Der Blick vom Ufer über den Bodensee. Hier noch ein Sonnenaufgang, dort noch ein kräftiges Abendrot. Abertausendfach dienen Konstanz und die Nachbarstadt Kreuzlingen jedes Jahr als fotografische Kulisse für Touristen-Romantik und erscheinen als Hintergrund für das perfekte Selfie aus dem Urlaub.
Die Fotos lassen Konstanz zur modernen Stadtlandschaft werden
Und da soll es Orte geben, die – fast schon sträflich – vernachlässigt werden, die unsere Blicke allenfalls müde bis gestresst vom Alltag streifen?
Zum zweiten Mal veröffentlicht der SÜDKURIER den Beweis: Ja, diese unbeachteten Stellen gibt es noch in Konstanz.
Auch die Nachbarstadt Kreuzlingen wird gezeigt
Fotografiert und inszeniert hat diese modernen Stadtlandschaften der Fotograf und Journalist Lukas Ondreka. Nach seiner ersten Huldigung der vermeintlichen Konstanzer Hässlichkeit im Mai 2019, nimmt er ein halbes Jahr später die Schweizer Nachbarstadt mit ins Boot.

Eine Ausstellung zeigt seine Fotografien – und lädt dazu ein, Bilder eigener unbeachtete Alltagsorte einzureichen.

Wir wohnen, wo andere Urlaub machen – vergessen wir darüber auch die alltägliche Schönheit?
Konstanz und Umgebung haben sich über Jahrzehnte einen Ruf erarbeitet: Hier ist es so schön, dass es fast wehtut. Stichwort: Wenn ich den See seh‘, brauch ich kein Meer mehr. Nun ja, das ist die eine, die touristische Sicht von der pittoresken Mini-Toskana am Bodensee. Sie lässt Bekannte und Freunde aus ganz Deutschland fragen: Du wohnst also dort, wo andere Urlaub machen?

Die beste Antwort darauf lautet: Das stimmt, und ich genieße es. Leider fällt sie uns oft erst dann ein, wenn wir gerade nicht daheim am See sind. Denn, so ehrlich müssen wir sein, es gehört auch zum Konstanzer-Sein dazu, unsere Heimatstadt zum Nabel der Welt zu verklären.
Mit der Folge: Wir schätzen die alltägliche Beobachtung weniger wert, als dies in anderen, auf den ersten Blick weniger malerisch daherkommenden Städten der Fall ist.
Auch eine schnöde Fußgängerbrücke ist „typisch Konstanz„
Was aber ist mit jenen Orten dies- und jenseits der Grenze, die sich von der Netzhaut ins Gedächtnis brennen – obwohl es die Betrachter vielleicht gar nicht wollen? Gehört die schnöde Fußgängerbrücke, die täglich auf dem Weg zur Schule passiert wird, nicht auch zum Bild von Konstanz?

Zählen nicht auch die Einfahrt zu einem Parkhaus oder die Brückenpfeiler der Schänzlebrücke dazu?
Kann der Sichtbeton einer Kreuzlinger Bahnhofsunterführung nicht sogar Charme oder gar Schönheit ausstrahlen?
Andernorts wären das alles Nicht-Orte, oder?
Einheimische werden jetzt wahrscheinlich grinsen und denken: Stimmt, auch diese unbeachteten Orte sind Konstanz und Kreuzlingen. Das vermeintlich Unscheinbare, Hässliche oder Normale der beiden Städte wird so zu etwas Besonderem; zum Fluchtpunkt vor den viel – manche würden sagen: zu viel – besuchten und dokumentierten Touristen-Sehenswürdigkeiten.
Wo andernorts die Nase gerümpft wird über Nicht-Orte ohne Geschichte oder Tradition – man denke an Supermarkt-Fassaden, Autowasch-Stationen oder zweckmäßige Bahnhöfe – bieten sie bei uns Abwechslung.
Mehr noch: Sie sind der Teil urbanen Lebens, der mindestens genauso sehr zur Stadt gehört wie die Imperia, das Münster oder der Konstanzer Trichter.