Als an Pfingsten ein Mitglied der Konstanzer Burschenschaft Bayuvaria im Wessenberg Café mit Verbindungsschärpe vor der Brust und Hut unter dem Arm einen Kaffee trinken möchte, verweist der Wirt Anselm Venedey den potenziellen Gast freundlich aber bestimmt des Restaurants. „Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Lust auf Gesinnungsbekundungen in meinem Lokal habe und dass Gäste in neutraler Kleidung gerne kommen können“, erklärt Venedey. Der 79-jährige Gast habe verwundert reagiert und sei wieder gegangen.
Sowohl für den Konstanzer Gastwirt als auch für den Burschenschafter hatte sich die Angelegenheit wohl erledigt, nicht aber für einen Freund des Stuttgarter Verbindungsmitglieds, der von dem Vorfall gehört hat. Dieser Freund heißt Dieter Rössler, hatte in den 60-er Jahren in Konstanz studiert und war ebenfalls Mitglied der Bayuvaria. Nun wandte er sich in einem Leserbrief an den SÜDKURIER. Er sieht seinen Bekannten und mit ihm alle „Angehörigen von farbentragenden Studentenverbindungen“ in Konstanz diskriminiert, schreibt Rössler.

„In Konstanz gibt es zehn farbentragende Studentenverbindungen. Von diesen feiert eine Burschenschaft jedes Jahr zu Pfingsten ihr Stiftungsfest, und es ist üblich, dass daran alle anwesenden Mitglieder, Aktive und Alte Herren, in Couleur erscheinen“, schreibt Rössler. Dazu gehöre das Tragen der Studentenmütze, der typischen Kopfbedeckung sowie der Schärpe in der jeweiligen Verbindungsfarbe. Und eben diese „bewusste Zurschaustellung der Zugehörigkeit zu solchen Gruppen“ missfällt Wessenberg-Wirt Anselm Venedey nach eigenen Worten.
„Ich mag es überhaupt nicht, wenn jemand mit politischen Zeichen kommt und habe in diesem Fall lediglich von meinem Hausrecht Gebrauch gemacht“, sagt Venedey. Er ist sich bewusst, dass einige seiner Stammgäste in Verbindungen sind. „Die kennen meine Haltung“, sagt er – also kämen sie nicht in ihrer Burschenschaftsbekleidung. „Das handhabe ich seit 21 Jahren so, seit ich das Lokal habe“, fährt der aktuelle und künftige Stadtrat der Freien Wähler fort. „Ich lasse auch keine politischen Flyer auslegen, nicht einmal von meiner eigenen Fraktion.“
„Eine politische Haltung heftet man sich nicht ans Revers.“
Eine Zeitlang war seine Fraktion für ihre Sitzungen zu Gast im Wessenberg, vor der Europawahl im Mai auch die SPD. „Aber in einem Nebenraum, der bei solchen Anlässen nicht für die Gäste zugänglich ist“, sagt Venedey. Auf die Frage, ob er einen Stadtratskollegen mit Parteinadel ebenso vor die Tür setzen würde, entgegnet er: „Das ist noch nie passiert. Eine politische Haltung heftet man sich nicht ans Revers. Darüber hinaus ist es für mich ein gewaltiger Unterschied, ob jemand von der CDU oder der SPD ist oder farbentragend.“
Anselm Venedey kennt sich aus mit dem Thema Burschenschaften. „Mein Urgroßvater war 1848 ein Farbentragender, damals war das fortschrittlich und liberal“, erklärt er. „Und auch mein Vater war Mitglied in einer Burschenschaft. Er ist rausgeflogen, weil er gleichzeitig im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war, das um die Demokratie gekämpft hat.“ Im Gegensatz zu früheren Zeiten stünden die Burschenschaften heute „für ein Weltbild, das nicht mehr zeitgemäß ist: Sie sind extrem konservativ und chauvinistisch. Das hat nichts mit liberalem Denken zu tun“, so Venedey.
Burschenschaften scheinen es auf der Suche nach Lokalen generell schwer zu haben in Konstanz
Auch der Leserbriefschreiber Dieter Rössler hat eine Veränderung ausgemacht, aber ganz andere. „Mir ist so etwas während meiner Studienzeit in Konstanz nicht passiert, früher waren die Restaurants froh über Gäste“, sagt er auf SÜDKURIER-Nachfrage.
Während die Burschenschaften vor einem halben Jahrhundert ihre Stiftungsfeste immer im Konzil gefeiert hätten, sei es in diesem Jahr schwierig gewesen, „ein geeignetes Lokal in Konstanz zu finden, weil sich deren Inhaber weigerten, ihr Lokal Studentenverbindungen zur Verfügung zu stellen“. Es verwundere ihn, „dass eine weltoffene Stadt wie Konstanz solche Gaststätten und Lokale herbergt, in denen Studentenverbindungen diskriminiert werden“, schreibt er.
Anselm Venedey stört sich an einer häufiger zu beobachtenden rechten Tendenz
Für Anselm Venedey ist das hingegen kein Widerspruch. „Das ist doch schon mal erfreulich“, sagt er schmunzelnd, „gerade weil die Stadt Konstanz so weltoffen ist, ist es wohl für die Burschenschaften schwer geworden, ein Lokal zu finden. Das generelle Problem ist eine rechte Tendenz, die man immer häufiger sieht und die im Alltag gesellschaftsfähig geworden ist.“
Während Dieter Rössler am Telefon die Reaktion Venedeys als „kleinlich“ bezeichnet, fürchtet der Konstanzer Wirt keine weiteren Probleme wegen seiner Haltung. „Ich stehe dazu“, sagt er, „und ich habe ein breites Kreuz.“