Direkt am Feuer ist es angenehm warm, die Kollegen stehen im Rund und wärmen sich, trinken Kaffee und plaudern – für die meisten ist es ein entspannter Tag. „Ich hätte heute eigentlich frei, unterstütze aber die Kollegen“, sagt Achim Schütte.
Gemütlich und entspannt, das kommt bei den Busfahrern der Stadtwerke Konstanz im Berufsalltag sonst selten vor, vielleicht haben sie deshalb ihren Streikposten so liebevoll eingerichtet. Mit der Gewerkschaft Verdi kämpfen sie bundesweit für einen neuen Manteltarifvertrag und in Konstanz für bessere Arbeitsbedingungen.
Es sind die Umstände ihrer täglichen Arbeit, die die Busfahrer in den Frust treiben. Der Straßenverkehr, die Ampelanlagen, die Fahrgastverdichtung, die Fahrgäste. „Der Verkehr hat sich verschlimmert, man muss extrem auf Radfahrer achten, die sich häufig nicht an Verkehrsregeln halten“, sagt Sven Behling, der seit 2012 bei den Stadtwerken als Busfahrer tätig ist.
Einer seiner Kollegen weist darauf hin, dass es häufig auch an der nötigen Wertschätzung mangele. Die Fahrer wünschen sich freundliche Fahrgäste, und „dass man nicht wie ein Objekt behandelt wird“, sagt einer von ihnen. Seit der Pandemie habe der Anstand stark nachgelassen. „Und in jüngster Zeit spürt man die Unzufriedenheit in der Bevölkerung.“
„Wir wollen ja pünktlich ankommen“
Zum Teil hängen die Probleme, die den Busfahrern zu schaffen machen, zusammen. „Wir wollen unsere Arbeit ja gut machen, wir wollen pünktlich ankommen“, sagt Ramon Kluge. Das aber werde durch eine Vielzahl von Faktoren verhindert. An vielen Haltestellen dauere die Ein- und Aussteigezeit wegen der höheren Wohndichte in Konstanz inzwischen deutlich länger. Mehr Fahrgäste nutzen den Stadtbus auch wegen des Deutschlandtickets. Alleine deshalb kämen Verspätungen zustande – das wiederum ärgert die Fahrgäste und sie reagieren mit Ärger und Verdruss.

Ein weiteres Thema, das die Busfahrer bewegt: die Ampelschaltungen. Technisch ist es Busfahrern möglich, eine Ampel am Ende einer Busspur über GPS zu beeinflussen, so dass sie schneller auf Grün schaltet. „Das funktioniert in Konstanz aber so gut wie nirgends“, erläutert Sven Behling. Die Stadtwerke seien hierzu im Gespräch mit der Stadt, doch es heiße immer wieder, die Ampelschaltungen seien veraltet, es sei teuer, sie zu ersetzen. Auch dies ärgert die Busfahrer, zumal diese Technik in Mannheim, Mainz oder Freiburg gut funktioniere und den Fahrern Luft verschaffe.
Personalmangel verschärft das Problem
Der allgemein bekannte Personalmangel, den die Stadtwerke selbst nun bereits mehrfach thematisierten, hilft den Fahrern auch nicht weiter. Sie wissen um die Not ihrer Kollegen, die aus anderen Bundesländern angeworben werden, hierher kommen und versuchen, eine Wohnung zu finden. „Manche geben noch vor ihrem ersten Diensttag auf, wenn sie begreifen, wie teuer die Wohnungen sind“, berichtet einer der Männer. Darauf reagiert das Unternehmen mit Linienkürzungen. „Das bedeutet, dass auf zwei Linien jeweils ein Bus weniger fährt“, erklärt Rouven Hess. „In den anderen Bussen auf diesen Linien haben wir dann wieder mehr Fahrgäste.“

Gewerkschaftssekretärin Gabriele Fieback sieht deshalb die Entlastung der Busfahrer als wichtigstes Ziel der zu beginnenden Manteltarifverhandlungen. „Ganz wichtig ist, dass die Schichtzeiten der Busfahrer begrenzt werden. Theoretisch dürfen die Fahrer bis zu 14 Stunden im Dienst sein, hier in Konstanz zum Glück nur bis zehn oder elf Stunden“, sagt sie. Eine Hauptforderung sei, dass die maximale Schichtzeit auf etwa neun Stunden begrenzt werde.
Achim Schütte gehört zu jenen, die schon lang dabei sind. Seit 2014 dreht er mit dem Bus seine Runden in Konstanz, manchen Arbeitskampf hat er schon erlebt. Eine gewisse Resignation kann er nicht verbergen. „Mir ist wichtig, dass es zu einer Einigung kommt. Es dauert ewig, bis sich etwas ändert. Und zu oft werden die Konflikte auf unserem Rücken ausgetragen.“ Gut erinnert er sich daran, wie er die ersten drei Jahre seiner Tätigkeit den Bus gefahren habe, mit Stolz und auch mit Spaß. Von diesen Gefühlen sei leider wenig übrig geblieben.
Einen Stadtteil weiter ist es an einem der belebtesten Plätze der Stadt merkwürdig still. Immerhin, zwei Fahrgäste sitzen geduldig auf der Holzbank der Bushaltestelle beim Zähringerplatz – und haben doch vom Streiktag mitbekommen. „Wir fahren mit der Linie 908 nach Kreuzlingen“, erklärt David Melzer, Student an der HTWG. Die Buslinie, die in die Schweiz fährt, ist die einzige, die am Streiktag verkehrt.

David Melzer ist unschlüssig, was er vom Streik der Busfahrer hält. „Die Fahrer haben einen Grund, warum sie das tun. Bei Tarifverhandlungen dauert es bekanntlich lang, bis auch etwas auf dem Konto des einzelnen ankommt.“ Andererseits sei es gerade für Studierende oder für ältere Menschen schwierig, an einem Streiktag an den jeweiligen Zielort zu kommen. „Wir haben im Moment Prüfungen an der HTWG. Da ist es schon sinnvoll, wenn man mit dem Nahverkehr ans Ziel kommt“, meint Melzer.

Ansonsten fühlt sich David Melzer wenig von den vermehrten Streiks bei der Bahn und in anderen Bereichen beeinflusst. „Man spürt allerdings die kollektive Unzufriedenheit, die durch die Streiks zum Ausdruck kommt.“
Auch der Fährebetrieb steht still
Ebenso wenig wie die Busse verkehrt an diesem Freitag die Fähre zwischen Konstanz und Meersburg. Die Stadtwerke hatten die Fährependler über ihre App und auf der Homepage über den Streik informiert, auch der SÜDKURIER hatte berichtet.
Dennoch erreichte die Information nicht alle Fahrgäste. Die Stadtwerke hatten zudem ein Schiff der Bodensee Schiffsbetriebe (BSB), die MS Überlingen, vom Konstanzer Hafen aus eingesetzt, um Pendlern mehrfach an diesem Freitag eine Überfahrt zu ermöglichen.