Hatten Heinrich Stracke und dessen Sohn Levin bei ihrer Bewerbung um eine Fortführung des Spektakels noch in Aussicht gestellt, sie wollten eine Erhöhung von Standgebühren vermeiden, müssen Händler nun das Doppelte und mehr bezahlen. Die Stadtverwaltung kann dagegen nichts tun. Sie ist ihrerseits aber mehr als verwundert über Aussagen der Strackes.
Mit diesen Bescheiden hatten Händler nicht gerechnet. Über den Briefen steht "Pachtvertrag", darunter sind die Berechnungen der Standgebühren zu entnehmen. Diese haben es in sich. Dem SÜDKURIER liegen Dokumente vor, aus denen die saftigen Erhöhungen von fast 100 Prozent hervorgehen. Weitere Händler bestätigen diese Gebührensprünge, einige müssen ihren Aussagen zufolge noch tiefer in die Tasche greifen, damit sie wieder Buden zwischen Marktstätte und Stadtgarten beziehen dürfen. Und das, obwohl die Organisatoren andere Signale ausgesandt hatten.
Viele Händler sind verärgert
Heinrich Stracke ist seit 1989 Chef des Konstanzer Weihnachtsmarkts. Er hatte sich mit seinem Sohn Levin auf die öffentliche Ausschreibung hin um den weiteren Betrieb des Budenzaubers beworben. Zwei Konkurrenten wollten den Markt ebenfalls übernehmen. Bei der nicht öffentlichen Vorstellung im Gemeinderat, der ihm später den Zuschlag gab, sagte Heinrich Stracke auf Nachfrage eines Stadtrates: "Wir möchten Preiserhöhungen vermeiden." Nun kommt das Aber: Ausgeschlossen hatte er diese nicht. Was daraus wurde, zeigte sich in den nun versandten Pachtverträgen, die Stracke jedes Jahr aufs Neue mit den Händlern schließt.
Viele von ihnen sind verärgert, enttäuscht, erbost. Zumal sie sich im vergangenen Jahr, als es um die Neuvergabe des Marktbetriebs ging, noch für die Strackes stark gemacht hatten. Sie sammelten tausende Unterschriften und wollten bei der Stadtverwaltung ein deutliches Zeichen setzen: Es soll so weitergehen wie bisher, mit diesen Organisatoren, wie einer der Händler im Gespräch mit dem SÜDKURIER rückblickend zusammenfasst.
Seinen Namen will er allerdings nicht in der Zeitung lesen, wie alle weiteren Gesprächspartner nicht. Warum? Der Stand auf dem Weihnachtsmarkt ist für sie eine wichtige Einnahmequelle, durchaus die einzige im Jahr. Sie fürchten Nachteile für die kommenden zwei Jahre.
Organisatoren rechtfertigen Gebührenerhöhungen
Heinrich und Levin Stracke haben die Genehmigung, bis einschließlich 2019 den Weihnachtsmarkt organisieren zu dürfen. Dann werden die Karten neu gemischt. Manch ein Händler wirft ihnen vor, sie wollten dies bis dahin wirtschaftlich ausnutzen. In die Wettbewerbsausschreibung hatte die Stadtverwaltung den Wunsch vermerkt, dass der künftige Marktchef mit den bisherigen Standbetreibern zusammenarbeiten soll.
Heinrich und Levin Stracke rechtfertigen die Gebührenerhöhungen mit erheblich mehr Beleuchtung auf dem Weihnachtsmarkt 2017, dies setze mehr Personal bei der Installation voraus. Eine Lichterkette koste zwischen 120 und 300 Euro. "Die Kosten für die Dekoration sind enorm", sagt Heinrich Stracke. Für das Programm würden mehr Musikvereine verpflichtet, es gebe ein umfangreiches Kinderprogramm auf dem Schiff, es müsse mehr in die Sicherheit investiert werden wie eine netzunabhängige Beschallungsanlage sowie mehr Aufsichtspersonal.
Verbesserungen des Erscheinungsbilds und des Programms seien notwendig, um gegenüber Mitbewerbern konkurrenzfähig zu bleiben. Grundsätzlich fehlt es dem Konstanzer Weihnachtsmarkt nicht an Besuchern. Rund 500.000 Besucher, so die Schätzungen, schlenderten zuletzt die Buden entlang. Ein Verdienst von Heinrich Stracke, der den Weihnachtsmarkt zu dem gemacht hat, was er ist: ein weit über die Stadtgrenzen hinaus beliebter Magnet, von dem auch die Konstanzer Hotellerie und Gastronomie profitiert.
Langjährige Händler sollen Schlussstrich gezogen haben
Um diesen Anklang aufrecht zu erhalten, müsse er investieren, sagt Heinrich Stracke. Um die Kostensteigerung zu finanzieren, seien die Standgebühren für Kunsthandwerker und andere Anbieter ohne Verpflegung bewusst gering gehalten. Die Beschicker mit profitablem Angebot haben umso höhere Zuschläge erhalten: Wer Glühwein ausschenkt mehr als jene, die nur Essen oder beides ausgeben. Die massive Erhöhung "kann ich nicht an den Kunden auslassen", sagt eine Beschickerin, "es kann nicht sein, dass wir Händler für die Investitionen gerade stehen müssen."
Einer ihrer Kollegen fühlt sich unterdrückt und bedroht, wie er sagt, ein weiterer fasst zusammen: Mitziehen oder mit Konsequenzen leben müssen. Was unter dem Strich ein Ende als Händler auf dem Konstanzer Weihnachtsmarkt bedeutete.
Langjährige Händler sollen selbst einen Schlussstrich gezogen haben, weil sie die Standgebühren nicht mehr aufbringen können – auch nach einer Krisensitzung angekündigte Nachlässe haben nichts geändert. Die Organisatoren können die Aufregung nur bedingt verstehen. Die Preiserhöhung sei "ausgehend von niedrigem Niveau". Sie bestätigen nicht den freiwilligen Rückzug von Händlern, erklären aber: Drei Händlern hätten sie keinen neuen Pachtvertrag vorgelegt.
Als Begründung sagen Heinrich und Levin Stracke, dass sie unter Druck stünden, Neues anzubieten, damit der Markt interessant bleibe. "Es muss eine gute Durchmischung geben", betont Levin Stracke. An Interessenten, um eine Bude zu ergattern, mangelt es nicht: "Wir haben mehr Bewerbungen als Plätze." So werden sie keine Mühe haben, den frei gewordenen Platz für den Konstanzer Glühweintreff zu füllen. Die Strackes wollten ihn nicht mehr. Das bedauert Hakan Öktem und ist "zutiefst enttäuscht", sagt er.
Ende des Glühweintreffs wird hohe Wellen schlagen
Enttäuscht, dass er mit dem Glühweintreff nicht mehr dabei sein darf, enttäuscht über die Art und Weise, wie er das erfahren hat – über einen Brief. In einem darauf eingeforderten Gespräch hätten ihm Heinrich und Levin Stracke mitgeteilt, dass sie fortan selbst einen Stand anstelle des Glühweintreffs betreiben wollten. Gegenüber dem SÜDKURIER sagt Heinrich Stracke: "Der Ersatz bleibt vorerst ein Geheimnis."
Das Ende des Glühweintreffs wird hohe Wellen schlagen. Er galt 21 Jahre lang als nicht wegzudenken auf dem Konstanzer Weihnachtsmarkt.

Bleibt noch die Frage, ob die Stadtverwaltung als diejenige, die den Organisatoren die Sondergenehmigung für den Weihnachtsmarkt erteilt, nichts zur Befriedung des Ärgers tun kann. Nein, denn ihr Verhandlungspartner sind nach Entscheidung des Gemeinderats Heinrich und Levin Stracke. Was diese mit den Händlern ausmachen, entzieht sich der Zuständigkeit des Bürgeramts. Allerdings haben sich Händler im Rathaus beschwert, die Verwaltung ist über die massiven Gebührenerhöhungen informiert; und verwundert über eine Begründung der Strackes.
In einem Brief an die Händler, der dem SÜDKURIER vorliegt, schreiben sie unter Rubrik "kostspielige Forderungen der Stadt" von einer "angekündigten Erhöhung der Sondernutzungserlaubnis in unbekannter Höhe". Im Gespräch mit dem SÜDKURIER ist davon nicht mehr die Rede. Bürgeramtsleiter Hans-Rudi Fischer dementiert: "Die Erhöhung war einschätz- und überschaubar."
In einer öffentlichen Gemeinderatssitzung ging es um die Höhe der städtischen Forderungen und die mögliche Steigerung. Diese beliefen sich auf rund 40 000 Euro und würden maßvoll und analog der letzten Vorjahre (rund drei Prozent) steigen. Der Endbetrag stehe derzeit, so Fischer, noch nicht fest. Er richte sich nach der Anzahl der Veranstaltungstage. Weil diese in diesem Jahr geringer sei, liege die Summe vermutlich unterhalb der 40 000 Euro. Zudem seien die "Mehrkosten für die zentrale Beschallung sowie den erhöhten Securityeinsatz" überschaubar, fügt Fischer hinzu.

Der Konstanzer Weihnachtsmarkt
- Veranstaltung: Der Weihnachtsmarkt findet stets ab dem ersten Donnerstag nach Totensonntag bis 22. Dezember statt. In diesem Jahr ist das ab 30. November. Er ist von 11 bis 20 Uhr, freitags und samstags bis 21.30 Uhr geöffnet. Heinrich Stracke hat den Markt im Jahr 1989 übernommen. Im kommenden Jahr wird der Marktbetrieb ab 2020 wieder neu ausgeschrieben.
- Fläche: Der Weihnachtsmarkt erstreckt sich von der Marktstätte über den Gondelehafen bis in den Stadtgarten hinein. In diesem Jahr muss die Unterführung an der Marktstätte allerdings frei bleiben. Das hat, wie Bürgeramtsleiter Hans-Rudi Fischer erklärt, Sicherheitsgründe. Der Tunnel sei wie ein Nadelöhr und in Gefahrensituationen eine Gefahrenstelle. Etwa zehn Stände, so die Organisatoren, fielen dadurch weg. Sie rechnen mit insgesamt 155 bis 160 Buden.
- Neuerungen: Heinrich und Levin Stracke planen einen Lichterwald im Stadtgarten, der die Fläche vor der Konzertmuschel ausfüllen soll. Gegenüber dem SÜDKURIER kündigen sie ihn für dieses Jahr an, in einem Schreiben an die Händler ist von 2019 die Rede. 2018 soll eine Eisbahn geben, deren Größe die Organisatoren von 900 auf etwa 200 Quadratmeter reduziert haben. Sie war nicht Teil der öffentlichen Wettbewerbsausschreibung und ist von der Stadt noch nicht genehmigt.
- Vergabe: Sobald sich ein zweiter Interessent für eine Veranstaltung im öffentlichen Raum meldet, muss diese von der Stadt ausgeschrieben werden. "Das führt dazu, dass irgendwann nur noch Profistände herumstehen und Konstanzer Vereine keine Chance mehr haben", sagt Gastronom Stefan Müller.