„Vielleicht könnten die beiden Kardinäle noch etwas näher zusammenrücken.“ Ein mittelalterlicher Mönch tippt auf seinem Handy herum. Ein Papst beklagt, dass ihm die Mitra beim Gehen immer ins Gesicht rutscht und eine Frauenstimme ruft laut nach dem Ordensritter von Rhodos. Merkwürdige Szenen, die sich da in einem zum Filmstudio umfunktionierten Hangar in Berlin-Adlershof abspielen.

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Der Wächter muss ins Kettenhemd

Dann wird eine Mutter gesucht für ein Kind, es findet sich niemand, die Schwester tut‘s auch, es ist sogar die leibliche, und zwei Helfer sind nötig, um einem Wächter das Kettenhemd überzustülpen. Immerhin wiegt es fast 20 Kilogramm. Wir sind beim Fotoshooting für ein spektakuläres Projekt, das in Konstanz bereits zu vielen Diskussionen geführt hat: das Konzil-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi.

Asisi-Panoramen ziehen weltweit hunderttausende Besucher an

Der in Berlin lebende Österreicher mit persischen Wurzeln hat schon Hunderttausende von Besuchern in aller Welt beeindruckt mit seinen überdimensionalen, begehbaren 360-Grad-Rundbildern. Meistens 30 Meter hoch und mit einem Umfang von über 100 Metern zeigen die Rotunden bedruckte Stoffbahnen mit zusammenmontierten Fotos in 3-D-Technik, die der Betrachter entweder von Tribünentürmen oder galerieartigen Rundgängen bestaunen kann.

Eines der bekanntesten Panoramen dürfte Pergamon sein, auf der Berliner Museumsinsel. Aber auch das Luther-Projekt in Wittenberg, die Unterwasserwelt des Great Barrier Reef oder das antike Rom wurden von Asisi schon auf die kreisrunden Wände projiziert, fußend auf der Tradition der französischen Rundbilder aus dem 19. Jahrhundert, aber hergestellt mit den Mitteln modernster Computertechnik.

Konstanz, wie es vor 600 Jahren ausgesehen haben soll

Und nun Konstanz zur Zeit des Konzils vor 600 Jahren. Buntes Markttreiben in den mittelalterlichen Gassen, der Einzug von Kardinälen, Papst und König sind lebensecht voraussichtlich ab Herbst 2021 zu sehen.

Am Berliner Foto-Set stellen die Akteure eine Szene vom Einzug des Papstes Johannes beim Konzil in Konstanz dar. Wie gut, dass die ...
Am Berliner Foto-Set stellen die Akteure eine Szene vom Einzug des Papstes Johannes beim Konzil in Konstanz dar. Wie gut, dass die „Pferde“ der Reiter später im Panorama nicht zu sehen sein werden. | Bild: Wolfgang Bager

Dafür werden derzeit in Berlin mehrere zehntausend Fotos geschossen mit etwa 40 Komparsen in mittelalterlichen Kostümen. Die Szene erinnert an einen Drehtag beim Film, nur entstehen hier keine bewegten Bilder und es wird auch kein Text gesprochen.

Hunderte von kleinen Einzelszenen werden gespielt und fotografiert, Requisiten auf- und wieder abgebaut und alles nach dem übergeordneten Plan von Yadegar Asisi, dem Herrn der Bilder.

Der Herr der Bilder: Yadegar Asisi bei der Produktion des Konstanz-Panoramas in Berlin.
Der Herr der Bilder: Yadegar Asisi bei der Produktion des Konstanz-Panoramas in Berlin. | Bild: Wolfgang Bager

Er ist ein detailverliebter Perfektionist, der mit ruhiger Stimme sagt, was er wie haben will und der sich ständig bei seinen Fotografen erkundigt, ob sie alles gut im Kasten haben. „Er kümmert sich um jeden einzelnen Bart“, sagt ein Komparse. Ein Assistent hält eine Stange mit einem roten Stoffbündel in die Luft und markiert so den Punkt, zu dem die Menge schauen soll.

Mit Charme und Humor: Asisi dirigiert unaufgeregt

Ob es ein verrutschtes Schultertuch ist oder die Helme, den die reitende Eskorte des Papstes in der Hand statt auf dem Kopf trägt, Asisi entgeht nichts. Die Atmosphäre ist unaufgeregt und entspannt, ein mildes Lächeln und der entwaffnende Humor Asisis sorgen für gute Stimmung am Set.

Wer die Panorama-Bilder für aufgeblasenen Kirmes-Kitsch hält, unterschätzt die Intentionen, die der Künstler, Architekt und ehemalige Hochschullehrer Asisi mit seiner Arbeit verfolgt. Er will die Distanz des Publikums zur Natur, zur Geschichte und zur Politik durch die unmittelbare Erlebbarkeit verringern. Denn es seien doch immer die gleichen Grundprobleme, die die Menschheit über die Jahrtausende hinweg beschäftigen, sagt er.

Mittelalter und Moderne: Kardinalsdarsteller bereiten sich im Studio auf ihren Auftritt vor. Die Stimmung bei der Arbeit in dem ...
Mittelalter und Moderne: Kardinalsdarsteller bereiten sich im Studio auf ihren Auftritt vor. Die Stimmung bei der Arbeit in dem Filmstudio ist konzentriert, aber entspannt. | Bild: Wolfgang Bager

Und schon kommt wieder Leben in den Hangar. Papst Johannes zieht ein und das Volk hat ihm zuzujubeln und ihm zu huldigen. „Wer mag, darf sich auch auf den Boden werfen“, ruft Asisi.

Dafür schmeißt der Heilige Vater auch gern ein paar Goldstücke in die Menge. Das ist gar nicht so einfach für die Fotografen einzufangen. Da muss der Papst schon einige mal tief in den Beutel greifen, bevor die Kamera die Flugbahn der funkelnden Münzen perfekt erfasst hat.

Konstanzer Historiker und Konzilkenner wirkt als Berater

Und wie es der Zufall will, betritt genau zum Einzug des Papstes auch der Historiker, Romanautor und Konzilkenner Henry Gerlach das Filmstudio.

Expertengespräch: Der Konstanzer Historiker und Konzilkenner Henry Gerlach (links) gibt beim Fotoshooting in Berlin Yadegar Asisi (r.) ...
Expertengespräch: Der Konstanzer Historiker und Konzilkenner Henry Gerlach (links) gibt beim Fotoshooting in Berlin Yadegar Asisi (r.) fachkundige Ratschläge. | Bild: Wolfgang Bager

Er wird das Asisi-Team beraten, nicht nur in Fragen historischer Details, sondern auch in vielen Kleinigkeiten des mittelalterlichen Alltags. Dass der Franziskanermönch an seinem Gürtel drei und nicht zwei Knoten trägt, das weiß nur Henry Gerlach, ebenso, dass die Kardinäle noch unbedingt einen Ring tragen sollten.

Während nun in Konstanz an der Rheinbrücke vom Architekturbüro Sauerbruch Hutton für die Schau ein über 40 Meter hoher Zylinderbau zu errichten ist und die Techniker von Yadegar Asisi aus Tausenden von Fotos ein realistisches Bild vom Konzil entwerfen müssen, plant Asisi selbst schon neue Projekte. Blicke in das New Yorker World Trade Center und tief hinein in die Antarktis sind seine nächsten Vorhaben. New York, Antarktis und Konstanz. Da ist das Konzil in guter und prominenter Nachbarschaft.