Urs Leuzinger ist gerade beim Fondue gesessen, als das Telefon klingelte. Ein Fund im Tägermoos, lautete die Nachricht an den Leiter des archäologischen Museums in Frauenfeld. Nicht irgendein Fund, eine Sensation: keltische Silbermünzen, etwa 2100 Jahre alt. Nicht irgendwelche, ganz besondere. Aufzeichnungen zufolge soll es nur 100 dieser Prägung geben. 43 hält Leuzinger heute in den Händen, und er hat das Giuseppe Prete, Franco Formica und Bruno Weber zu verdanken.
Gräber mit Detektoren
Die drei Männer sind freiwillige Helfer des kantonalen Amts für Archäologie. Sie suchen, sie graben, ausgestattet mit entsprechender Genehmigung und unter anderem mit Metalldetektoren. Mit diesem gingen sie im Jahr 2016 im Tägermoos auf Spurensuche. "Wir sind per Zufall auf den Fund gestoßen. Als ich eine dieser Münzen gefunden hatte, habe ich einen Kollegen kontaktiert und dieser meinte, ich solle es wegwerfen, das wäre nichts", erinnerte sich Franco Formica während einer Vernissage.

Münzen gewaschen anstatt weggeworfen
Die Stücke sind im Archäologischen Museum in Frauenfeld zu sehen. Ihn ließ der Fund aber nicht los, und er wusch die Silbertaler. Anschließend recherchierte er und bekam den Eindruck, dass es sich um eine keltische Münze handeln könnte. Bis zum Frühjahr 2017 fanden die Freiwilligen und Wissenschaftler insgesamt 43 Münzen gleicher Art. Eine riesige Menge auf einen Schlag. Damit dürfte die Diskussion eröffnet sein, ob es wirklich lediglich 100 solcher Silbermünzen gibt, oder ob die bisherigen Aufzeichnungen darüber korrigiert werden müssn.
Lange Geheimhaltung des Funds
Urs Leuzinger machte sich ebenfalls auf den Weg ins Tägermoos und fand drei der Münzen. Der Archäologe und seine Kollegen der kantonalen Behörde hielten ein Jahr lang die Füße still. Warum? Damit sie in Ruhe das gesamte Gebiet absuchen konnten. Weil die Fundfläche landwirtschaftlich genutzt wird, lag die Vermutung nahe, dass durch Umpflügen weitere keltische Relikte verstreut im Erdreich liegen könnten.
Vorlage von Philipp II.
Keltische Silbermünzen dieses Typs gibt es wenige, erklärt Urs Leuzinger auf Anfrage. Ihre Prägung ist angelehnt an Goldmünzen von Philipp II., König von Makedonien und Vater von Alexander dem Großen. Auf der Vorderseite ist ein Kopf zu sehen, auf der Rückseite ein Pferdegespann mit Lenker. Weil die Kelten als Söldner im griechischen Meer unterwegs gewesen seien, hätten sie vermutlich dieses Zahlungsmittel von König Philipp kennengelernt, erklärt Urs Leuzinger. Und als Vorlage mit nach Hause genommen.

Etwa 2100 Jahre alt
"Für die Wissenschaft ist es wichtig, den Fundort zu haben", fügt der Wissenschaftler an. Denn: Bevor die Römer um 20 nach Christus in Konstanz am Münsterhügel ihre Siedlung errichteten, waren dort die Kelten. Die Münzen aus dem Tägermoos könnten in Zusammenhang damit stehen, sagt auch der Konstanzer Kreisarchäologe Jürgen Hald. "Ein toller Fund", ist er begeistert. Urs Leuzinger stellt sich nun die Frage, ob diese Taler in Konstanz oder Umgebung hergestellt worden sind. Klar ist für ihn: "Das war das Geld, das hier in Umlauf war" – im 1. Jahrhundert vor Christus.
Konstanzer Gemarkung, Schweizer Gebiet
Wer hat das Geld ins Tägermoos geworfen und warum? "Archäologisch und historisch gesehen, war das Gebiet lange Zeit ein Moor- und Sumpfland", erklärte Kantonsarchäologe Hansjörg Brem während der Ausstellungsvernissage. Im Mittelalter habe das Gebiet sogar als Ablagerungs- und Müllstätte der Stadt Konstanz gegolten. Heute noch liegt es über ein Sonderstatut auf Konstanzer Gemarkung, staatsrechtlich gehört es aber zur Schweiz. Deshalb gehen jegliche historischen Funde an den Kanton über. Eine keltische Siedlung in dem Gebiet ist nicht bekannt. Archäologe Urs Leuzinger vermutet, dass die so wertvollen Münzen an einer Eiche den Göttern geopfert wurden. In Frage komme noch, dass sie schlicht verloren wurden. Oder versteckt und nicht mehr ausgegraben. Weil der Besitzer starb – auf natürliche Weise oder gewaltvoll.
Ausstellung
Die Sonderausstellung "Le Trésor – der keltische Münzschatz von Tägerwilen" zeigt mehrere Silbermünzen aus keltischer Zeit. Sie sind bis 28. Oktober zu sehen im Museum für Archäologie in Frauenfeld (Freie Straße 26). Öffnungszeiten: dienstags bis samstags von 14 bis 17 Uhr, sonntags von 12 bis 17 Uhr. Generell präsentiert das Museum einen Querschnitt von den Pfahlbaukulturen – seit 2011 UNESCO-Welterbe – bis zum Schlachtfeld Napoleons im Kanton Thurgau. Der Eintritt ist kostenfrei. (lub/phz)