Mehr als ein Viertel der Treibhausgase, die im Stadtgebiet Konstanz ausgestoßen werden, sollte es gar nicht geben. Zumindest, wenn es nach der Konstanzer Klimaschutzstrategie ginge. Dabei gibt die ja eigentlich schon vor, wie man das Ziel einer weitgehenden Treibhausgas-Neutralität bis 2035 erreicht. Warum also hat Konstanz seine klimaschädlichen Emissionen nach sechs Jahren Klimanotstand nur um 58.000 Tonnen senken können, statt – wie angepeilt – um 162.000 Tonnen?
Theoretisch weiß Lorenz Heublein, der stellvertretende Leiter des Amts für Klimaschutz, wie er die Treibhausgasbilanz von Konstanz um ungefähr ein Fünftel reduzieren könnte: durch Wärmenetze. „Das ist aber nichts, was wir von heute auf morgen umsetzen können. Das für die Kommune neue Feld der Wärmenetze erfordert hohe Expertise. Daher haben wir zunächst fachliche und konzeptionelle Grundlagen schaffen müssen“, sagt er.
Grundlagen, die es den Stadtwerken erst ermöglicht haben, die kommunale Wärmeplanung aufzustellen. Dabei haben die Stadtwerke fünf Gebiete identifiziert, die sich zentral mit erneuerbarer Wärme über Nahwärmenetze versorgen lassen. Die Altstadt gemeinsam mit dem Paradies, Petershausen-West, das Berchengebiet, das neue Stadtquartier Hafner und die Gegend um die Bodensee-Therme.
Erste Anschlüsse ans Wärmenetz frühestens 2028
Trotz weitestgehend abgeschlossener Machbarkeitsstudien ist der Traum von grüner Wärme aber noch mindestens drei Jahre entfernt. „Wir gehen von einem Baubeginn 2027 und einer Bauzeit von rund anderthalb Jahren aus“, sagt einer der Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz, Gordon Appel.
„Es wird also bis 2028 oder 2029 dauern, bis alle Haushalte und die Ankerkunden angeschlossen werden können“, glaubt Appel. Und das betrifft nur das Wärmenetz um die Bodensee-Therme. Damit, dass alle geplanten Konstanzer Wärmenetze inkl. dem in der Altstadt voll funktionsfähig sind, rechnet er nicht vor 2040.

Potenzial für PV-Ausbau liegt bei Hausbesitzern
Als die Klimaschutzstrategie verabschiedet wurde, ging man noch davon aus, dass besonders einfach zu nutzende Potenziale ohne großes Zutun der Stadt laufen. Etwa der Photovoltaik-Ausbau (PV-Ausbau). „Die Klimaschutzstrategie hat ja schon vorgegeben, was hätte passieren müssen. Im PV-Bereich 10 Megawatt-Peak (MWp) Zubau pro Jahr, also 150 MWp in 15 Jahren“, sagt Manuel Oestringer von Fridays for Future.
„Das entspricht der Bebauung von den meisten Dachflächen in Konstanz, sowie Freiflächenanlagen von der Größe des Paradies-Stadtteils.“

Klingt einfach, ist aber schwieriger, als die Stadt gedacht hat. Aktuell erreicht Konstanz nur etwas mehr als die Hälfte des erforderlichen Zubaus. Beim PV-Ausbau gibt es nämlich mehrere Probleme. So verfügt die Stadtverwaltung auf ihren eigenen Gebäuden schlichtweg nicht über genügend Dachflächen, um einen signifikanten Teil des Strombedarfs zu decken.
„Die Frage ist erst mal, wer da überhaupt was machen kann“, sagt Appel von den Stadtwerken. In der denkmalgeschützten Altstadt gelten strenge gestalterische Vorgaben für PV-Anlagen. Aufgrund der vielen verschachtelten, schattigen Dächer seien andere Gebiete aber sowieso geeigneter, erklärt Appel.
„Wenn man sich das Potenzial in Konstanz anschaut, dann liegt das vor allen Dingen bei Ein- und Zweifamilienhaus-Besitzern. Wir haben viele Vororte, und deswegen sind etwa 55 Prozent der Häuser in Konstanz Ein- und Zweifamilienhäuser“, so Appel.
Gegenwind bei Freiflächen-PV
Dass sich PV-Anlagen nicht nur im Hinblick auf den Klimaschutz lohnt, sondern auch finanziell, ist nach Ansicht von Appel noch nicht genügend Menschen klar. Für ihn ist die Kommunikation entscheidend. „Also, dass Menschen die Dachflächen besitzen, auf denen es noch keine PV-Anlage gibt, verstehen, dass es günstiger wäre, eine PV-Anlage auf ihr Dach zu bauen, als den Strom aus dem Netz zu beziehen.“
Da es in Konstanz aber gar nicht genügend Dächer für den nötigen PV-Ausbau gibt, braucht es auch Freiflächen-Anlagen. 2023 haben die Stadtwerke geprüft, welche Flächen für einen Ausbau von Freiflächen-PV- oder Agri-PV-Anlagen geeignet sind. Keine der 25 untersuchten Flächen wurde als durchweg konfliktfrei oder auch nur konfliktarm eingestuft.
„Gegenwind ist vor allem von Seiten der Landwirte gekommen“, sagt Appel. „Aber die müssen mit ihren Flächen auch Geld verdienen.“ Hier müsse man einen Dialog führen. Daraus folgt freilich, dass es von den Stadtwerken aktuell keine konkrete Planung für ein Freiflächen PV-Projekt gibt. Abgesehen von den Anlagen im neuen Stadtteil Hafner.
Ideen gibt es dagegen sehr wohl: So wären beispielsweise viele der identifizierten Flächen nördlich des Zentrums für Psychiatrie Reichenau und südlich der L220 aus Sicht der Stadtwerke gut geeignet.
Gemeinderat will Parkgebühren nicht erhöhen
Diskussionen gibt es auch über den Klimamobilitätsplan der Stadt Konstanz. Um den CO2-Ausstoß im Verkehr weit genug zu senken, sollen zum Beispiel die Parkgebühren schrittweise erhöht werden. Und zwar auf 6 Euro pro Stunde für Besucher und 600 Euro pro Jahr für Anwohner. Das stößt einigen Konstanzerinnen und Konstanzern sauer auf.
Da Angebote, sogenannte Pull-Maßnahmen, laut dem Konstanzer Klimamobilitätsplan allein aber nicht reichen, um die Emissionen im Verkehrssektor genügend zu senken, müssen auch Push-Maßnahmen wie eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung umgesetzt werden. Sie sollen Anwohner durch eine Verschlechterung der Situation für Privatautos zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr bewegen. Die Frage ist, ob der ambitionierte Plan denn überhaupt kommt.

Beschlossen ist das Ganze nämlich bislang nicht: Bereits die erste schrittweise Erhöhung der Parkgebühren ist im April nicht durch den Gemeinderat gekommen. Außerdem soll die Zahl der Parkplätze halbiert werden – eigentlich. Es gibt jedoch einen bestehenden Gemeinderatsbeschluss, nachdem Parkplätze, die linksrheinisch wegfallen, rechtsrheinisch wieder hinzugefügt werden müssen. „Das widerspricht der Klimaschutzstrategie komplett“, sagt der Klimaaktivist Manuel Oestringer. „Und es wäre eine einfache politische Entscheidung, das zu ändern.“
Darum geht der Klimaschutz nur langsam voran
Die Frage, warum Konstanz in sechs Jahren Klimanotstand gerade einmal ein Drittel der Treibhausgase eingespart hat, die es eigentlich reduzieren wollte, lässt sich mittlerweile recht gut beantworten.
700 Millionen Euro Investitionen – nur für Wärme- und Stromnetze
Und dann müssen die Maßnahmen selbstverständlich auch finanziert werden. Allein für die neuen Wärme- und Stromnetze rechnen die Stadtwerke mit Investitionen von 700 Millionen Euro. Zum Vergleich: In den Glasfaser-Ausbau investieren die Stadtwerke 20 bis 30 Millionen.
Das kann Konstanz freilich nicht allein stemmen. Für den Bau der Wärmenetze zum Beispiel musste sich die Stadt erst Projektpartner suchen. Im Mai dieses Jahres stimmte der Gemeinderat dann der Gründung einer neuen Gesellschaft zu, die für Planung, Bau und Betrieb des Nahwärmenetzes im Bereich der Therme verantwortlich ist.
Zur Wahrheit gehört auch: Fossile Energieträger sind zu billig
Bei der Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen sind Kommunen auch auf den Staat angewiesen. „Erst durch das Bundesprogramm ‚Effiziente Wärmenetze‘ hat sich im Jahr 2022 eine Finanzierungsgrundlage ergeben, die wir in Konstanz direkt für gebietsspezifische Machbarkeitsstudien genutzt haben“, erklärt Lorenz Heublein.
Generell sind für Heublein die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das größte Hindernis bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Und somit der fünfte Grund, warum die Treibhausgas-Emissionen in Konstanz nur langsam sinken.

„Insgesamt haben wir die Herausforderung, dass fossile Energieträger noch günstig zur Verfügung stehen und künftig erwartbare Preissteigerungen in Investitionsentscheidungen noch zu wenig Berücksichtigung finden“, sagt Heublein. Das sorgt dafür, dass sich manche Projekte schlichtweg noch nicht rechnen.
Eigentlich hätte 2025 das erste der Fährschiffe von Staad nach Meersburg von einem Diesel- auf einen Elektroantrieb umgerüstet werden sollen. Davon mussten die Stadtwerke allerdings wieder Abstand nehmen, weil Schiffsdiesel so große Steuervorteile bietet. „Die Leute sind nicht bereit, mehr Geld zu bezahlen, weil die Fähre elektrisch fährt“, sagt Appel. „Also hätte uns die Umrüstung ungefähr eine halbe Million Euro pro Jahr gekostet, und wir mussten leider wieder zurückrudern.“

Wie kann Konstanz sein Ziel erreichen?
Wenn es darum geht, Klimaschutzziele umzusetzen, kämpfen Kommunen also vor allem damit, dass sie in einem System aus mehreren Ebenen agieren. Zum einen sind sie darauf angewiesen, dass Privatpersonen ihre Häuser sanieren und mit PV-Anlagen zur Stromerzeugung beitragen. Zum anderen müssen sie auf die Rahmenbedingungen warten, die von Ländern, Bund und Europäischer Union vorgegeben werden. Welche Möglichkeiten Städte wie Konstanz in diesem System haben und wie sie ihre Klimaschutzziele erreichen können, lesen Sie in Folge drei von „Klimaschutz – So wird‘s was“.