Radfahrer jagen am Seerhein entlang; Läufer hetzen durch den anliegenden Park; der Lärm der vorbeibrausenden Autos schallt von der Europastraße herab: Die Hektik unter der Konstanzer Schänzlebrücke ist an diesem Montagvormittag wie so häufig allgegenwärtig:

Nur eine junge Frau mit rotbraunem Haar verharrt auf einem vierbeinigem Schemel. In der Linken hält sie ein Blatt Papier, das die Abbildung einer Kornblume zeigt. Mit der Rechten führt sie konzentriert einen weichborstigen Pinsel über den Beton eines Pfeilers.

Ihr Name ist Rebecca Klein.

Bild 1: Sie bringt den Beton am Schänzle zum Blühen: Wer ist die Frau, die aus einem Pfeiler ein übergroßes Kunstwerk macht?
Bild: Reinhardt, Lukas

Die Rückkehr an den See

Die Künstlerin ist 29 Jahre alt, beendete vor fünf Jahren ihr Kunststudium in Freiburg und kehrte 2016 zurück an jenen Ort, an dem sie aufwuchs: Konstanz.

„Zuvor habe ich einige Jahre auf biologisch-dynamischen Höfen gearbeitet und mich intensiv mit der Pflanzenwelt befasst“, sagt sie. Dieses Wissen, fährt Rebecca Klein fort, spiegele sich heute in ihrer Kunst wider.

Bild 2: Sie bringt den Beton am Schänzle zum Blühen: Wer ist die Frau, die aus einem Pfeiler ein übergroßes Kunstwerk macht?
Bild: Reinhardt, Lukas

Hier, am Schänzle, wirft sie nun den Pfeiler in ein buntes Blumengewand, der die Wendeltreppe für Fußgänger trägt. Margerite, Kornblume oder Zottelwicke gedeihen so nach und nach auf dem grauen Beton.

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Sie bringt die Natur zurück in die Stadt. „Wir sind umgeben von Pflanzen, die wir gar nicht mehr wahrnehmen“ – das versuche sie mit ihrem Projekt zu ändern. „Zumindest ein Stück weit“, sagt sie, taucht ihren Pinsel erneut in ein Glas voll Wasser und führt ihn zurück auf den Beton.

Blumen auf Beton Video: Reinhardt, Lukas

Andere Motive und andere Werkzeuge

Mit ihrer Kunst durchbricht Rebecca Klein die urbane Grafitti-Welt, die in den vergangenen Jahren unter der Schänzlebrücke entstanden ist.

Denn nicht nur die Motive sind andere, auch ihr Werkzeug hat nichts mit einer Spraydose gemein, wie sie die meisten Straßenkünstler verwenden: Mit Aquarellfarben, etwa 180 in den verschiedensten Abstufungen, pinselt sie die Natur an den Pfeiler.

Bild 3: Sie bringt den Beton am Schänzle zum Blühen: Wer ist die Frau, die aus einem Pfeiler ein übergroßes Kunstwerk macht?
Bild: Reinhardt, Lukas

Das Konzept für ihr Projekt hat Rebecca Klein Anfang dieses Jahre der Stadtverwaltung vorgestellt – und zügig eine Erlaubnis erhalten.

Der Ort, den sie dafür als Freiluftatelier ausgesucht hat, ist in ihren Augen ein besonderer. „Hier herrscht eine ganz spezielle Stimmung, die sich je nach Tageszeit und Publikum ändert“, sagt die 29-Jährige. „Viele Menschen halten, egal ob jung oder alt, und sprechen mich an. In einem Atelier hätte ich diese Form der Begegnung nicht.“

Tatsächlich dauert es nicht lange, da bremst ein vorbeifahrender Mann mit seinem Enkel, steigt vom Rad und betrachtet die Säule mit neugierigem Blick. „Das sieht ja toll aus“, lobt er die Künstlerin und schwingt sich wieder auf seinen Drahtesel.

Bild 4: Sie bringt den Beton am Schänzle zum Blühen: Wer ist die Frau, die aus einem Pfeiler ein übergroßes Kunstwerk macht?
Bild: Reinhardt, Lukas

„Ich weiß nicht, ob ich das alles ohne diesen Zuspruch schaffen würde“

„Ich weiß nicht, ob ich das alles ohne diesen Zuspruch schaffen würde. Aber diese Gespräche geben mir die Kraft und den Mut, mich immer wieder hier hinzusetzen“, sagt Rebecca Klein.

Strich um Strich wächst ihr Werk. Geduld sei eine Tugend, die sie als Künstlerin brauche. Denn noch malt die 29-Jährige am Fuße der Säule. Für ihr Ziel aber, den ganzen Pfeiler zu gestalten, muss sie noch hoch hinaus. „Dafür habe ich dann eine Kletterausrüstung“, sagt sie.

Bild 5: Sie bringt den Beton am Schänzle zum Blühen: Wer ist die Frau, die aus einem Pfeiler ein übergroßes Kunstwerk macht?
Bild: Reinhardt, Lukas

Im Herbst möchte sie fertig werden. „Dann ist es sowieso zu kalt“, sagt Rebecca Klein, lächelt und malt geduldig weiter.