Es ist Winter, Schnee bedeckt den Waldboden und er harrt bis zu zehn Stunden in der Kälte aus, mit warmer Kleidung, Tee und Videokamera. So schildert Gottfried Hilbenz, 91 Jahre alt, seine Zeit als Hobby-Tierfilmer. Der Pensionär lebt seit 1971 in Konstanz und nennt den Bodanrück seine zweite Heimat. „Tierliebend war ich schon von Anfang an“, antwortet er auf die Frage nach seiner Motivation. Er ist begeistert von den vielen Wildtierarten, die auf dem Bodanrück leben. Füchse, Wildschweine, Dachse, Hirsche, Rotmilane und weitere Waldbewohner habe er schon vor der Kamera gehabt.

Schon früh in seinem Leben ist Hilbenz viel im Wald unterwegs. Aufgewachsen ist er in Liebstadt, südlich von Dresden und am Rand des Erzgebirges gelegen. Dort macht er eine Ausbildung zum Forstfacharbeiter. Später flieht er in den Westen, belädt in Faßberg (Niedersachsen) Flugzeuge für die Luftbrücke nach Berlin. Nach weiteren beruflichen Stationen verschlägt es ihn zum Zoll in die Allgäuer Alpen. In diesen Jahren, die er die schönsten seines Lebens nennt, arbeitet er mit einem Lawinensuchhund und ist beruflich auf Klettersteigen und Wanderwegen unterwegs. Nachdem er Anfang der 1970er-Jahre zum Zoll nach Konstanz wechselt, knüpft er Kontakte zum örtlichen Filmclub. Heute leben laut Hilbenz außer ihm nur noch zwei ehemalige Mitglieder, und der Club ist aufgelöst.
Filmclub weckt sein Interesse
Durch den Filmclub kommt bei ihm die Lust auf, seine Beobachtungen im Wald filmisch festzuhalten. „Ich habe mir das Geld für eine Super-8-Kamera zusammengespart“, erklärt er. Später kauft er sich eine professionelle Videokamera für 40.000 Mark. Die kann er „in monatlichen Raten von 500 Mark“ bezahlen. Seinen Wunsch, einmal einen Film fürs Fernsehen zu machen, verwirklicht er nie. Im heimischen Studio steht aber Technik, die dafür früher bestimmt geeignet gewesen wäre. Heute nennt Hilbenz sie selbst liebevoll „Großvatertechnik“.

Nach seiner Pensionierung widmet er acht Jahre ganz seinem Hobby. „Bei Tag und Nacht, bei Regen und Schneetreiben“ ist er auf dem Bodanrück. Am meisten unter den Tieren faszinieren ihn Wildschweine. Er macht Experimente, bei denen sie beispielsweise den Deckel einer Kiste „nach oben lupfen“ müssen, um an den vorher darin platzierten Mais zu gelangen. Er denkt, sie würden Wochen dafür brauchen, doch es dauert nur eine Nacht. „Das sind sehr intelligente Tiere“, sagt Gottfried Hilbenz.
Um den Wildtieren nahe zu kommen, sitzt er stundenlang auf Hochsitzen oder versteckt sich in einem Tarnzelt. Um auch nachts filmen zu können, baut er Lampen auf und verlegt Kabel. Er schaltet anfangs das Licht nur kurz ein und dann wieder aus, um die Tiere daran zu gewöhnen. Mit der Zeit stören sie sich nicht mehr daran und er nimmt auf, wie Bachen mit vielen jungen Ferkeln sein Lockmittel fressen.
Mit 91 Jahren noch sehr fit
Dass die Natur und Bewegung immer Teil seines Alltags waren, merkt man dem 91-Jährigen heute an. Seine Wohnung im dritten Stock erreicht er ohne Fahrstuhl, und einmal pro Woche schwimmt er 14 Bahnen in der Therme. Als wäre das nicht genug in seinem Alter, pflegt er zudem seine Freundin, die an Parkinson erkrankt ist.
Danach gefragt, ob Hilbenz noch immer mit der Videokamera unterwegs ist, erwidert er: „Die Filmerei ist vorbei.“ Er geht aber immer noch regelmäßig auf dem Bodanrück spazieren – mit einem Fotoapparat.