Seit einigen Wochen ist das Schänzle am Konstanzer Seerhein in Verruf geraten. Vor allem an Wochenenden, wenn denn das Wetter dazu einlädt, ist dieses herrliche Areal Schauplatz von Feierlichkeiten, die nicht selten ausufern.

Zumeist Jugendliche und Heranwachsende machen hier die Nacht zum Tag. Anwohner beschweren sich über ohrenbetäubende Musik, ihre Hecken werden gerne als Toiletten benutzt und am Tag danach ist der Boden übersät mit Scherben, leeren Flaschen und anderem Müll.

Selbst bei eher durchwachsenem Wetter genießen die Menschen das Schänzle.
Selbst bei eher durchwachsenem Wetter genießen die Menschen das Schänzle. | Bild: Schuler, Andreas

Doch wer sind die Menschen, die hier so gerne feiern? Wie sehen sie die Diskussionen, die in der Regel über sie, selten aber mit ihnen stattfinden? Was sagen sie zu Lärmbelästigung und Müllbergen? Nicht alle möchten mit Journalisten reden.

Vier Männer liegen am frühen Samstagabend auf der Wiese neben dem Sportplatz. Sie trinken Bier, hören Musik. Interviews wollen sie nicht geben. „Es geht doch immer nur gegen die Jugend“, lautet ihre Begründung. „Die Anwohner und die Polizei haben kein Verständnis für uns. Wir wurden viele Monate weggesperrt und jetzt sollen wir auch noch brav zu Hause bleiben. Als ob die niemals jung waren.“ Mehr sagen sie nicht.

Mit Bongos in den Sonnenuntergang

Auch die Bongo-Trommler, die bei schönem Wetter bei Sonnenuntergang mit exotischen Rhythmen die Menschen begeistern, haben kein Interesse an einem Interview mit der Zeitung: „Wir wollen einfach nur Spaß haben und bitten um Verständnis“, sagt einer. In der Nacht auf Sonntag spielten sie bis weit nach 22 Uhr, dem Beginn der gesetzlichen Nachtruhe.

Gute Freunde: Josepha Stolz (von links). Saskia Pawelleck, Johannes Schulz, Elias Feist und Medea König.
Gute Freunde: Josepha Stolz (von links). Saskia Pawelleck, Johannes Schulz, Elias Feist und Medea König. | Bild: Schuler, Andreas

Medea König (19), Saskia Pawelleck (20), Josepha Stolz (20), Elias Feist (20) und Johannes Schulz (20) hingegen freuen sich, dass sie gehört werden und ihre Meinung kundtun dürfen. Die fünf gebürtigen Konstanzer, die entweder studieren oder eine Ausbildung absolvieren, verbringen den Samstagabend wie so oft hier am Schänzle.

Sie haben Getränke und Verpflegung mitgebracht und es sich direkt neben der Kante, von wo aus die Treppen ins Wasser führen, gemütlich gemacht. Die fünf Freunde spielen Karten, lachen viel, reden über Gott und die Welt. „Irgendwo müssen wir ja hin“, antworten sie auf die Frage, warum sie gerade hier den Abend verbringen. Johannes Schulz sieht es ganz pragmatisch: „Wenn nicht hier, dann eben woanders.“

Johannes Schulz.
Johannes Schulz. | Bild: Schuler, Andreas

Klein Venedig ist derzeit keine wirkliche Alternative für sie. „Wenn alle von hier dorthin gehen würden, wäre es dort überfüllt“, vermutet Elias Feist. „Ich denke, wenn die Clubs wieder öffnen dürfen, hat sich das Problem weitgehend erledigt.“

„Das muss man aushalten können“

Über den Seerhein kommt Musik von einer Hochzeitsfeier neben dem Gebäude der Wasserschutzpolizei. „Ich finde, dass muss man aushalten können. Auch als Anwohner“, sagt Saskia Pawelleck. „Klar, nach 22 Uhr sollte es ruhiger sein. Doch bis dahin ist Musik doch in Ordnung.“

Saskia Pawelleck
Saskia Pawelleck | Bild: Schuler, Andreas

Aber sie hat auch jede Menge Verständnis für die Menschen, die hier wohnen: „Ich denke, es ist respektlos, wenn nachts die Musik laut aufgedreht wird, sodass die Anwohner nicht schlafen können.“ Auch der viele Müll am nächsten Morgen stößt ihr bitter auf: „Das geht gar nicht und wirft auf alle, die hier sind, ein schlechtes Licht.“

Als sie von der Hecke hören, die nachts als Toilette für die großen und kleinen Geschäfte oder als Ablagefläche für Tampons oder gebrauchte Kondome missbraucht wird, verdrehen sie angeekelt die Augen. „Wer so etwas macht, ist nicht mehr normal“, sagt Saskia Pawelleck. „Da habe ich volles Verständnis für die Anwohner. Das ist widerlich.“

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„Nicht alle über einen Kamm scheren“

Was die fünf jungen Menschen jedoch ärgert, ist die Pauschalisierung in der Diskussion. „Es können doch nicht alle über einen Kamm geschoren werden“, findet Josepha Stolz. „Klar gibt es Gruppen hier, die übertreiben. Aber die allermeisten halten sich an die Regeln.“

Josepha Stolz.
Josepha Stolz. | Bild: Schuler, Andreas

Auch hätten sie schon Situationen erlebt, in denen sich Anwohner selbst respektlos verhalten hätten. „Wir haben hier neulich an einem Nachmittag in Ruhe gechillt und unser Bier genossen“, erzählt Johannes Schulz. „Auf einmal kam eine Frau aus einem Haus angerannt und hat uns aufgefordert abzuhauen, da ihre Tochter nicht schlafen könne. Ansonsten werde sie die Polizei rufen.“

Auch Medea König vermisst den Dialog untereinander. „Wir können doch normal miteinander reden. Dann würde mehr Verständnis füreinander da sein.“ Anwohner hätten genauso wenig wie Besucher ein Exklusivrecht auf das Schänzle.

Medea König.
Medea König. | Bild: Schuler, Andreas

Josepha Stolz sieht derzeit ein grundsätzliches Problem: „Junge Menschen haben es nicht leicht. Uns fehlen derzeit die Alternativen.“ Die Ankündigung der Polizei, ab sofort am Schänzle härter durchzugreifen, findet sie unter einer Voraussetzung richtig: „Es kommt auch hier darauf an, wie man miteinander umgeht.“ Saskia Pawelleck fühlt sich von der neuen Marschroute nicht angesprochen: „Wir machen weder Lärm noch hinterlassen wir Müll.“

Kurz vor Mitternacht am Samstagabend sei es unterhalb der Brücke direkt neben ihnen zu einer Schlägerei gekommen zwischen zwei jungen Männern, die von der Polizei schnell beendet wurde. „Die Präsenz von den Beamten ist in meinen Augen gut und richtig. Wenn dann nämlich etwas passiert, können sie schnell eingreifen.“ Die Polizei bestätigt dem SÜDKURIER später, dass bekannte Unruhestifter zu später Stunde Probleme machten. Der Anblick der Auseinandersetzung war für die fünf Freunde der Spaßkiller: „Wir wollten dann nur noch nach Hause.“

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