Was ist wichtiger? So schnell wie möglich Anschlussunterbringungen für Flüchtlinge zu bauen oder die Grundstücke an die Wohnbaugesellschaft Wobak zu verkaufen, damit sie Wohnraum schaffen kann? Und was, wenn die Wobak nicht noch mehr Wohnraum bauen kann, weil sie mit zu vielen Projekten belastet ist?

Zunächst geht es nur um drei Grundstücksverkäufe

Mit diesem Konflikt und diesen Fragen hat sich der neu konstituierte Gemeinderat in seiner ersten Sitzung befasst. Nach langer Debatte beschloss das Gremium mehrheitlich den Verkauf zweier Grundstücke an die Hoffnungsträger Stiftung sowie eines Grundstücks am Sonnenbühl an die Wobak zur Errichtung von Anschlussunterkünften für Flüchtlinge.

Wer zu wenig Flüchtlinge aufnimmt, zahlt

Bis 2021 muss die Stadt 775 Flüchtlinge unterbringen, viele davon leben noch in Gemeinschaftsunterkünften. Nach 24 Monaten geht die Verantwortung für die Unterbringung an die Stadt. Für jeden Flüchtling, den die Stadt nicht unterbringen kann, zahlt sie eine Fehlbelegungsabgabe an den Landkreis. In Summe auf etwa 700 Flüchtlinge gerechnet kommt ein sechsstelliger Betrag zustande, so Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn. Gleichzeitig zählt die Wobak 300 Härtefälle auf ihrer Warteliste für eine Wohnung. Wohnraum ist knapp in der Stadt am See.

Vier Wohnhäuser am Alten Bannweg

Konkret geht es um zwei Bauprojekte: Die Verwaltung plant, ein Grundstück am Alten Bannweg (nähe Hauptfriedhof) an die Hoffnungsträger Stiftung aus Leonberg zu verkaufen. Dort will die Stiftung vier Wohnhäuser bauen, in denen zu 50 Prozent Flüchtlinge, zu 50 Prozent Einheimische untergebracht werden. Das Konzept sieht eine Durchmischung vor.

So sollen die vier geplanten Wohnhäuser der Hoffnungsträger Stiftung im Alten Bannweg aussehen.
So sollen die vier geplanten Wohnhäuser der Hoffnungsträger Stiftung im Alten Bannweg aussehen. | Bild: andOFFICE Architekten

Auch das Grundstück an der Längerbohlstraße geht an die Stiftung

Das zweite Grundstück liegt an der Längerbohlstraße. Das Grundstück war als Tauschgelände für einen neuen Standort der Waldorfschule vorgesehen, das Projekt kam aber nicht zustande. Der Wunsch der Verwaltung: Hier sollen ebenfalls Anschlussunterbringungen für Flüchtlinge entstehen. Auch dieses Gelände wird die Verwaltung an die Hoffnungsträger Stiftung verkaufen, um Flüchtlinge unterzubringen.

Die Hoffnungsträger Stiftung verspricht Schnelligkeit

Pikant: Die Hoffnungsträger Stiftung aus Leonberg verspricht eine Umsetzung der Bauprojekte bis 2021, die Bauweise der Häuser ist ökologisch innovativ (KfW-55-Standard) und das Wohnkonzept integrativ. Ein solches Tempo wäre der Wobak nicht möglich, räumte Geschäftsführer Jens-Uwe Götsch in der Ratssitzung ein.

Stadträte befürchten Konkurrenz zur Wobak

Die Stadträte zeigten zunächst wenig Begeisterung für die Pläne der Verwaltung. Zwar befanden die meisten das Konzept der Hoffnungsträger Stiftung für gut. Sie äußerten aber Bedenken, ob auf diese Weise eine Konkurrenzsituation zur Wobak geschaffen werde. „Herr Götsch wurde zuletzt nicht so eingebunden in die Entscheidung wie wir es erwartet hätten“, sagte Anne Mühlhäußer (FGL), „wir wollten städtische Grundstücke nicht aus der Hand geben, sondern an die Wobak verkaufen“.

Ist die Wobak nicht ohnehin ausgelastet?

Dahinter steckt die Sorge, die Stadt könne ihr „Tafelsilber“ an eine fremde Stiftung verkaufen und damit ihre Chancen, günstigen Wohnraum zu schaffen, schmälern. Langensteiner-Schönborn sieht es anders: Die Wobak sei mit ihren derzeitigen Projekten ausgelastet und könne nicht noch mehr stemmen. Den Wohnraum für Flüchtlinge aber brauche man rasch, jede Fehlbelegung koste unnötig Geld.

Wobak-Chef nimmt die Entscheidung gelassen

Wie sieht der Wobak-Geschäftsführer die Entscheidung? „Es schadet der Wobak nicht, wenn wir die Grundstücke nicht bekommen“, versicherte Jens-Uwe Götsch. Dennoch hätte die Wobak beide Grundstücke gut nutzen können. Er räumte aber ein, dass die Wohnbaugesellschaft im Moment mit den begonnenen Projekten ausgelastet sei.

Was die Hoffnungsträger Stiftung plant und wie die Wobak vorgeht

  • Zu den Bauprojekten: Am Alten Bannweg war eine große Bebauung geplant, die die Wobak hätte realisieren sollen. Die Planung wurde jedoch vom Regierungspräsidium abgelehnt. 2018 erstellte die Verwaltung eine Alternativplanung. Für die Wobak sei das Projekt zu klein gewesen, sagt Langensteiner-Schönborn. Jens-Uwe Götsch sagt, man hätte an dieser Stelle kleine Reihenhäuser als Bauträger realisieren können, auch, um andere Projekte zu finanzieren. Das Projekt am Längerbohlweg hätte die Wobak gern realisiert. Es seien bereits Planungskosten angefallen. Jens-Uwe Götsch bestätigt, dass die Wobak anderen Projekten den Vorrang gab, weil sie dringlicher waren. Er könne trotzdem gut damit leben, dass die Hoffnungsträger nun das Areal am Längerbohlweg erwirbt. Für die bereits getätigten Planungskosten hätte er gerne einen Ausgleich. Langensteiner-Schönborn sagte zu, dass man dahingehend zu einer Einigung kommen werde.
  • Konzept der Hoffnungsträger Stiftung: Die Stiftung aus Leonberg hat einen eigenen Ansatz hinsichtlich der Unterbringung von Flüchtlingen. Gründer der Stiftung ist Tobias Merckle, Sohn des Pharma-Unternehmers Adolf Merckle. Das Konzept der Hoffnungshäuser sieht vor, dass dort zur Hälfte Flüchtlinge, zur anderen Einheimische wohnen. So soll der Kontakt gefördert werden. Die Flüchtlinge bekommen eigene Mietverträge. Es gibt Sozialarbeiter, die die Flüchtlinge unterstützen, den richtigen Deutschkurs zu finden, eine Ausbildung zu beginnen oder Arbeit zu finden.
  • Konzept der Wobak: Die Wobak setzt auf eine Durchmischung der Mieter. „Ich bevorzuge den Bau von normalem Wohnraum, das dient der Integration“, sagt Götsch. Die Wobak hat Grundstücke von der Stadt erworben, auf denen Neubauten entstehen. Im Gegenzug bringt sie nach und nach Flüchtlinge in ihren Altbeständen unter. Dieser Austausch funktioniert aber nicht schnell. Etwa 20 bis 30 Wohnungen könne er dieses Jahr für Flüchtlinge bereitstellen.