Aktuell können Schweizer bei Einkäufen im Ausland Waren im Wert von bis zu 300 Franken frei von der Einfuhr-Mehrwertsteuer zurück ins Land bringen. Das Schweizer Parlament will diesen Betrag nun auf 50 Franken einkürzen – und damit die Schweizer zum Gang in heimische Läden bewegen. Je unattraktiver die kurze Fahrt über die Grenze für den Einkauf ins Nachbarland ist, desto attraktiver wird dieser auf der Schweizer Seite – so die Logik des Plans.
In der vergangenen Woche wurden dazu von der zweiten Kammer des Schweizer Parlaments Anträge angenommen, unter anderem zwei Initiativen aus den Grenzkantonen St.Gallen und Thurgau. Nun muss die Regierung konkrete Maßnahmen ergreifen. Wann und wie eine neue Regelung zur Freigrenze tatsächlich beschlossen werden könnte, ist aber noch unklar.
Bagatellgrenze seit Anfang 2020
Anfang vergangenen Jahres wurde in Deutschland die sogenannte Bagatellgrenze eingeführt. Der Steuerabzug ist seitdem erst ab 50 Euro möglich. Eine Senkung der Schweizer Freigrenze auf 50 Franken würde diese Beträge einander stark annähern. Im Grunde dürfte dann für gar nichts mehr eine Mehrwertsteuer-Bescheinigung (grüner Zettel) ausgestellt werden. Aktuell sind 50 Franken umgerechnet nämlich ungefähr 46 Euro – und damit unter der deutschen Bagatellgrenze.
Sorge auf deutscher Seite hält sich in Grenzen
Die ersten Stimmen aus dem Konstanzer Einzelhandel klingen wegen einer Umsetzung dieser Regelung jedoch nicht allzu besorgt. Die Steuerbelastung für den Schweizer Einkäufer würde nicht so weit steigen, dass sich die Fahrt über die Grenze gar nicht mehr lohnen würde, sagte Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee. Zusätzlich bleibe der nach wie vor niedrigere Warenpreis in Deutschland.
Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz und Apothekeninhaber, hält das Vorhaben für eine „illusorische Geschichte“. „Die Schweizer kommen deshalb nicht weniger nach Deutschland“, sagt er.
Der Schweizer Zoll schieße sich damit sogar wohl eher ein Eigentor, so Hölzle. Denn die Ausfuhrscheine seien in Deutschland schnell abgestempelt. Auf der Schweizer Seite könnte sich dagegen wahrscheinlich schnell eine große Menge an Scheinen anhäufen.
Der Aufwand, der betrieben werden müsste, stünde in keinem Verhältnis zu den Beträgen. Er glaube nicht, dass es im Interesse des Schweizer Zolls wäre, neue Arbeitskräfte einzustellen, nur um die Flut an Scheinen zu bewältigen.
Die niedrigeren Preise ziehen die Schweizer über die Grenze
Irmgard Lerch führt ihr Teehaus am Schnetztor seit über 30 Jahren. „Ich kann es aus Schweizer Sicht durchaus verstehen“, sagt sie zu einer Senkung der Freigrenze. Für sinnvoll, durch- und umsetzbar halte sie das aber nicht. Vielleicht würden sich ein paar Schweizer dadurch abschrecken lassen, aber die Mehrheit würde wohl trotzdem kommen. Eben weil viele Einkäufe in Deutschland nun einmal viel günstiger seien.
„Konstanzer Samstage sind auf die Schweizer ausgelegt“
Für die Stadt sind die Schweizer Einkaufstouristen eine große Einnahmequelle. Vor allem samstags sei man darauf ausgelegt, sagen zwei junge Mitarbeiterinnen aus Einzelhandel und Gastronomie. Sicher, es sei dann sehr voll in der Stadt. Aber wenn man keine Lust auf Menschenmassen habe, kenne man als Konstanzer bei Einkäufen seine Ausweichmöglichkeiten.
Und die Stadt profitiere nun einmal sehr von den Einkäufern aus dem Nachbarland, so die jungen Konstanzerinnen. Dass sich die Schweizer von einer Freigrenzsenkung davon abhalten lassen würden, nach Konstanz zu kommen, halten beide für unwahrscheinlich.
Dieser Meinung sind auch Friedrich Benrath und Nora Ridder. „Der Stadt geht es durch den Einkaufstourismus überdurchschnittlich gut“, glauben beide. Und wenn es einem zu voll werde, weiche man dementsprechend eben aus. Beispielsweise auf Läden, die nicht in der Innenstadt liegen.

Timo und Anja Kremer kommen zwar aus dem Norden Deutschlands, sind aber sehr häufig in Konstanz. Für sie stellt der Einkaufstourismus ebenfalls kein Problem dar, sie würden es aber eher von der Touristenseite betrachten. „Wir können uns aber gut vorstellen, dass es die Einwohner störend sein kann, wenn es so voll wird“, meinen beide.