Es ist ein Sonntagmorgen im unteren Saal des Konzils: Mario Hollnsteiner stellt sich mit seinem weißen Cowboyhut und seiner lässig in der Hosentasche eingehakten Hand vor gespannte Line Dancer. Rund 50 Personen haben sich in der letzten halben Stunde seit Öffnung der Konzilspforten schon einmal warm getanzt.
Er möchte ihnen an diesem Vormittag den Tanz "World on Fire" beibringen. Und tatsächlich: Knapp eine viertel Stunde später haben die meisten die kompliziert aussehende Schrittfolge verinnerlicht und tanzen im Gleichschritt zur Musik.
Auf das Ende des Liedes folgt begeistertes Klatschen, strahlende Gesichter fächeln sich atemlos Luft zu. Die Stimmung könnte kaum besser sein – und das wohlgemerkt nach bereits zwei durchgetanzten Tagen. "Das ganze Wochenende ist schon eine Herausforderung, aber noch mehr Spaß! Und die Jüngeren schaffen es auch immer wieder, die Älteren zu motivieren", beschreibt die Tanzmarathon-Teilnehmerin Elke Müller das dreitägige Erlebnis.
Die Reichenauerin ist eine von 800 Line Dancern, die am vergangenen Wochenende von morgens bis spätabends beim Line Dance Festival Konstanz die Tanzflächen des Konzilgebäudes auf allen drei Stockwerken zum Glühen gebracht haben.
Die thüringische Tanzlehrerin Gudrun Schneider schwärmt: "Es ist das Tanzen, das Lachen und dann dieses besondere Gebäude, die eine sehr harmonische Atmosphäre schaffen und weshalb ich auch so gerne immer wieder herkomme." Im oberen Saal leitete sie den Workshop zum Lied "All I am is you" von Jess Glynne.
Aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie aus den Niederlanden und Belgien reisten Line Dancer nach Konstanz, um drei Tage lang zu feiern bis die Sohlen schmerzen, neue Choreografien von internationalen Lehrern zu lernen und sich mit anderen Tanzpassionierte austauschen. "Wir bieten Party Pur in Verbindung mit 13 bis 14 Workshops. Immer eine Stunde Workshop, zwei Stunden Party: Die Tänzer sollen ja nicht nur zum Lernen kommen, sondern auch jede Menge Spaß haben", sagt Werner Greuter über das Festival-Konzept.
Konstanz ist die europäische Hochburg des Line Dance
Zusammen mit Marianne Furth hat er seit 2008 den Konstanzer Line Dance Club mit viel Leidenschaft und Herzblut aufgebaut und in diesem Jahr sogar den Line Dance Star Award für das beste Line Dance Event in Deutschland, Österreich und Schweiz erhalten – und damit Konstanz zur europäischen Hochburg des Line Dance gemacht.
Umso bedeutender ist auch für die heimischen Line Dancer das Festival. Hier messen sie sich am Samstagabend mit einem internationalen "Line Dance Cup" und zeigen bei spektakulären Showauftritten, was sie städte- und länderübergreifend auf das Parkett bringen. Im tänzerischen Vergleich glänzten die Konstanzer in diesem Jahr mit einem dritten Platz in der freien Klasse.
Zu diesen tanzpassionierten Konstanzern gehört auch Elke Müllers Ehemann Josef, der ebenfalls seit dreieinhalb Jahren etwa zweimal wöchentlich zum Line Dance geht. Aus Liebe zur Musik tanzt der 58-jährige Reichenauer seit seinem vierzehnten Lebensjahr Standard- und lateinamerikanische Tänze.
Am Line Dance schätzt er aber besonders die Freiheit und Flexibilität. Er kann gemeinsam mit seiner Frau aktiv und sportlich seine Freizeit verbringen, ist aber tänzerisch in der großen Gemeinschaft nicht auf sie angewiesen: "Das kann meine Frau auch mal alleine machen, wenn ich geschäftlich unterwegs bin. Bei anderen Tänzen ist das schwierig."
Diese Unabhängigkeit von einem festen Tanzpartner und die Basis einer weltweit universellen Line-Dance-Sprache empfindet auch die Konstanzerin Gabi Dörfer als einen der großen Vorteile des Line Dance: "Man muss nicht zusammen trainieren, um gemeinsam tanzen zu können", wie die 55-jährige betont.
Das weiß auch die Konstanzerin Hilde Fezer, die vor sieben Jahren nach einem neuen Hobby gesucht hat, das Tanz und Musik verbindet. Für die 66-jährige ist es jedoch vor allem der Entspannungseffekt, der aus dieser starken Fokussierung auf den eigenen Körper resultiert, der Line Dance zu einer ganz einzigartigen Sportart macht und so einen idealen Ausgleich zum Alltag bieten kann: "Line Dance ist wie Balsam für die Seele. Egal wie man zum Kurs kommt, man geht immer glücklich und relaxt nach Hause, weil man beim Tanzen alles andere hinter sich lassen muss."
Line Dance verbindet die Generationen
Die Motivationen, Line Dance zu tanzen sind zwar unterschiedlich. Fast alle Teilnehmer – egal ob 16 oder 84 – verbindet aber das mitreißende Gemeinschaftsgefühl, ein Teil von etwas Großem zu sein und die Zeit für einen kurzen Moment stillzustellen. In unserem Video hingegen lassen wir die Zeit etwas schneller laufen, um zu zeigen, wie synchron die Tänzer ihrer gemeinsamen Leidenschaft nachgehen.
Auch im nächsten Jahr bringt der Konstanzer Line Dance Club das Konzil am letzten Oktoberwochenende vom 25. bis 27. Oktober zum elften Mal hunderte Menschen zum Tanzen. Die beiden Gastgeber und Organisatoren Werner Greuter und Marianne Furth freuen sich schon jetzt: "Der größte Dank für uns ist, wenn die Leute dieses Wochenende heimgehen und im nächsten Jahr wiederkommen", betont Greuter.