Nur gut sechs Prozent. So hoch war der Anteil grüner Energie, laut Agentur für erneuerbare Energien, 2022 in der deutschen Industrie. Beim Friedrichshafener Motorenhersteller Rolls-Royce Power Systems (RRPS) ist es mehr als zehnmal so viel. Im Sommer ist man sogar komplett unabhängig von zugekaufter Energie.

Möglich machen das, neben PV-Anlagen, auch die eigenen Produkte. Batteriespeicher, Blockheizkraftwerk und die Software, um alles zu steuern, produziert RRPS und verwendet sie am Hauptsitz in Friedrichshafen.

Die Industrie ist in Deutschland für rund ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Damit ist sie der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen, hinter der Energiewirtschaft. Während diese ihre Emissionen, nach Zahlen des Umweltbundesamts, allerdings zwischen 2010 und 2023 um rund 45 Prozent reduziert hat, waren es bei der Industrie im selben Zeitraum nur gut 16 Prozent.

Das könnte Sie auch interessieren

Industrie ist abhängig von Kohlenstoff

Energiewirtschaft und Industrie seien aber nur schwer zu vergleichen, sagt Roh Pin Lee. Sie ist Professorin für Dekarbonisierung und Transformation der Industrie an der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. „Im Energiesektor können wir in Zukunft idealerweise komplett auf Kohlenstoff verzichten – und zwar in Regionen, in denen erneuerbare Energiequellen in großem Umfang zur Verfügung stehen.“

„Die Industrie ist nicht nur kohlenstoffintensiv, sondern in Teilen auch kohlenstoffabhängig“, sagt Roh Pin Lee, Professorin für ...
„Die Industrie ist nicht nur kohlenstoffintensiv, sondern in Teilen auch kohlenstoffabhängig“, sagt Roh Pin Lee, Professorin für Dekarbonisierung und Transformation der Industrie | Bild: G. Tobis

„In der Industrie ist das schwieriger“, sagt Lee. „Sie ist nicht nur kohlenstoffintensiv, sondern in Teilen auch kohlenstoffabhängig.“ Grüner Strom und Wasserstoff seien zwar Schlüsseltechnologien bei der Energiewende in der Industrie, aber es brauche den Kohlenstoff als Partner, so die Wissenschaftlerin. Das zeigt auch ein Blick nach Friedrichshafen zu RRPS.

Das könnte Sie auch interessieren

Energieautark durch eigene Produkte

Um die eigene Produktion so klimafreundlich wie möglich zu gestalten, hat man bei RRPS eine PV-Anlage mit einer Spitzenleistung von 1700 Kilowatt installiert. „Damit könnten circa 500 Haushalte versorgt werden“, sagt Bernd Baader. Er ist der Senior Vice President Engines and Footprint von RRPS. Diese Energie wird in das betriebseigene lokale Stromnetz, ein sogenanntes Microgrid, eingespeist.

Batteriespeicher, Blockheizkraftwerk und Notstromaggregat ergänzen die Sonnenenergie. „Das sind genau die Produkte, die wir auch verkaufen“, sagt Baader. Und die elektronische Steuerung, um Energieerzeugung und -verbrauch zu synchronisieren, stammt auch von RRPS.

Batteriespeicher von RRPS speichern Strom aus beliebigen Quellen und stellen ihn zur Verfügung, wenn er gebraucht wird.
Batteriespeicher von RRPS speichern Strom aus beliebigen Quellen und stellen ihn zur Verfügung, wenn er gebraucht wird. | Bild: Rolls-Royce Power Systems

„So verbindet man Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit“, findet Petar Pelemis, Senior Vice President Strategy, M&A and Product Management, bei RRPS. „Gerade wegen der Unsicherheiten am Energiemarkt sehen wir auch bei unseren Kunden eine immer größere Nachfrage nach solchen Lösungen zur Energieautarkie.“ Und mit der Prozesswärme aus dem RRPS-Werk werden in Friedrichshafen 800 Haushalte geheizt.

„Wir verbrauchen viel Kraftstoff auf den Prüfständen, wenn wir unsere Motorprüfläufe machen“, sagt Bernd Baader von RRPS.
„Wir verbrauchen viel Kraftstoff auf den Prüfständen, wenn wir unsere Motorprüfläufe machen“, sagt Bernd Baader von RRPS. | Bild: Rolls-Royce Power Systems

Nicht alle Emissionen lassen sich vermeiden

Aber auch Motoren für Luxusyachten, Muldenkipper und Passagierschiffe gehören zum Portfolio des Industrieunternehmens. Dinge, die nicht unbedingt als klimafreundlich gelten. „Wir verbrauchen viel Kraftstoff auf den Prüfständen, wenn wir unsere Motorprüfläufe machen“, sagt Bernd Baader.

Für RRPS ist das Fundament beim Klimaschutz, Energie zu sparen. „Deswegen haben wir angefangen, bereits in der Entwicklung möglichst viel virtuell und anschließend auf einem kleinen Einzylindermotor zu testen.“ So konnten Vollmotorenläufe deutlich reduziert und die verbleibenden Emissionen um 20 Prozent gesenkt werden.

Der Einzylinder-Prüfstand liefert exakte Daten über die Leistung eines einzelnen Zylinders, die sich auf einen kompletten Motor ...
Der Einzylinder-Prüfstand liefert exakte Daten über die Leistung eines einzelnen Zylinders, die sich auf einen kompletten Motor hochrechnen lassen. Es wird aber nur ein Bruchteil des Kraftstoffs verbraucht. | Bild: Rolls-Royce Power Systems

Die meisten Emissionen fallen in anderen Industrien an

RRPS zählt aber bei Weitem nicht zu den größten Verursachern von Treibhausgasen in der deutschen Industrie. Die größten Emittenten sind energieintensive Industrien wie die Stahlerzeugung, die Kalk- und Zementherstellung und die Chemieindustrie.

Bei der Zementherstellung fallen sogenannte „unvermeidbare Emissionen“ an, die etwa durch die chemische Reaktion bei der Entsäuerung von Kalkstein entstehen. Diese Emissionen sind nach heutigem Kenntnisstand technisch nicht vollständig zu verhindern, solange Zement als Bindemittel verwendet wird.

Nicht vermeidbares Kohlenstoffdioxid (CO2) kann aber aufgefangen und unter der Erde gespeichert werden. Oder es wird recycelt und wieder dem Kohlenstoffkreislauf zugeführt. Diese Technologien sind allerdings sehr teuer. „Für uns ist das keine Option“, sagt Pelemis. „Aber wir haben einen Kunden im Vereinten Königreich, der das ausgestoßene CO2 an unseren Anlagen auffängt und anschließend für Sprudelgetränke verwendet.“

„Gerade wegen der Unsicherheiten am Energiemarkt sehen wir auch bei unseren Kunden eine immer größere Nachfrage nach solchen Lösungen ...
„Gerade wegen der Unsicherheiten am Energiemarkt sehen wir auch bei unseren Kunden eine immer größere Nachfrage nach solchen Lösungen zur Energieautarkie“, sagt Petar Pelemis von RRPS. | Bild: Rolls-Royce Power Systems

Auch die Produkte sollen klimafreundlicher werden

Das meiste CO2 stoßen die Motoren von RRPS aber erst aus, nachdem sie vom Band gelaufen sind. „Verbrennungsmotoren in diesem Leistungsbereich lassen sich aber nicht so einfach ersetzen“, sagt Petar Pelemis. „Nehmen wir zum Beispiel ein Notstromaggregat. Wenn das mehr als sechs Stunden durchlaufen muss, ist ein Batteriespeicher dazu gar nicht in der Lage.“

Deswegen sind 80 Prozent der RRPS-Produkte für nachhaltige Kraftstoffe wie hydriertes Pflanzenöl (HVO) freigegeben. Studien zeigen, dass HVO bis zu 90 Prozent weniger CO2-Emissionen freisetzen kann als fossiler Diesel. Als zentrales Element der Energiewende sieht Pelemis Gasmotoren. Diese können mit beigemischtem Biogas oder Wasserstoff betrieben werden.

Notstromaggregate, vor allem für die Ausrüstung großer Rechenzentren.
Notstromaggregate, vor allem für die Ausrüstung großer Rechenzentren. | Bild: Rolls-Royce Power Systems

Die Bürokratie bremst den Klimaschutz

„Wir gehen davon aus, dass Wasserstoff in Zukunft verfügbar sein wird“, sagt Bernd Baader. „Die Frage ist nur wann, wo und in welchen Mengen.“ Etwa für Notstromaggregate, die nur selten laufen, seien solche Lösungen sinnvoll. Die Verfügbarkeit von Wasserstoff und anderen Technologien ist aber nur ein Hindernis bei der Dekarbonisierung der Industrie.

Zwar rechne sich eine PV-Anlage wie die von RRPS nach rund zehn Jahren, so Baader, wer aber nicht die finanziellen Mittel für eine solche Investition habe, schaue in die Röhre. „Deswegen muss der Staat für entsprechende Förderungen sorgen“, meint Baader. „Diese Förderungen aber auch zu bekommen, ist – vorsichtig gesagt – kompliziert.“

Das könnte Sie auch interessieren

Dem stimmt auch Roh Pin Lee zu. „Wenn ich einen Wunsch frei hätte, um die Transformation der Industrie voranzutreiben, wäre das weniger Bürokratie. Und dass die Menschen erkennen, dass Klimaschutz nicht zwangsläufig Verzicht bedeutet.“