Larissa Hamann

Für den Rentner Roman Stasny ist es ein Trauerspiel. Viele Jahre wohnt er inzwischen mit seiner Frau in einer Dreizimmerwohnung in der Schwaketenstraße 106. Seit zwei Monaten nun wird laut und staubig gearbeitet: Die Vermieter-Gesellschaft Vonovia SE bringt die Gebäude in der Schwaketenstraße 98-108 auf Vordermann. Das klingt auf den ersten Blick gut – aber Roman Stasny macht es existentielle Sorgen.

Der Sanierung sollen Mieterhöhungen folgen

Die Vermietergesellschaft hatte ihren Kunden bereits im Frühjahr angekündigt, dass den Sanierungen voraussichtlich erhebliche Mieterhöhungen folgen werden. Nach eigener Aussage zahlt Stasny derzeit 750 Euro Kaltmiete an die Vonovia SE, nach Abschluss der Bauarbeiten soll diese um 199 Euro steigen. Das sind mehr als sechsundzwanzig Prozent, und die bedeuten für das Paar erhebliche Einschränkungen: "Ich allein könnte das nie schaffen", betont der 74-Jährige.

„Konstanz ist seit siebzig Jahren meine Heimat, ich bin hier verwurzelt, Kinder und Enkel leben hier.“
Roman Stasny, Mieter

Um in solchen Lagen die Stellung von Mietern zu verbessern, haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag einen Gesetzesentwurf vereinbart, der die jährlich mögliche Umlage von Modernisierungskosten senken soll – von elf auf acht Prozent. Das gilt für Gebiete, in denen es eine sogenannte Kappungsgrenze bei den Bestandsmieten gibt, Konstanz gehört dazu.

Außerdem soll das neue Umlagegesetz künftig dafür sorgen, dass die monatliche Miete nach einer Modernisierung um nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter Wohnfläche innerhalb von sechs Jahren erhöht werden darf. Am 5. September hat das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht.

Politiker fordern zusätzlich einen "Wucher-Riegel"

Der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Konstanz, Andreas Jung.
Der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Konstanz, Andreas Jung. | Bild: Larissa Hamann

Nach Auffassung von Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Konstanz sowie weiterer Wahlkreisabgeordneter aus Stuttgart und Esslingen, wo Vonovia ähnliche Sanierungen durchführt, reicht das aber nicht aus. Sie sprechen sich in den Verhandlungen für einen "Wucher-Riegel" aus: Sanierungskosten sollen nur so weit umgelegt werden können, dass die Miete auf höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden kann.

„Mieterhöhungen von bis zu 50 Prozent haben nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun. Gesetzliche Regeln, die das zulassen, müssen geändert werden.“
Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter

Vonovia sieht sich im Recht – auch nach den neuen Vorgaben

Nach Angaben der Vonovia SE seien beide neu vorgesehenen Kriterien bereits erfüllt, und auch sonst entspreche das Vorgehen bei der Erhöhung der Mieten geltendem Recht: "Wir legen schon jetzt nicht die gesetzlichen 11 Prozent Modernisierungsanteil um, sondern kappen bereits bei 10 Prozent der möglichen Gesamterhöhung zugunsten unserer Mieter. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich das Vorhaben der Bundesregierung, die Miete nach einer Modernisierung um nicht mehr als drei Euro pro Quadratmeter zu erhöhen", erklärte Denis Gebhardt, Regionalleiter der Vermietergesellschaft und zuständig für das Konstanzer Gebiet, bereits vor Beginn der Baumaßnahmen in einer schriftlichen Mitteilung.

„Vonovia führt keine Luxusmodernisierungen durch.“
Denis Gebhardt, Regionalleiter Vonovia

Die Mieter haben Zweifel

Dennoch zweifeln viele der betroffenen Mieter daran, dass die Baumaßnahmen sinnvoll sind. Größter Streitpunkt sind dabei Dämmungsarbeiten an den Fassaden und der Einbau neuer Fenster. Die Vonovia SE wendet angesichts der Vorwürfe ein, dass sich die Energieeinsparungsverordnung in den letzten 15 Jahren verschärft habe und ein Austausch notwendig sei, um Fördergelder für energetische Modernisierung abrufen zu können.

Ein großer Streitpunkt an den Modernisierungsmaßnahmen der Vermietergesellschaft Vonovia: 15 Jahre alte Fenster sollen entsorgt und ...
Ein großer Streitpunkt an den Modernisierungsmaßnahmen der Vermietergesellschaft Vonovia: 15 Jahre alte Fenster sollen entsorgt und ersetzt werden. Die Mieter zweifeln daran, dass das wirklich nötig ist. | Bild: Larissa Hamann

Auch werde entgegen Gerüchten kein Stryropor zur Dämmung verwendet, sondern Mineralwolle. Das Gewerbeaufsichtsamt habe diese als nicht gesundheitsgefährdend eingestuft.

Bild 3: Wie stark dürfen Mieten nach Sanierungen steigen? In Berlin diskutieren Politiker, in der Schwaketenstraße protestieren Bewohner

Neben der Forderung nach einem "Wucher-Riegel" wollen die Abgeordneten aus Baden-Württemberg auch prüfen, ob Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit einer Sanierung als Voraussetzung dienen können, ob die Kosten umgelegt werden dürfen oder nicht. So soll Missbrauch verhindert werden.

"Mit der Verankerung dieses Wucher-Riegels in Kombination mit bereits vorgesehenen Maßnahmen würden Mieterhöhungen wie bei der Konstanzer Vonovia-Sanierung unmöglich gemacht", erklärte Jung in einer Mitteilung an den SÜDKURIER.

Ob das anstehende Gesetz Konstanzer Mietern überhaupt hilft, ist unklar

Ob das neue Umlagengesetz Konstanzer Vonovia-Mietern tatsächlich noch helfen kann, ist ungewiss. Und seitdem die Mieterinnen und Mieter der Schwaketenstraße 98-108 vor wenigen Wochen ihre Protestplakate wieder abhängen mussten, bleibt ihnen nun nichts anderes übrig als zu warten und weiter zu protestieren. "Wir können nur Ausdauer bewahren. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.", stellt Brigitte Gebauer von der Mieterinitiative resigniert fest.

„Wir tun viel, können aber nur wenig ausrichten.“
Brigitte Gebauer, Mieterin

Die Konstanzer Vonovia-Maßnahmen im Überblick

Seit Ende Juni haben die Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen der Vonovia in der Schwaketenstraße 98-108 begonnen und werden vorraussichtlich bis Februar 2019 andauern. Diese Dinge fallen unter die Sanierung:

  • Eine neue Wärmedämmung an den Außenwänden und an den Kellerdecken
  • Neue Fenster in den Treppenhäusern und den 252 Wohnungen
  • Neue Leitungen – die alten waren durch Legionellen belastet und altersbedingt marode
  • Badezimmer vieler Wohnungen
  • Abschließbare Müllstandplätze, neue Briefkästen und Fahrradstellplätze