Manchmal kommt bei Rosi Bernadotte im rund zweistündigen Gespräch mit dem SÜDKURIER etwas Unmut auf. Unmut über das eigene Schicksal. Aber nur manchmal. "Das sollte mich ja nicht mehr ärgern", sagt die 46-Jährige. Doch ab und an sind da "diese Momente, an denen ich denke: Mensch, eigentlich sollte ich mit meinen Kindern da auf der Mainau leben".
Das tun sie aber nicht. Rosi Bernadotte wohnt als alleinerziehende Mutter in Wollmatingen, arbeitet als Servicekraft in der Stadt. "Ich bin glücklich so, wie es ist", sagt sie. "Bitte nicht falsch verstehen." Doch da nagt etwas in ihrem Herzen. Vor allem dann, wenn sie auf ihren Nachnamen angesprochen wird. Bernadotte. Das klingt nach High Society und Blitzlicht. Für manche Bernadottes ist das auch so. Nicht aber für Rosi und ihre zwei Kinder.
Ihre Kindheit verbrachte sie zum Teil auf der Insel
Cia-Rosemarie Bernadotte Gräfin von Wisborg ist 1972 geboren als Tochter von Jan Bernadotte Graf von Wisborg und Annegret Thomssen. Jan ist der erste Sohn von Lennart Graf von Wisborg, der Cousin des schwedischen Königs, der Prinz von Schweden, der Siebte der schwedischen Thronfolge.
"Die Eskapaden meines Vaters haben irgendwann dazu geführt, dass mein Großvater nichts mehr von ihm wissen wollte", erzählt Rosi Bernadotte. Jan selbst sagte einmal: "Ich habe das ganze Geld verprasst und war nicht der Tüchtigste."
Rosi wuchs trotzdem auf der Mainau auf – zumindest zeitweise.
"Wir hatten ein Haus in Wollmatingen und ich hatte ein Zimmer im Schloss, wo ich immer lebte, wenn meine Mutter dienstlich unterwegs war. Außerdem ging ich in den Insel-Kindergarten."
Sie war der Liebling von Großvater Lennart
Mutter Annegret Thomssen, die kurz vor Rosis Geburt von Jan verlassen wurde, arbeitete im Marketing der Insel, was auch damals schon mit vielen Terminen europaweit verbunden war. Rosi war der erklärte Liebling ihres Großvaters.
"Er hat mich verhätschelt", sagt sie und lächelt. "Er war ein wahnsinnig toller Mensch, auf den ich sehr stolz bin." Lennart Bernadotte legte großen Wert auf Etikette und Höflichkeit. "Händeschütteln war extrem wichtig", berichtet Rosi Bernadotte und lacht erneut. Sie erzählt gerne aus ihrem Erinnerungsschatz und wirkt dann aufgeräumt und glücklich. "Ich nannte ihn Farfar oder Väterchen Groß." Farfar ist der schwedische Kosename für Opa, Väterchen Groß ist eine Anlehnung an die Verwandtschaft zu den Romanows aus dem russischen Zarenhaus. "Wir waren ein Herz und eine Seele."
Als Jugendliche war sie die Rebellin der Familie
Im Alter von sieben Jahren verließ Rosi Bernadotte mit ihrer Mutter die Mainau und Konstanz. Die beiden zogen nach Norddeutschland, um dort die kranke Oma zu pflegen. Nach ein paar Jahren ging es zurück an den Bodensee. Der Kontakt zur Familie auf der Insel war dann schon etwas reservierter. "
Ich war ein Teenager und habe mir gedacht: Wenn du nicht eingeladen wirst, dann gehst du auch nicht hin", so Rosi Bernadotte. Bei offiziellen Anlässen war sie dabei, "aber ohne Kleidchen, sondern in den Klamotten, die ich tragen wollte".
Sie galt als die kleine Rebellin – und schnell wurde eine Ähnlichkeit zu Vater Jan herbeigeredet. Der, so wird erzählt, soll an Fasnacht schon mal mit einem echten Panzer auf der Markstätte gesichtet worden sein oder bei starkem Schnellfall von einem Unimog auf seinen Skiern über die Laube gezogen worden sein. Sein Fuhrpark soll aus rasanten Flitzern der obersten Preisklasse bestanden haben.
Sie hat kein Erinnerungsstück an den Großvater
Zu diesem Zeitpunkt war Lennart längst in zweiter Ehe mit Sonja Haunz verheiratet, seiner persönlichen Assistentin aus Litzelstetten. Fünf Kinder hatten sie zusammen. Björn und Bettina führen heute die Geschäfte der Mainau.
"Ich habe schon lange keinen Kontakt mehr zu den Kindern meines Großvaters aus zweiter Ehe. Sie wuchsen gut behütet auf, ich nicht wirklich."
Als Lennart starb, war sie 32 Jahre alt. "Ich hätte mich über ein persönliches Andenken an ihn und unsere gemeinsame Zeit sehr gefreut", sagt sie und wirkt nun nachdenklich und traurig. "Ich habe keine privaten Bilder von mir und Farfar. Die sind alle im Archiv der Mainau." Die Kinder aus Lennarts zweiter Ehe sah sie das letzte Mal bei der öffentlichen Trauerfeier – zur privaten, familiären war sie nicht eingeladen. Eine Tatsache, die sie heute noch schmerzt.
Und trotzdem kommen ihre keine bösen Worte über ihre jüngeren Tanten und Onkel über die Lippen. "Da sage ich dann doch lieber gar nichts. Alles ist gut so, wie es ist."
Als sie nach langer Zeit wieder als Touristin auf die Insel kommt, kommen ihr die Tränen
Vor zwei Jahren war sie erstmals seit langer Zeit wieder auf der Insel – als Touristin. "Meine Kinder wollten unbedingt sehen, wo ich aufgewachsen bin", erzählt sie.
"Ich habe damals Rotz und Wasser geheult, als wir zu den verborgenen Plätzen gegangen sind, wo ich als kleines Mädchen gespielt habe."
Als sie im Eingangsbereich ihren Ausweis vorzeigte, um eine Jahreskarte zu kaufen, staunten die Verkäufer nicht schlecht: Cia Rosemarie Bernadotte Gräfin von Wisborg steht dort geschrieben.
"Die haben mich vielleicht komisch angeschaut", erinnert sie sich lachend. Erklärt hat sie sich jedoch nicht. "Ich bin Rosi und trage halt den Nachnamen Bernadotte."
Ihren Vater Jan hat sie in der großen SWR-Reportage über Lennarts Leben im April auf dem Bildschirm gesehen. Ein Moment, der sie tief berührt hat. Zahlreiche Artikel wurden 1972 veröffentlicht, in denen ihr Vater schwer kritisiert wurde, da er die werdende Mutter verließ. "Das Kind, von dem da immer geschrieben wurde, war ich." Mit 25 Jahren hat sie ihn das letzte Mal bei einem Besuch in Schweden persönlich getroffen.
Rosi Bernadotte ist eine erfahrene und beliebte Servicekraft in der Innenstadt. Sie führt(e) in mehreren Restaurants und Cafés Teams und gilt als gut organisierte Chefin mit Persönlichkeit und großem Herz.
"Ich denke, dass ich viel meinem Farfar zu verdanken habe. Ich meistere mein Leben sehr gut. Dazu brauche ich meine Familie von der Mainau nicht."