Benjamin Brumm meint: Wir sind zu Recht ein Vorbild.
Mehr Sicherheit, weniger Stress, bessere Wege, einfachere Erreichbarkeit aller Ziele als in 103 von 106 befragten Städten. Zusammengefasst: In Konstanz macht Radfahren mehr Spaß als in fast allen vergleichbar großen Städten in Deutschland – und zwar für Jung wie Alt.
437 Konstanzer Teilnehmer der Fahrradklima-Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) können sich irren. Sie tun es in diesem Fall aber nicht. Denn man benötigt die Umfrageergebnisse gar nicht, um zum Schluss zu gelangen: In Konstanz kommt man auf zwei Rädern auch ohne (Verbrennungs-)Motor ziemlich gut zurecht, wenn es sein muss selbst im Winter; bei allem Zetern über steigende Rücksichtslosigkeit aller Verkehrsteilnehmer bis zur Schuldzuweisung an Radfahrer, durch ihre mangelnde Vorsicht die Verlegung einer ganzen Buslinie zu verantworten – siehe Fahrradstraße durch Petershausen.
Die Note 3,1 bedeutet in diesem Fall nicht befriedigend, sondern sehr gut. Denn sie zeigt: Konstanz ist ein Vorbild für andere Städte bei der Lösung des Megathemas Mobilität der Zukunft.
Mit Blick auf die steigende Bedeutung des Radverkehrs insbesondere für Stadtzentren, ist Konstanz auch nicht der Einäugige unter vielen Blinden, sondern der frühe Vogel, der den Wurm rechtzeitig angepackt hat.
Es ist erfreulich, dass Konstanz in den Kategorien Komfort oder Sicherheit und beim Gefühl, hier fahren alle Generationen gut und gerne Rad, positiv hervorsticht. Selbst wenn man das Haar in der Suppe suchen und anmerken will, der ADFC und damit auch die Teilnehmer der Umfrage sprechen ein ganz bestimmtes Klientel an, das eher selten mit dem Sportwagen zum nächsten Briefkasten braust.
Viel wichtiger als die bundesweite Gold- und landesweite Bronze-Medaille aber sind die als Stärken genannten Punkte: Angebot öffentlicher Leihfahrräder, Fahrradförderung in jüngster Zeit und Werbung für das Radfahren.
Warum? Weil sie zeigen, dass der Titel "Radstadt Konstanz" mehr als nur öffentlichkeitswirksames Geklingel um einen Zähler an der Fahrradbrücke oder bunte Info-Broschüren ist. Tatsächlich ist es glaubhaft, dass Konstanz damit ein echtes Bekenntnis abgibt, das auch auf die Bevölkerung wirkt. Innerhalb von zwei Jahren sind nahezu alle Werte beim Stellenwert, den das Radfahren in unserer Stadt einnimmt, nach oben geschnellt; bei der Förderung des Radverkehrs gar um eine ganze Note.
Selten genug hat man das Gefühl, dass in Konstanz regelmäßig und gerne in die Zukunft geblickt wird, wo es doch früher so schön und lauschig war. Die Aussagen der mehr als 430 Befragten, hier sei in jüngster Zeit viel für den Radverkehr getan worden, bedeutet aber genau dies: Konstanz richtet den Blick bei der Mobilität nicht länger in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft.
Claudia Wagner meint: Wir haben noch ziemlich viel zu tun.
Dass Radfahren in Konstanz Spaß macht und von Radfahrenden als sicher empfunden wird, dass sich Radfahrer in Konstanz außerdem wertgeschätzt fühlen, sind gute Nachrichten – es sind zudem wichtige Rückmeldungen für die Verwaltung, die in den vergangenen zwei Jahren viel Aufwand in die Verbesserung der Bedingungen für Radfahrer gesteckt hat: Das Radwegenetz wird optimiert, durch die Fahrradstraßen werden Radler gestärkt. Das ist eine sinnvolle Weise, eine klimafreundliche Mobilität zu fördern und zu hoffen, dass die Konstanzer das Auto oft stehen lassen und den Verkehr in der Innenstadt entlasten.
Die Ergebnisse des Fahrradklimatests zeigen, dass die Veränderungen positiv registriert werden. Die ganz große Euphorie ist dennoch nicht angebracht. Zum einen sollte man die erhobenen Daten mit Vorsicht interpretieren, in Konstanz beispielsweise haben 437 Personen an der Befragung teilgenommen – das ist natürlich alles andere als repräsentativ und das behauptet der ADFC auch gar nicht.
Trotzdem sollte sich jeder, der den Fahrradklimatest interpretiert, bewusst sein, dass es Tausende weitere Radfahrer in Konstanz gibt, auch mit abweichenden Meinungen. Ganz zu schweigen von den Autofahrern und den Bürgern, die sowohl Rad als auch Auto nutzen und je nach aktuell ausgeübter Rolle flexibel die Meinung über den jeweils anderen Verkehrsteilnehmer wechseln.
Ein Beispiel für nicht immer nachvollziehbare Bewertungen: Radolfzell beispielsweise liegt in seiner Kategorie bundesweit abgeschlagen auf Platz 73 von 311 Städten. Und ja, es gibt dort die häufig gestellte Touristenfrage „Wo geht’s denn zum Radweg nach Konstanz?“. Aber vergnüglich und mit Spaß Rad fahren lässt es sich auch in Radolfzell und das Sicherheitsgefühl – ganz persönlich eingeschätzt – ist zuweilen größer als bei einer waghalsigen Kurvenfahrt an der Unterführung zur Alten Rheinbrücke in Konstanz.
Eine Stadt, die sich wie Konstanz zur Fahrradstadt entwickelt, muss außerdem auf die Konflikte achten, die um das Thema zwangsläufig entstehen: Je mehr Möglichkeiten es gibt, desto selbstbewusster und schneller werden Radfahrer, das ist in der Petershauser Straße zu beobachten, aber auch im Herosé-Park. Viele Schnellradlermanöver mögen dabei weniger gefährlich sein als sie wirken, tragen aber dazu bei, dass sich Fußgänger und Autofahrer verunsichert fühlen: erstere, weil sie der schwächere Verkehrsteilnehmer sind, letztere, weil sie einen Unfall mit einem Radfahrer nicht verantworten wollen.
Somit ist zur konsequenten Radstadt noch ein ganzes Wegstück zurückzulegen. Es lohnt zweifellos, dieses Ziel weiter zu verfolgen, möglichst, indem man die Sicherheitsbedürfnisse der anderen nicht aus den Augen verliert.