Seit Stunden kämpfen mehr als 220 Einsatzkräfte gegen die Flammen in der Zollernstraße 10. Schier unerträgliche Hitze schlägt ihnen entgegen und sie müssen extreme körperliche Leistungen in ihrer schweren Schutzausrüstung erbringen. Feuerwehrleute stehen in ihrer Atemschutzausrüstung auf der Drehleiter mitten im giftigen Brandrauch und geben alles in ihrer Kraft stehende, um zu retten, was zu retten ist.

Kühlendes Eis für trockene Kehlen
Anne Pesaro ist an diesem Donnerstagmorgen, 25. Juli, schon früh in ihrem kleinen Laden. Es ist ein Eis-Straßenverkauf in der Zollernstraße. „Ich wusste, was passiert ist“, sagt Anne Pesaro. Sie hätte daheimbleiben können. Ist sie aber nicht.
Keinen Gedanken hat sie an diese Option verschwendet. Mit ihrer kleinen Kaffeemaschine kocht sie Kaffee für die Feuerwehrleute und alle anderen am Einsatz beteiligten Kräfte und verteilt Eis. Kühlendes, erfrischendes Eis, das den Kehlen der Retter einfach nur guttut.

Warum tut sie das? „Als Dankeschön“, sagt sie schlicht und fügt an: „Man muss doch dankbar sein, wenn geholfen wird. Sie haben doch Enormes geleistet.“ Es ist schließlich eine Extremsituation ungeahnten Ausmaßes, gegen die rund 220 Einsatzkräfte ankämpfen, ohne zu wissen, wie lange es dauern, geschweige denn wie es enden würde.

Schweißgebadet und fix und foxi
„Sie waren fix und foxi, schweißgebadet, müde, gestresst von der Situation“, schildert Anne Pesaro im Nachhinein. Immer wieder machten einzelne Menschen Pause. „Sie saßen da und haben das Gebäude angeguckt“, berichtet sie.
Wenn man kurz zur Ruhe kommt, dann kommen die Gedanken, meist viele auf einmal. Dann realisiert man erst, was gerade passiert: Das Ausmaß, die Parallele zum Altstadtbrand 2010, ohne zu wissen, welchen Ausgang dies alles nehmen wird.

„Sie haben sich so gefreut über Kaffee und Eis, wie kleine Kinder“, erzählt Anne Pesaro. „Sie haben gesagt, ich soll alles aufschreiben und eine Rechnung schicken.“ Die Konstanzerin schüttelt den Kopf: „Das mach ich doch nicht.“ Für sie ist diese Art der Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft eine Selbstverständlichkeit. Punkt.
Bedient euch gerne
Sie ist nicht die Einzige, der es ein Anliegen ist, die Einsatzkräfte zu unterstützen. Vor der Bäckerei Brotalgut in der Salmannsweilergasse steht ein Tisch mit Backwaren. Auf einem Schild steht: „Kaffee & Brot für hungrige Helfer*innen, Einsatzkräfte & Co. Bedient euch gerne.“
Der Laden selbst hat geschlossen, auch wenn die Tür offensteht. Im Innern ist Nora Ridder zugange. „Ich war schon um 6 Uhr da, weil ich eine Mehllieferung erwartet hatte“, berichtet sie. Auf dem Weg zu ihrem Geschäft hat sie vom Münsterplatz schon gesehen, dass ein Einsatz läuft und gefragt, was los sei. „Das war ein Schock für mich“, stellt sie fest.

Drei junge Frauen hatten erst vor einem Jahr das Möbelgeschäft von Sörensen übernommen. „Als Selbständige ist man emotional dabei. Da hat man tiefes Mitgefühl und denkt nur: Hoffentlich kommen die Betroffenen gut durch“, schildert sie, noch unter dem Eindruck der Geschehnisse stehend.
Auch Nora Ridder sieht, welche enormen Leistungen die Einsatzkräfte erbringen. „Es ist selbstverständlich, zu helfen“, sagt sie nur. Und deswegen stellt sie Kaffee und Brote vor die Türe, immer und immer wieder. Fotografiert werden, will sie nicht. Sie will nicht im Mittelpunkt stehen, das sollen in allererster Linie die Einsatzkräfte und die Betroffenen, die der Hilfe bedürfen.


Rückhalt der Bevölkerung gibt Kraft
Mittlerweile ist es schon später Nachmittag von Tag eins des Großeinsatzes. Fabian Daltoe, Pressesprecher der Feuerwehr Konstanz, hat sich gerade kurz hingesetzt. Die Müdigkeit ist ihm ins Gesicht geschrieben. Seit der Alarmierung um 1.22 Uhr ist er im Einsatz.
Endlich mal Zeit zum Durchatmen und zum Reflektieren. Schon erzählt er von diesen wertvollen, kleinen Dingen. Diese Unterstützung aus den Reihen der Bevölkerung, von Anne Pesaro und den vielen anderen, die sie mit Essen und Getränken versorgt haben. „Das war echt cool. Wir haben uns sehr gefreut“, sagt Fabian Daltoe.

Viereinhalb Tage später heißt es endlich: Feuer schwarz – das bedeutet: alles gelöscht – und die Feuerwehr kann endlich abrücken. Fabian Daltoe hebt erneut hervor, dass im Laufe des viereinhalbtägigen Dauereinsatzes immer wieder Bürger vorbeikamen und Croissants und vieles mehr mitbrachten.
Er ist dafür sehr dankbar, so wie alle anderen Einsatzkräfte auch. Die Dankbarkeit bezieht sich nicht allein auf das, was gegeben wurde, sondern vor allem die moralische Unterstützung, die damit verbunden ist. Und genau sie gibt die Kraft, um weiterzumachen, in solchen Momenten, wo nicht absehbar ist, wie lange der Großeinsatz noch dauern wird.