Dass sie einmal Schulleiterin sein würde, war zu Beginn ihrer Laufbahn in einer eher ländlichen Region noch nicht abzusehen. „Wenn man vom Höchsten kam, hatte man nicht viele Möglichkeiten, eine weiterführende Schule zu besuchen“, erzählt Karin Hiestand, die zum Schuljahresende als Rektorin der Gemeinschaftsschule verabschiedet wird. Mit einem sehr guten Hauptschulabschluss sei sie auf die zweijährige Berufsfachschule gewechselt, um im Anschluss in Weingarten Lehramt zu studieren. „Ich habe den klassischen Weg gemacht, den die Hauptschüler hier oft machten“, betont die 63-Jährige. Das sei auch ihr Antrieb gewesen: Wer den Willen habe, sollte die bestmögliche Chance erhalten, seinen Weg zu finden und weiterzukommen.

Von der Hauptschülerin zur Rektorin

Für Hiestand ging es nach dem Referendariat zunächst nach Sindelfingen. Als „Seekind“ zog es sie bald zurück in die Heimat, doch dies gestaltete sich als nicht so einfach. „Ich war in dem Bezirk festgetackert, daher habe ich mich am Seminar Meckenbeuren für die Lehrerausbildung beworben“, blickt sie zurück. Im Zuge dessen wurde sie nach Sipplingen versetzt, wo sie parallel unterrichtete. „Das war so eine kleine, schnuckelige Schule, dass es fast ein bisschen langweilig war“, verrät sie schmunzelnd. 1996 sei ihr Wunsch nach einer größeren Schule durch den Wechsel ans Bildungszentrum Salem erfüllt worden. Nach zehn Jahren als Ausbildungslehrerin habe sie 2004 die Konrektorenstelle an der Hauptschule erhalten.

Somit war Hiestand sowohl als Kollegin als auch als stellvertretende Schulleiterin mittendrin, als 2014 der Gemeinderat die Abschaffung der Realschule zugunsten des Aufbaus einer Gemeinschaftsschule beschloss. „Das war eine euphorische Zeit“, erinnert sie sich an den Aufbau der neuen Schulart, der sehr anstrengend, aber auch sehr sinnstiftend gewesen sei. Wie es ihrem Ideal entsprach, habe man somit eine Schule für alle geschaffen, die auch Spätzündern eine echte Bildungschance gebe. „Das war eine mutige Reform und kein Pflästerle, um die Hauptschule zu retten“, ist die 63-Jährige auch im Rückblick überzeugt.

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„Das war ein schwieriger Prozess“

Die andere Seite der Medaille sei jedoch das Auslaufen der Realschule gewesen. Zwar sei zunächst eine gemeinsame Konzeption der Real-, Haupt- und Werkrealschule für die neue Gemeinschaftsschule geplant gewesen, doch die Wunschvorstellungen seien zunehmend auseinandergegangen. „Das war ein wahnsinnig schwieriger Prozess und je länger er gedauert hat, desto mehr ging es auseinander“, berichtet Hiestand. Für die Realschulkollegen bedeutete das entweder, mit dem Hauptschulteam an die Gemeinschaftsschule zu wechseln oder die Schule zu verlassen. „Das waren menschlich echt Dramen und hat mich als harmoniebedürftige Person belastet“, gibt die nun scheidende Schulleiterin zu.

Rektorin Karin Hiestand vor dem Bildungszentrum. 29 Jahre war das ihre Wirkungsstätte. Die Einführung der Gemeinschaftsschule erlebte ...
Rektorin Karin Hiestand vor dem Bildungszentrum. 29 Jahre war das ihre Wirkungsstätte. Die Einführung der Gemeinschaftsschule erlebte sie als echte Reform. | Bild: Altmann, Miriam

Neben diesem großen Umbruch hat Hiestand viele kleinere Veränderungen beobachtet. Statt Blaumatrizen abzuziehen, habe man technisch nun ganz andere Möglichkeiten, was jedoch ebenso Risiken berge. „Ich sehe das auch im Kontext der Neuen Medien. Die Konzentration und das Durchbeißen-Müssen haben nachgelassen.“ Auch wenn jede Zeit ihre Herausforderungen habe, seien die Probleme der Schüler komplexer geworden und Eltern trotz Wohlwollens schneller in einer Verteidigungsposition. „Es ist schwieriger geworden, gewisse Regeln aufzustellen“, wünscht die 63-Jährige sich beispielsweise zum Thema Handys einen konkreten rechtlichen Rahmen.

Schwere Krankheit als Einschnitt

Aufgrund ihres Alters wäre Hiestand, die nach einem Jahr kommissarischer Leitung 2022 Schulleiterin wurde, noch eine Weile an der Schule geblieben. Ihre Brustkrebsdiagnose im November 2023 durchkreuzte jedoch alle Pläne. „Wenn man so plötzlich aus den Vollen rauskatapultiert wird, ist das ein Prozess, das zu akzeptieren“, gesteht die Rektorin. Geholfen habe ihr dabei ihre Frau, die alles mit begleitet habe, aber auch der Kontakt zur Schule, der nie abgerissen sei. „Rebecca Wohlwender ist sofort eingesprungen und hat mich ersetzt“, sagt sie über ihre Kollegin, die ursprünglich aus familiären Gründen nicht in die Schulleitung wollte. Jeden Freitag habe Wohlwender sie per Sprachnachrichten auf dem Laufenden gehalten.

Nachfolge für Hiestand ist geregelt

Nach der Reha im vergangenen Sommer ist Hiestand mit wenigen Stunden ins neue Schuljahr gestartet und mittlerweile nahezu wieder in Vollzeit im Einsatz. „Ich habe mir Gedanken gemacht, ob ich dieses letzte Schuljahr noch mache“, offenbart sie. Noch sei die Behandlung nicht ganz abgeschlossen, doch die Schulleiterin ist optimistisch, die Krankheit überstanden zu haben. Mit ihren Kräften muss sie noch haushalten, daher teilt sie sich die Schulleitungsaufgaben mit ihrem Team. Da Wohlwender mit größter Wahrscheinlichkeit ihre Nachfolgerin wird, kann Hiestand beruhigt abgeben. „Sie hat einiges auf den Weg gebracht und zukunftsorientiert vorangetrieben“, sagt sie über die junge Kollegin.

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Diese ist jedoch nicht allein. Inzwischen ist die lange vakante Konrektorenstelle mit Carolin Haltebourg besetzt, die damals als Konrektorin der Realschule Salem verlassen musste. Rektorin war zu jener Zeit Tania Hastings, die nun als Schulrätin für ihre alte Wirkungsstätte zuständig ist. „Der Kreis schließt sich“, meint Hiestand zufrieden. „Die Menschen, die damals gehen mussten, kommen an die Schule zurück“, freut sie sich über ein gutes Ende und ist sicher: „Meine Verbundenheit zur Schule wird lange bleiben.“