Während eine Etage über ihm Menschen im Wasser planschen, schwitzt Robert Müller unter seiner Gasmaske. Der Cheftechniker der Bodensee-Therme Konstanz arbeitet mit Chlorgas.
Das Desinfektionsmittel, ohne das kaum ein Schwimmbad auskommt, ist sehr giftig – wenige Atemzüge können lebensgefährlich sein. In einem abgeschlossenen Raum überprüft der 48-Jährige eine der schweren Gasflaschen.
Mit einer kleinen Sprühflasche hantiert er an den Ventilen.
Ein stechender Geruch breitet sich aus. “In der Flasche ist Ammoniak”, erklärt Robert Müller. Wenn die Chlorgasflasche undicht wäre, dann würde die beiden Chemikalien miteinander reagieren und sich ein weißer Nebel bilden.
Jetzt gerade bildet sich kein Nebel. Die Flasche ist dicht. Die gefährliche Arbeit, die der Techniker dem Gast hier demonstriert, gehört zu seinem Alltag.
Robert Müller ist der Mann, der im Keller der Bodensee-Therme Konstanz tüftelt, damit für die Besucher an der Oberfläche alles reibungslos läuft.
Schwimmbecken, Thermalbereich oder Sauna: die Technik dahinter steht nie still. Sie läuft 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.
Robert Müller und seine vier Mitarbeiter müssen häufig Nachtschichten einlegen, damit die jährlich etwa 440.000 Gäste bei Sport und Entspannung nicht gestört werden.
Für die Besucher unbemerkt gelangt das Chlor über Leitungen und Düsen in die insgesamt zehn Becken.
Das Desinfektionsmittel tötet Keime wie zum Beispiel Legionellen ab und beeinflusst damit maßgeblich die Wasserqualität.
Mehr als 100 der schweren Chlorgasflaschen verbraucht die Bodensee-Therme im Jahr. Der Raum, der die giftige Chemie beherbergt, kann im Notfall wie ein Hochsicherheitsbunker abgeriegelt werden.
Sollte Chlorgas aus der Anlage entweichen, würde dies ein Messgerät registrieren. Das System schließt den die Tür und alarmiert automatisch die Feuerwehr. Im Eingangsbereich spritzen Düsen Wasser von der Decke. Der Wasservorhang verhindert das Austreten des Gases.
“Die Anlage ist so konzipiert, dass bei einem Chlorgasaustritt keine Gefahr für die Gäste besteht”, sagt Robert Müller. Das Protokoll sehe zusätzlich eine Evakuierung der Bodensee-Therme vor. 20 Jahre arbeitet Robert Müller bereits hier, angefangen hat er im Freizeitbad Jakob.
In den zwölf Jahren Betrieb der Bodensee-Therme Konstanz musste das Bad zweimal für kurze Zeit geschlossen werden. 2016 wegen eines Unfalls mit Reinigungsmitteln. "Da wurde zunächst vermutet, dass es sich um einen Chlorgasunfall gehandelt hat, aber das war nicht so", sagt der Cheftechniker.
Er verlässt den kleinen Raum, zieht sich die Gasmaske aus. Mit einem Tretroller verschwindet Robert Müller im Herzen der Anlage.
Auftritt Jochen Birsner, 57: Er ist der Vater der Technik im Bauch der Bodensee-Therme. “Da kann es oben so schön sein wie es will, ohne das Herz der Anlage geht nichts”, das sind Birsner-Sätze.
Der Betriebsleiter der Bodensee-Therme hat die Technik geplant, gebaut und über die Jahre verbessert – vieles sind Spezialanfertigungen. Der stämmige Mann empfängt und berät Delegationen und Firmen aus Deutschland und dem Ausland.
Jochen Birsner ist sichtlich stolz auf seine Schöpfung. Viele Tausend Rädchen greifen ineinander, mechanisch und digital. Lüftung, Heizung, Wasserkreislauf: Die Anlage arbeitet automatisch.
Jochen Birsner zeigt auf einen kleinen Bildschirm in einem der vielen verschlungenen Gänge im Keller. Redox 822 Millivolt heißt es da.
Die Redoxspannung gibt darüber Auskunft, wie schnell Keime im Wasser getötet werden. “Der Wert ist sehr hoch”, sagt Jochen Birsner. “Die Keime sind schon nach 20 Sekunden vernichtet.” Vorgegeben sind mindestens 30 Sekunden.
Für jedes Becken gibt es ein solches Messgerät, das die Wasserqualität prüft und Zufuhr von Chemie wie unter anderem Chlor automatisch reguliert. “Das ist der Mercedes unter der Messtechnik”, sagt der Betriebsleiter.
Aber auch ein Mercedes will überprüft und genau eingestellt werden.
Mit einem speziellen Test kontrolliert Jochen Birsner den Chlorgehalt. Die violette Färbung ist ein erster Indikator für ausreichend Chlor im Wasser.
Einmal am Tag überprüft das Team, ob die Geräte korrekt eingestellt sind.
“Die Maschine ist nur so gut, wie die Leute, die sie überwachen”, sagt Jochen Birsners Cheftechniker in solchen Momenten. Robert Müller sitzt einige Gänge weiter an seinem unterirdischen Arbeitsplatz.
Das Programm auf dem Bildschirm zeigt den Wasserkreislauf des Thermalaußenbeckens. 500.000 Liter fasst es, etwas mehr als 3000 Badewannen.
Damit die Wasserqualität stimmt, sei natürlich mehr nötig als nur die Zufuhr des desinfizierenden Chlors, sagt Robert Müller. Verunreinigungen wie Haare müssen aus dem Wasser gefiltert werden.
Hierfür wird der gesamte Beckeninhalt von der Oberfläche in den Keller und zurück gepumpt – in gerade einmal anderthalb Stunden. Dazwischen durchläuft das Wasser ein mehrstufiges Reinigungssystem, an dessen Ende drei große rote Filtertürme stehen.
Die roten Ungetüme sind das Einzige, was aus dem alten Freizeitbad Jakob übernommen wurde. In jedem der großen Behälter befinden sich zwölf Tonnen Quarzsand.
Das Wasser wird mit hohem Druck von oben durch den Sand gepresst. Auf dem Weg durch den Sand bleiben auch noch die kleinsten Schmutzpartikel hängen: Hautpartikel und Blütenstaub.
“Das kann man sich wie eine Espressomaschine mit Siebträger vorstellen”, sagt Robert Müller. “Nur dass hier viele Kubikmeter Wasser durchgedrückt werden.” Mehrmals die Woche wird der Sand mit Wasser gereinigt, die zähe Masse aus Schmutz gesammelt und entsorgt.
Neben der Wasserqualität ist die Temperatur entscheidend für das Badevergnügen der Besucher. Nicht irgendeine Heizungsanlage versorgt die Becken mit Warmwasser.
Der riesige Heizungsanlage, die ein bisschen wie eine Raumsonde aussieht, sei eine Spezialanfertigung, erklärt Betriebsleiter Jochen Birsner.
Das Besondere: Der Heizungskessel besteht aus vier Kammern. Jede der Kammern hält verschieden warmes Wasser vor, insgesamt liegt die Temperaturspanne zwischen 30 und 80 Grad.
Von den Kammern gehen isolierte Rohre zu den Becken, die so mit Frischwasser der richtigen Temperatur versorgt werden können. Die Thermalbecken mit wärmerem Wasser als das Schwimmerbecken.
Im Vergleich zu einer herkömmlichen Heizanlage spare dieses Verfahren Energie, sagt Jochen Birsner. "In Bädern in Europa gibt es so eine Anlage nur noch einmal in ähnlicher Form."
Die Technik verbessern und dadurch Kosten einsparen, das ist Jochen Birsners Job. Und der Vater zweier Söhne ist sichtlich stolz, wenn er erzählt, dass sein technisches Baby im Betrieb kostendeckend läuft.
Kommunale Bäder würden ihre Betriebskosten häufig nur zu 50 Prozent einspielen. Lediglich für Abschreibungen und Zinsen müssten die Stadtwerke als Mutterkonzern und die Stadt Konstanz Geld zuschießen, sagt Jochen Birsner.
Heizung, Filtersystem, Chlorgasanlage: Die Technik im Bauch der Bodensee-Therme Konstanz ist Jochen Birsners Vermächtnis.
In etwa fünf Jahren geht der Vater der Anlage in Rente. Bis dahin wird er seine Nachfolge auf ein paar jüngere Schultern verteilt haben – darunter Robert Müller.