Konstanz braucht dringend Wohnungen. Das ist nichts Neues.

Nun ist es nicht so, dass hier nicht auch gebaut werden würde – im Gegenteil. Investoren suchen allerorten nach Grundstücken, kaufen Flächen, ob mit oder ohne Häuser, um neue Immobilien zu schaffen.

Neu zu bauen hilft nicht automatisch gegen Wohnungsmangel

Warum diese neuen Wohnungen nicht helfen, verraten ihre Exposés. Denn auf dem privaten Wohnungsmarkt gebaut wurden und werden vor allem Wohnungen, die sich Normalverdiener kaum leisten können.

Hoffnung steckt deshalb auch immer in privaten Wohnbauprojekten, bei denen die Stadt zumindest mitreden kann. Wie zum Beispiel beim Projekt „Laubenhof“ auf dem ehemaligen Vincentius-Areal. 2016 hatte die Stadt das Gelände gegen Höchstgebot veräußert, über zehn Millionen Euro soll der Kaufpreis betragen haben – was auch dieses Projekt unter die Prämisse der Rendite gestellt hatte.

So soll der Neubau aussehen (verschieben Sie den Regler in der Mitte, um den Stand heute mit dem Entwurf zu vergleichen:)

Allerdings: Der Erlös diente dem Bau des neuen Vincentius-Krankenhauses und damit wieder einem sozialen Zweck. Und die Stadt stellte Forderungen an den Käufer, die Immobiliensparte der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Der Investor muss im Laubenhof geförderte Wohnungen anbieten

Der Investor wurde vertraglich verpflichtet, 20 Prozent der Gesamtwohnfläche als geförderte Wohnungen und zehn Prozent im preisgedämpften Wohnungsbau auf dem Markt anzubieten. Die Erwartungen an die Entwicklung des Vincentius-Areals waren entsprechend hoch, schließlich wurde und wird das Projekt von der Stadt als Teil des Handlungsprogramms Wohnen beworben.

Baubeginn voraussichtlich im Mai 2019

Gut zwei Jahre nach dem Verkauf steht nun der Baubeginn an, voraussichtlich im zweiten Quartal 2019, wie Brigitte Reibenspies, Pressesprecherin der LBBW Immobilien Management GmbH mit Sitz in Stuttgart auf Anfrage mitteilt. In einem sogenannten Pre-Sale wurden die Wohnungen bereits vermarktet, unter anderem in diesem Video:

Im „Herzen der Stadt“, wenige Meter zum Seerhein und in die Altstadt, das ländliche Tägermoos um die Ecke: Eine gute Lage für ein Wohnbauprojekt und gerade auch für Konstanzer Familien. Interessenten gibt es genügend, über die genaue Zahl will der Investor keine Angaben machen.

Unter den Interessenten ist auch eine Familie, die bereits im Paradies wohnt. „Wir haben uns auf das Projekt gefreut und sahen darin auch eine Möglichkeit, in dem sozialen Umfeld zu bleiben, das wir in den letzten Jahren schätzen gelernt haben“, schreibt der Familienvater. Er hat sich früh auf die Interessentenliste setzen lassen, hat noch einen Beratungstermin und will deshalb anonym bleiben.

Für normalverdienende Familien unbezahlbar – das zeigt ein reales Beispiel

Dass die Familie aber tatsächlich in eine der Laubenhof-Wohnungen einzieht, ist unwahrscheinlich. „Es ist für uns völlig utopisch, eine solide Finanzierung vorlegen zu können. Obwohl ich es gar für vermessen halten würde uns als Familie mit normalem Einkommen zu bezeichnen. Wir sind beide erwerbstätig und verdienen wahrscheinlich mehr als der Durchschnitt“, so der Familienvater.

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Eine Vier-Zimmer-Wohnung mit 96 Quadratmetern Wohnfläche etwa wird im Pre-Sale ab 689.000 Euro angeboten – Stellplatz in der Tiefgarage und Kaufnebenkosten sind da noch nicht miteingerechnet. Und auch die Miete dürfte in dem neuen Wohnquartier nicht billig werden. Wer beispielsweise eine Drei-Zimmer-Wohnung für 489.000 Euro kauft, müsste eine Kaltmiete von 1222 Euro verlangen, um drei Prozent Rendite zu bekommen – Kaufnebenkosten und Grundsteuer sind da ebenfalls noch nicht miteinberechnet.

Rund 40 Prozent der freien Wohnungen sollen laut SÜDKURIER-Informationen reserviert sein, darunter alle 4- und 5-Zimmer-Wohnungen. Bestätigen will die Immobilienfirma diese Zahl aber nicht. „Gemessen an den geführten Gesprächen sind wir mit der Anzahl der Reservierungen zufrieden“, so Pressesprecherin Brigitte Reibenspies.

Die Penthouse-Wohnungen im Obergeschoss sollen einen Quadratmeterpreis von 10.000 Euro haben, sind aber noch nicht in der Vermarktung.

Wie aber sieht es mit den günstigen Wohnungen aus, die der Investor anbieten muss?

Wer in eine der 24 Wohnungen im geförderten Bereich ziehen will, braucht einen Wohnberechtigungsschein. Ob man ihn bekommt, hängt vom Haushaltseinkommen ab.

Das sind die Einkommensgrenzen, die nicht überschritten werden dürfen...

In diesen Wohnungen muss der Mietpreis für die Wohnung mindestens 15 Jahre 33 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichmiete liegen – und die hängt wiederum ab von der Wohnungsgröße und der Wohnungsausstattung.

Der Mieterbund übt Kritik am Mietspiegel – denn durch ihn sind auch die günstigeren Wohnungen eigentlich überteuert

Schon lange gibt es die Kritik, dass in den Mietspiegel vor allem die Preise von teuren Neubauten einfließen. Denn es werden nur Mietverträge berücksichtigt, die in den letzten vier Jahren neu abgeschlossen wurden oder wenn die Miete in dieser Zeit angepasst wurde. Damit bildet der Mietspiegel laut dem Deutschen Mieterbund nie die aktuellen, derzeit überhöhten Marktpreise ab, sondern folgt ihnen nur mit Verzögerung.

Auch der Mietpreis von 9,27 Euro für eine der zwölf preisgedämpften Wohnungen, die im Laubenhof entstehen sollen, orientieren sich am Mietspiegel. Und auch hier gibt es eine Einkommensgrenze für potenzielle Mieter: Die Einkommensgrenze liegt 30 Prozent über der für einen Wohnberechtigungsschein. Für den oben genannten Drei-Personen-Haushalt liegt diese Grenze also bei 74.685 Euro.

Die Stadt verteidigt das Handlungsprogramm Wohnen

Das Fazit: Die ursprünglich anvisierte Zielgruppe Familien können sich die Wohnungen kaum leisten, und nur 24 Wohnungen entstehen im geförderten Segment. Steht das Projekt Vincentius-Areal noch zu Recht im Handlungsprogramm Wohnen?

Die Stadt verweist auf Anfrage auf das gesamte Handlungsprogramm Wohnen und dessen Wirksamkeit:

„Alles zusammen gerechnet sind hier von den bis 2035 geplanten 7900 Wohnungen 47 Prozent in den Preissegmenten direkt steuerbar. Das ist eine überaus beachtliche Quote. Zielgruppenbindungen, das heißt verbindliche Festlegungen für geförderten Wohnungsbau oder mittlere Preissegmente, können über die städtische Grundstücksvergabe – also wenn die Stadt selbst Eigentümerin der Grundstücke ist – oder über städtebauliche Verträge – also wenn die Stadt das Baurecht gestalten kann – erfolgen. Damit ergeben sich für rund 3.700 Wohneinheiten direkte Steuerungsmöglichkeiten für Zielgruppen.“
Antwort der städtischen Pressestelle

War der Verkauf des Areals ein Fehler?

Das Gelände nicht selbst zu entwickeln und es stattdessen höchstbietend zu verkaufen, sieht Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn nicht als Fehler:

„Der Gemeinderat hatte sich bewusst entschieden, das Gelände des Vincentius-Areals am Markt anzubieten, da mit dem Erlös der Neubau der Vincentius-Klinik in der Luisenstraße mitfinanziert werden sollte. Das Geld ist also der Allgemeinheit zu Gute gekommen. Hätte man nicht so verfahren, dann hätten die fehlenden finanziellen Mittel den Kostenanteil der Stadt an der Gesamtfinanzierung des Klinikneubaus erhöht oder der Landkreis hätte einspringen müssen. In beiden Fällen wäre das letztlich auf den Steuerzahler zurückgefallen.“
Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn