Seit drei Jahren steht eine Stele in der Nähe des Blätzlebrunnens in Gedenken an Martin Katschker. Der 17-jährige Auszubildende war dort am 29. August 1970 von einem Konstanzer „Hassbürger“ mit einem Hasentöter erschossen worden. „Hassbürger“ nennt das Bündnis „Konstanz für Demokratie – klare Kante gegen Rechts“ den Täter.

Jürgen Weber, Mitglied des Bündnisses, versuchte am Freitagabend, 29. August, in seiner Gedenkrede vor etwa 50 Anwesenden, die damalige Stimmung in Konstanz wiederzugeben: Der Ort rund um den Blätzlebrunnen sei zu dieser Zeit ein Jugendtreff gewesen, insbesondere für Anhängerinnen und Anhänger der Hippiekultur.

„Um 19.15 Uhr war alles noch friedlich, doch in der Stadt rumorte es schon seit Wochen.“ Vor allem Mitglieder der NPD hätten gegen die „Gammler“ gehetzt, wie sie die Jugendlichen nannten, die sich am Augustinerplatz trafen. „Sie haben sich als Hippie- und Blumenkinder für eine Friedenskultur versammelt“, sagte Weber.

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Martin Katschker sei mit zwei Freunden am frühen Sommerabend auf der Lehne einer Bank gesessen, als sich ein Hilfsarbeiter im Beisein seines zehnjährigen Sohnes mit der Waffe näherte. Um 19.30 Uhr löste sich der tödliche Schuss, dem Martin Katschker eine halbe Stunde später im Krankenhaus erlag, wie Jürgen Weber wiedergab, angeblich, weil der Sohn seinen alkoholisierten, drohenden Vater von den Jugendlichen wegziehen wollte. SPD-Stadtrat Erwin Reisacher habe den damaligen Oberbürgermeister Bruno Helme kritisiert, er hätte eine Bürgerwehr heraufbeschworen.

Stadtarchivar recherchierte zum Tötungsdelikt

Jürgen Klöckler, Historiker und Leiter des Stadtarchivs in Konstanz, hat den Text der Stele verfasst und kam bei seinen Recherchen zum Ergebnis, dass es kein politisch motivierter Mord gewesen sei, sondern fahrlässige Tötung in Tateinheit mit Nötigung. So lautete auch das Urteil des Landgerichts.

Klöckler sieht das Versagen in erster Linie bei der Stadtverwaltung, welche über Wochen geduldet habe, dass „Jugendliche an einem früheren Spielplatz auf dem Blätzleplatz unter schlimmen hygienischen Bedingungen lagerten und die freie Liebe übten“, wie es in einem SÜDKURIER-Beitrag von 2022 heißt.

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Martin Katschkers Tod bleibt tragisch, unabhängig vom genauen Tathergang. Mit der Gedenkfeier möchte das Bündnis allen Opfern rechter Gewaltverbrechen Aufmerksamkeit schenken. Jürgen Weber warnte vor der erstarkenden AfD, die auch in der Region mit gewaltbereiten rechtsradikalen Verbindungen in Kontakt stehe.

„Allen muss klar sein: Wer AfD wählt, wählt rechte Gewalt.“ Gemäß der Amadeu-Antonio-Stiftung findet alle zwölf Minuten eine rechtsradikale Straftat in Deutschland statt. In Erinnerung an Martin Katschker legte Hille Hackenfort vom Bündnis einen Blumenstrauß an der Stele nieder.