-, Forscher- und Mitarbeiterschaft: „Wir feiern!“ Jubel brandet auf, Menschen liegen sich in den Armen, sie stoßen an. Gerade wurde bekannt gegeben, dass die Universität exzellent bleibt – und damit von einem milliardenschweren Fördertopf von Bund und Ländern profitiert.

Es sind Szenen der großen Feier vom 19. Juli, dem Tag der Exzellenzvergabe, festgehalten in einem PR-Video der Universität und untermalt mit euphorischer Musik. Auch Giovanni D’Imperio, der stellvertretende Vorsitzende des Personalrats der Universität, kommt darin zu Wort. „Für Beschäftigte, die befristet eingestellt worden sind aus Exzellenzmitteln, ist das natürlich eine Perspektive“, spricht er in die Kamera.

Wie sicher ist die Zukunft der Mitarbeiter?

Er meint damit die wissenschaftsunterstützenden Mitarbeiter der Universität, deren Verträge zum 31. Oktober mit Ende der vorangegangenen Förderung auslaufen. Das wirft Fragen zur Exzellenzförderung auf: Wie sicher ist deren Zukunft wirklich? Und wie fair ist der Umgang der Hochschulleitung, die auch an diesem Nachmittag keinen Moment versäumt, den an der Universität Konstanz herrschenden gemeinschaftlichen Geist zu betonen, mit ihrem befristeten Personal?

Es ist der Nachmittag des 26. Juli. In einer Informationsveranstaltung geht es heute um die berufliche Zukunft des wissenschaftsunterstützenden Personals. Sechs Tage nach der großen Feier im Innenhof der Universität und damit nur einen Tag vor den großen Ferien sind die Sitzplätze im Senatssaal, der gut gefüllt rund 100 Menschen fasst, nur zur Hälfte belegt. Das sagt eine Mitarbeiterin der Universität, die sich sicher ist, dass nur die Anonymität sie vor beruflichen Nachteilen schützt. Wir nennen sie deshalb Laura Müller.

Mit dem neuen Förderprogramm sollen die Stellen neu ausgeschrieben werden

Laura Müller und ihre Kollegen erfahren an diesem Tag, dass mit dem neuen Förderprogramm bereits bestehende Stellen neu zugeschnitten und deshalb intern neu ausgeschrieben werden sollen; dass Beschäftigte, von denen einige teils fünf Jahre oder länger an der Universität arbeiten, sich im Zeitraum vom 10. bis zum 17. September erneut bewerben müssen; dass sich die Abteilungsleiter anschließend drei Tage Zeit nehmen sollen für die Sichtung der Bewerbungsunterlagen, drei weitere Tage für das Führen der Bewerbungsgespräche. Ausgang ungewiss.

Erst einen Monat vor dem Vertragsende also soll an der Universität über die berufliche Zukunft der wissenschaftsuntertützenden Mitarbeiter entschieden werden. In einer anschließenden Rundmail, die dem SÜDKURIER vorliegt, beruhigt Rektorin Kerstin Krieglstein: „Ziel ist, so viele interne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie möglich an der Universität halten zu können.“

Die Höhe der Fördersumme liegt weiterhin nicht vor

Wie viele Stellen durch die Exzellenzförderungen aber tatsächlich gehalten werden können, weiß die Hochschulleitung auch heute, einen Monat nach der Informationsveranstaltung und zwei Monate vor dem Ende der Verträge, nicht. Das teilt Julia Wandt, Pressesprecherin der Universität, auf SÜDKURIER-Nachfrage mit.

Der Grund: Der Bewilligungsbescheid der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit der endgültigen Fördersumme liege noch nicht vor. Wie viele geförderte Stellen somit ab dem 10. September im Intranet der Universität ausgeschrieben werden und wie viele möglicherweise wegfallen, bleibe offen.

Die Hochschulleitung erwartet weniger Geld als gewünscht: Bis zu 20 Prozent

Eines scheint jedoch bereits jetzt sicher: Es wird weniger Geld geben als gewünscht. Denn die Hochschulleitung erwartet, dass die Universität nicht die voll beantragten 15 Millionen Euro, „sondern einen deutlich geringeren Betrag erhalten“ wird, wie aus der internen Rundmail von Rektorin Krieglstein hervorgeht. Was dieses „deutlich geringer“ tatsächlich bedeutet, bleibt weiterhin offen: Von bis zu 20 Prozent ist bislang offiziell die Rede. Mitarbeiter hingegen befürchten, dass es noch weniger Geld geben könnte.

Eine klärende Antwort auf diese Frage aber wird es erst dann geben, wenn der Förderbescheid der DFG den Briefkasten in der Universitätsstraße 10 erreicht. Wann das sein wird? Eine Nachfrage beim Bundesministerium für Bildung und Forschung liefert lediglich eine vage Antwort: Demnach werde der Bescheid mit der konkreten Fördersumme „voraussichtlich im September verschickt“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Für die Universitätsleitung ist dieser Bescheid jedoch auch Grundlage für die weitere Personalplanung, heißt es. Entsprechend sei es sei es zu begrüßen, wenn das Exzellenzverfahren verkürzt würde.

War eine frühere Entscheidung nicht möglich?

Im Bundesministerium aber ist man sich sicher: „Eine frühere Entscheidung in dem hoch komplexen und aufwendigen wissenschaftsgeleiteten Verfahren war nicht möglich.“ Dass sich Bund und Länder lange Zeit nicht auf ein Nachfolgeprogramm zur Exzellenzinitiative einigen konnten, bleibt unerwähnt. Die hätte eigentlich bereits im Herbst 2017 auslaufen sollen und musste deshalb für zwei Jahre finanziell überbrückt werden.

Bei dem befristeten Personal hat diese Hängepartie mittlerweile Spuren hinterlassen. So sei die Unsicherheit unter den Beschäftigten auf den Gängen der Universität allgegenwärtig, berichtet Laura Müller. „Viele von uns wissen einfach nicht, wie es für sie weiter geht“, sagt sie. Wie alle anderen Betroffenen auch, hat sie sich bereits Ende Juli arbeitssuchend melden müssen.

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse an vielen deutschen Hochschulen

Zukunftsangst unter Mitarbeitern von Universitäten ist dabei kein ausschließlich Konstanzer Phänomen. Der Vorgang steht beispielhaft dafür, wie misslich die Lage an vielen deutschen Hochschulen ist: prekäre Beschäftigungsverhältnisse, finanziert durch öffentliche Gelder. Besonders Kettenverträge, die teils weniger als ein Jahr währen und nur kurzfristig verlängert werden, machen eine langfristige Lebensplanung unmöglich. Das gilt besonders für das forschende Universitätspersonal.

Einige deutsche Hochschulen haben sich in der Vergangenheit deshalb einen „Verhaltenskodex für faire Arbeit“ gegeben. Eine Selbstverpflichtung, wie man sie sonst nur von Firmen kennt, die ihre Produkte in der dritten Welt anfertigen lassen. Durch sie sollen prekäre befristete Beschäftigungsverhältnisse abgebaut werden.

1275 von 2313 Angestellten sind auf dem Konstanzer Gießberg befristet beschäftigt. 275 von ihnen zählen zum nichtwissenschaftlichen Personal. Die Universität Konstanz sieht die mangelhafte Hochschulfinanzierung als eine Ursache dieses Problems: So brauche es mehr Geld, um bestehende Stellen zu entfristen. Zudem könne die finanzielle Förderung aus der Exzellenzstrategie niemals eine auskömmliche Grundfinanzierung ersetzen.

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Kritik an der Kommunikation der Hochschulleitung

Laura Müller freut sich über die Mittel aus der Exzellenzstrategie. Doch sie kritisiert die Kommunikation der Universitätsleitung während des Vergabeprozesses. „Es gibt Dinge wie etwa das Ausschreiben der Stellen im Bewerbungsverfahren, die bereits früher hätten kommuniziert werden können, nicht erst eine Woche nach der Entscheidung“, sagt sie. Das habe die teils schon vorhandene Unsicherheit vieler befristet Beschäftigter verstärkt – und zudem das Gefühl vermittelt, das vielbeschworene Mantra zur Exzellenzstrategie, „Universität Konstanz – creative.together“ (übersetzt: gemeinsam kreativ) sei doch mehr Schein als Sein geblieben.

Die Hochschulleitung reagiert angesichts dieser Vorwürfe überrascht. „Es gab über die gesamte Laufzeit der Exzellenzinitiative und vor allem in den vergangenen Monaten regelmäßig Informationen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Stellen würden der Transparenz und Chancengleichheit wegen ausgeschrieben, rechtfertigt sie das weitere Vorgehen. „Im Grundsatz“, so die Stellungnahme weiter, sei die Hochschulleitung der Meinung, dass das vorhandene Personal die auch neu anfallenden Aufgaben übernehmen könne.

Der SÜDKURIER hat auch den Personalrat der Universität zur Situation der wissenschaftsunterstützenden Beschäftigten befragt. Er möchte sich erst am kommenden Donnerstag konkret dazu äußern.