Freudiges Hundegebell ist auf dem Bodanrück zu hören. Die acht Huskys können es kaum erwarten, bis Andreas Stocker, ihr Rudel-Chef, sie behutsam aus den Transportboxen trägt und einem nach dem anderen das Geschirr anlegt.
Die Vorfreude ist den Hunden anzumerken. Andreas Stocker steigt in den Wagen und plötzlich sind die Hunde ruhig. Sie wissen genau: Gleich geht‘s los. Gleich dürfen sie rennen. Sie sind konzentriert. Dann sagt Stocker nur „Go!“ und die vierpfotigen Wettkampfsportler rennen los.
Andreas Stocker wollte schon als Kind einen Hund, seine Eltern aber waren dagegen. Seinen Traum erfüllte er sich letztlich selbst. Am 7. Dezember 1991 bekam er seinen ersten Rüden namens Pala und Stockers Leben änderte sich gewaltig. Rasch hat er gemerkt: Ein Hund allein geht nicht.
Huskys sind Rudeltiere. Bald folgte also Husky Nummer zwei. Artgerechte Tierhaltung ist Andreas Stocker schon immer das Wichtigste gewesen. Wie aber kann ein Mensch den intelligenten Huskys, die Herausforderungen lieben und vor allem viel Bewegung brauchen, gerecht werden?
Von einer Versuchsreihe und der rettenden Lösung
„Beim ersten Hund habe ich es mit dem Fahrrad versucht“, erzählt Andreas Stocker. „Dann habe ich mir Inliner gekauft, aber keiner konnte mir sagen, wie man bremst.“ Immer in eine Wiese zu fahren, war nicht der Clou. Andreas Stocker stieg auf Rollschuhe um. „Das hat halbwegs funktioniert“, stellt er fest. Aber nur bis zu jenem Zeitpunkt, als eine Achse brach.
Die zündende Idee für die ideale Husky-Beschäftigung bekam Andreas Stocker im Gespräch mit einem anderen Züchter, der selbst Hundeschlittenrennen fuhr. Er lieh sich einen weiteren Hund, trainierte, startete 1995 mit drei Hunden in der Vier-Hunde-Klasse und gewann.
„Dann war ich ein wenig angefixt und habe mir regelmäßig Hunde ausgeliehen“, sagt Stocker, der über eine eindrucksvolle Pokalwand verfügt, und schmunzelt. Die Siege sind ihm nicht wichtig. Ihm geht es in erster Linie um seine Tiere und den Spaß am gemeinsamen Sport.

Fordern, aber nicht überfordern lautet das Credo. Die Mannschaft trainiert nur alle zwei bis drei Tage. „Man darf nicht zu viel machen. Die Kraft muss dosiert eingesetzt werden. Die Trainingspausen sind wichtig, damit sich die Muskulatur der Hunde erholen kann – wie bei Spitzensportlern auch“, beschreibt Andreas Stocker.
Die zehnköpfige Rasselbande liegt dann nicht einfach nur tatenlos in ihrer Freiluft-Hundewohnung, die Stocker selbst gebaut hat. Sie ist mit Höhlen und Aussichtsplattformen ausgestattet. Auch auf unterschiedliche, Husky-gerechte Bodenbeschaffenheit hat er geachtet.

Das zehnköpfige Rudel will beschäftigt sein
Spiel, Spaß und Spannung ist jeden Tag stundenweise im Garten angesagt. Die Hunde sausen dann über die Wiese, balgen sich nach bester Hundemanier bis Andreas Stocker mit einem nicht laut ausgesprochen Wort, die Meute zu sich ruft. Kadavergehorsam ist ein Fremdwort, durch Vertrauen erworbener Respekt hingegen die Grundlage für das Miteinander von Mensch und Tier.
Dann ist eine Runde Frisbee angesagt. Die Huskys sprinten los und der Schnellste und Pfiffigste bringt die Scheibe wieder zurück zum Chef, der dann zu einer anderen Disziplin übergeht: Leckerle-Suche – die ideale Beschäftigung für die Spürnasen. „Das strengt sie richtig an“, schmunzelt Stocker.

Andreas Stocker als Rudel-Chef kennt jeden seiner Hunde ganz genau, dessen Charakter, seine Talente und Vorlieben. Zum Beispiel der 15-jährige Scotty, der seit sieben Jahren in „Frührente“ ist, wie Stocker formuliert.
Frührente heißt, aus gesundheitlichen Gründen ist er kein aktives Mitglied der Mannschaft mehr, wird aber gehegt und gepflegt, bis irgendwann der Tag X kommt. „Sein Spitzname ist Bohrer“, verrät er und erläutert: „Er liebt frischen Schnee. In den steckt er dann seine Nase und durchpflügt ihn.“
Mit Einfühlungsvermögen und Vertrauen
Zurück zum Hundeschlitten-Sport. Was fasziniert Andreas Stocker? „Nach dem Start hört man nur das Hecheln der Hunde und das Zischeln vom Schnee“, beschreibt er das faszinierende Naturerlebnis. Hundeschlittenrennen fordern Tier und Mensch gleichermaßen – körperlich und geistig, denn hohe Konzentration und Achtsamkeit ist erforderlich.

Andreas Stocker dirigiert seine Huskys mit viel Empathie. Nur kurze Kommandos sind nötig. Das Heikle, wofür viel Gefühl und durchaus auch Kraft von Nöten ist, ist das sanfte Anbremsen, aber so, dass die Hunde keinen Ruck verspüren. „Und man muss sich immer dem langsamsten Hund anpassen“, stellt Andreas Stocker fest.
Wichtig ist – wie bei jeder Mannschaftssportart – die Team-Zusammenstellung. „Der Leithund ist das A und O“, betont Andreas Stocker. „Der Leithund ist jener, der am meisten Rudelverhalten zeigt. Er ist in der Regel nicht der Chef. Er muss dominant und gleichzeitig empfänglich sein, darf sich aber dennoch nicht beeinflussen lassen. Die Erfolge stehen und fallen mit dem Leithund.“ Das Problem aber sei, dass Hunde mit einem derartigen Eigenschaften-Mix selten zu finden seien.

Jeder Hund hat seinen eigenen Charakter und sein individuelles Talent und werde auf der dementsprechenden Position eingesetzt. „Hinten habe ich am liebsten große Hunde, die gerne ziehen. In der zweiten Reihe braucht man Hunde, die gerne jagen, und in der ersten Reihe welche, die schnell sprinten und psychisch gefestigt sind“, erklärt der Talent-Scout, der alles daran setzt, dass seine Hunde bis ins hohe Alter gesund sind, denn die Tiere sollen ein schönes, erfülltes Leben haben.

Das Training nimmt Stocker immer zum Herbst auf, denn im Sommer ist es zu heiß für die Tiere. „Sie können nur über Zunge und Pfoten Hitze abgeben“, erklärt er. Trainingsstrecken seien rar, denn „wegen der Radler sind die meisten Wege geteert“, so Andreas Stocker, und Teer ist gar nichts für Hundepfoten.
„Wir sind deshalb auf Waldwege angewiesen“, stellt er fest. Trainiert wird frühmorgens, denn da ist es am kühlsten. Die Rehe vom Bodanrück kennen die Sportmannschaft schon gut. Angst haben sie keine. Im Gegenteil: „Manchmal laufen sie parallel neben uns her“, erzählt er.
Natürlich kommt zum Training kein Schlitten in Frage, sondern ein Wagen mit Rollen, was ein klein wenig an römische Wagenrennen der Antike erinnert. In der ersten Phase wird mit zwei Personen – also mit erhöhtem Gewicht – gefahren, denn Muskelaufbau ist das Ziel.
Ab Ende Dezember fährt nur noch Stocker selbst. Dann geht es um Schnelligkeit, denn die Litzelstetter Mannschaft fährt in der Kategorie Sprint. „Es ist toll, mit acht Hunden zu fahren“, sagt Andreas Stocker. Das tut er nicht immer. Es kann auch sein, dass er nur mit sechs oder vier Hunden fährt – je nach Fitness-Grad der bellenden Spitzensportler. Denn eines hat für Andreas Stocker oberste Priorität: „Dass es Fun ist für die Hunde.“