Als heute vor einer Woche das Telefon klingelte, hatte Mäx Kessler keinen Schimmer, dass dieser Anruf sein Leben zum Besseren verändern könnte. Eine Dame der Uni-Klinik Freiburg meldete sich und verkündete, dass aller Voraussicht nach ein passender Spender für den an Leukämie erkrankten 53-Jährigen gefunden sei. Noch sei nicht zu 100 Prozent sicher, aber immerhin. Am Freitag Anruf Nummer zwei: "Da hieß es, dass es höchstwahrscheinlich passen würde", erinnert sich Mäx Kessler. Es folgte ein Wochenende mit Hoffen und Bangen, ehe gestern Nachmittag das dritte, erlösende Telefonat folgte: "Jetzt passt alles", erzählt Mäx Kessler und er scheint um den den ganzen Kopf herum zu lachen. "So einen Moment kann man nicht in Worte fassen. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut", sagt er und zeigt auf seinen rechten Arm, auf dem nicht nur die Hämatome der unzähligen Infusionen der vergangenen Monate, sondern eben auch zu Berge stehenden Härchen zu sehen sind.

Mäx sitzt im Biergarten vor seiner Stammkneipe Leiterwagen und nippt genüsslich an seinem Getränk, alkoholfrei versteht sich. "Seit vier Monaten habe ich keinen Tropfen getrunken", berichtet er. "Auch das Rauchen habe ich aufgegeben." Trotzdem war die letzte Zeit ein ständiges Auf und Ab. Zweimal Chemotherapie in Freiburg, Lungenentzündung, angeschwollene Leber und Milz, ständige Müdigkeit – er hat fast nichts ausgelassen. Und als dann auch noch die langjährige Freundin Schluss machte und drei Monate später heiratete, während er gegen den Krebs ankämpfte, fühlte er sich am Boden. "Das sind Schläge, von denen man sich erstmal erholen muss", erzählt Mäx.

"Aber jetzt bin ich zuversichtlich und habe tolle Pläne für die nächsten Jahre." Familie, Verwandte und Bekannte unterstützten den passionierten Fasnachter der Hofpeter. "Es ist der Wahnsinn, wie viele tolle Menschen ich um mich herum habe." Wie auf Bestellung kommt ein Mann vorbei und nimmt "de Mäxle", wie er sagt, in die Arme. "Klasse, Junge. Ich drücke Dir die Daumen."

Seinen Humor hat sich Mäx Kessler nicht nehmen lassen von der Krankheit. „Sollen mir die Haare doch ruhig ausfallen“, sagte er einmal. „Egal. Ich habe ja eh eine Glatze.“ Die Stoppeln im Gesicht und auf dem Kopf sind noch sichtbar, nur der Wachstum der Haare ist verschwunden durch die Chemotherapien. Nassrasur ist sowieso seit Monaten tabu wegen der Gefahr sich zu schneiden. Außerdem muss er sich die Zähne mit einer superweichen Bürste putzen. "Des isch vielleicht a komisch Sach", sagt er laut lachend, "andauernd bieg i die Bürscht um."

2016 erlitt er zwei anaphylaktische Schocks, zwei schwere Formen einer allergischen Reaktion, die den ganzen Körper erfassen und im schlimmsten Fall tödlich enden können. Ausgelöst wurden die Schocks durch Antibiotika. Mäx Kessler bekam keine Luft mehr, sein Kreislauf brach in sich zusammen, er endete in der Intensivstation. „Damals waren meine Blutwerte extrem schlecht“, erinnert er sich. „Daraufhin wurde ich getestet. So kam heraus, dass ich schwer krank bin.“ Er pendelte zwischen Freiburg und Konstanz. Jeder kleinste Gang, jede Bewegung raubte seinem Körper die Kraft.

Am 12. Juni muss er zurück nach Freiburg in die Uni-Klinik. Drei Tage wird er dort intensiv untersucht, anschließend erhält er über vier Tage eine harte Chemotherapie, damit das Immunsystem herunterfährt. Direkt im Anschluss werden ihm die Stammzellen des Spenders transplantiert. "Die zwei, drei Tage danach sind entscheidend", blickt Mäx Kessler schon mal nach vorne. "Da darf nichts passieren und mein Körper muss die fremden Zellen annehmen." Ansonsten fängt die Suche nach einem weiteren Spender von vorne an.

Im Sommer 2018 möchte er sich einen Traum erfüllen und ein halbes Jahr nach Ägypten gehen. "Ich war zuletzt zweimal pro Jahr für eine Woche in Ägypten", sagt er. "Es gefällt mir dort." Das nächste große Ziel nach der Transplantation aber ist das Frühjahr 2018. Fasnacht. Mäx Kessler gehört zu den Hofpeter wie der Taborturm zu Wollmatingen. In diesem Jahr musste er die Fasnacht sausen lassen. "Ich wäre ja nicht mal aus unserem Keller nach oben gekommen", sagt er. "Ich war saft- und kraftlos." Aber 2018, da möchte er wieder voll angreifen. "Bis dahin bin ich fit. Ohne Fasnacht fehlt mir irgendetwas." Und ohne Mäx, das werden viele Narren bestätigen, fehlt der Fasnacht irgendetwas.


Die Datei

Die DKMS arbeitet seit 1991 daran, für Patienten weltweit einen passenden Spender zu finden. Doch immer noch findet jeder siebte Blutkrebspatient in Deutschland keinen passenden Spender. Für eine Stammzellspende müssen die Gewebemerkmale zu 100 Prozent übereinstimmen. Knapp sieben Millionen Menschen sind in Deutschland registriert – mehr als in jedem anderen Land weltweit.