Mit einer scheinbar harmlosen Frage habe es begonnen, erzählt der Angeklagte. Der heute 22-Jährige war gerade in einer Konstanzer Diskothek an der Max-Stromeyer-Straße feiern, sitzt jetzt im benachbarten „Tivoli“, möchte noch etwas essen. „Willst du eine Zigarette von mir haben?“, kommt das spätere Tatopfer plötzlich zu seinem Tisch. Die Männer kennen sich, doch der Angeklagte misstraut ihm und lehnt den Tabak ab: „Er wollte mich damit nur herausfordern.“
Das provoziert sein Gegenüber, sie streiten, schließlich verlassen sie das Restaurant. Und dann verliert der Angeklagte die Kontrolle über sich. Mit einem Freund greift er das Opfer an, ihre Schläge treffen das Gesicht – so schildern es die mutmaßlichen Täter. Sie haben Glück: Der Mann erholt sich von den Verletzungen, hätte aber auch ein Auge verlieren können.
Nun hat das Amtsgericht Konstanz über den Fall von gefährlicher Körperverletzung verhandelt. Der 22-jährige Lette und der 23-jährige Deutsche sollen ihr Opfer im September 2023 angegriffen haben. Dem 23-Jährigen warf die Staatsanwaltschaft zudem die Bedrohung seiner Ex-Freundin vor: Sie wollte einen Chatverlauf veröffentlichen, in dem sich die Angeklagten über die Tat unterhalten.
Man kennt sich in diesen Kreisen – der Angeklagte weiß, wer an diesem Abend im „Tivoli“ vor ihm steht. „Er provoziert und beleidigt gerne“, sagt der 22-Jährige, eigentlich wollte er ihm aus dem Weg gehen. Doch nach der ausgeschlagenen Zigarette habe der Mann ihn weiter beleidigt, beide sind alkoholisiert. Der Streit schaukelt sich hoch.
Angeklagter sitzt in U-Haft
Zuvor ruft er aber noch den anderen Angeklagten an. Sagt ihm, dass es Probleme gibt. Sein Freund ist da gerade im „Grey“, erzählt er, konsumiert dort Alkohol und Kokain. Schließlich kommt er dazu: Auch er kenne das spätere Tatopfer, aus einer Haftzeit: „Ich saß mit ihm in einer Zelle, ich habe ihn damals unter meine Fittiche genommen.“ Im Prozess trägt er wieder Hand- und Fußfesseln; er sitzt aktuell in Untersuchungshaft.
Zunächst gibt der 23-Jährige dem Opfer eine „kleine Ohrfeige“, „damit er sich beruhigen soll“. Der Streit verlagert sich nach draußen, dort schlagen sie brutaler zu, zielen auf das Gesicht. „Das hätte ich nicht machen sollen, da habe ich mich leiten lassen“, sagt der Jüngere der beiden. Das Opfer erleidet einen Jochbein-Bruch, muss operiert werden. Der Mann kann sich bei dem Prozess selbst nicht zur Tat äußern: Er wurde nach Italien abgeschoben – es wäre aufwendig, ihn für den Prozess zurückzuholen. Um das zu vermeiden, haben sich die Beteiligten vorab auf eine Verständigung geeinigt, mit einem Strafrahmen von sechs bis zehn Monaten Haft.
Im September 2024 kommt es zu der Bedrohung, für die sich nur der 23-Jährige verantworten muss: Seine Ex-Freundin verschafft sich Zugang zu seinem Instagram-Konto, zu den Chat-Verläufen. Darunter ein Audio über die Tatnacht: Es wird gelacht, das Opfer verhöhnt: „Ey, meine Hand tut so weh davon“. Von der vermeintlichen Reue der Angeklagten ist hier nichts zu spüren. Ein Beweisstück, das er nicht in den Händen der Justiz sehen will – er droht ihr: „Ich würde mich mal fragen, wie es ist, wenn man nicht mehr laufen kann.“
„Ich hoffe, dass mein Sohn nicht so wird wie ich“
Der 23-Jährige kommt aus prekären Verhältnissen, wurde von seinen Eltern „herumgeschoben“, sein Vater ist Teil eines Rocker-Clubs. Mit zwölf konsumiert er zum ersten Mal Alkohol und Cannabis, in der Jugend habe er sich „das Gehirn weg gekokst“. Zwei Tage vor der Verhandlung sei er Vater geworden – er ist sichtlich gerührt, möchte sich bessern: „Ich hoffe, dass mein Sohn nicht so wird wie ich.“
Er musste schon langjährige Haftstrafen absitzen, ist vielfach vorbestraft. Auch bei dem Letten liegen Delikte wegen Beleidigungen und Körperverletzungen vor: Doch er verspricht Besserung, hat einen festen Beruf und führt eine Beziehung, wirkt reflektierter. Sein Verteidiger Jürgen Derdus betont diesen Lebenswandel und die Bereitschaft zum Geständnis. Die Anwältin des anderen Angeklagten, Yvonne Knaus, kennt diesen schon als Kind: „Er ist mit Gewalt, Prostitution und Drogen aufgewachsen – alles, wovor wir unsere Kinder schützen möchten“.
„Es ist eine Erklärung für ein solches Handeln, darf aber trotzdem nicht dazu führen“, sagt Richterin Barbara Fischer-Muermans. Sie verurteilt den 22-jährigen Letten zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einem Schmerzensgeld von 2000 Euro. Sein 23-jähriger Freund erhält neun Monate Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung. Bei ihm sieht das Urteil keine Bewährung vor, zu schwer wiegen die Vorstrafen.