Martin Wikelski ist ziemlich sauer. Er ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und Honorarprofessor an der Universität Konstanz und sagt dem SÜDKURIER am Telefon: „Dass jetzt wieder keine Entscheidung zur Zukunft des Flugplatzes getroffen wurde, ist sehr ärgerlich. Dabei war die Aussage der Stadt vor einigen Jahren, dass der Flugplatz erhalten und ausgebaut wird, ein entscheidender Grund für die Ansiedlung unseres Instituts in Konstanz.“
Eigentlich hätte der Konstanzer Gemeinderat Ende September entscheiden sollen, wie es mit dem Flugplatz weitergeht. Doch der Punkt wurde von der Tagesordnung gestrichen, weil noch juristische Fragen zu klären sind, der SÜDKURIER berichtete.
Für Martin Wikelski und weitere Wissenschaftler bedeutet der Flugplatz nichts weniger als die Grundlage für Konstanzer Spitzenforschung. Sie testen dort ihr digitales Satellitenkommunikationssystem Icarus, in das auch die Raumfahrtindustrie in Friedrichshafen eingebunden ist. Außerdem forschen sie unter anderem an Insektenmigration, Fragen des Flugs und Zugs von Fledermäusen sowie der Vogelgrippe, die regelmäßig am Bodensee auftritt.

In der Abteilung von Professorin Meg Crofoot werden Erdbeobachtungssysteme für Kleinflugzeuge entwickelt, die an allen Forschungsstandorten der Welt eingesetzt werden. Damit können Menschenaffen und andere hoch entwickelte tierische Gesellschaften untersucht werden.
Erst kürzlich schaffte es die Forschung auf das Titelblatt der bekannten Fachzeitschrift „Science“. „Wir hatten zuletzt eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, da geht es um die Souveränität Deutschlands im Weltall“, sagt Wikelski.
Forschung bringt mindestens eine halbe Milliarde
Diese Forschung bringt aber nicht nur Renommee, sondern auch viel Geld nach Konstanz. „Professorin Meg Crofoot wird allein in diesem Jahr etwa eine Million Euro in technische Entwicklung stecken, die nahezu ausschließlich am Flugplatz Konstanz stattfinden wird“, erläutert Wikelski. Außerdem habe die Max-Planck-Gesellschaft dazu beigetragen, dass die Universität Konstanz ihren Exzellenzstatus behalten darf. „In diesem Zusammenhang sind mehr als 100 Millionen Euro Fördergelder geflossen“, so der Professor. Darüber hinaus spült diese Forschung viele weitere Millionen nach Konstanz.
„Unser Institut hat auch international eine große Strahlkraft und macht Konstanz in der Welt noch besser bekannt“, so Martin Wikelski. Auch personell soll die Einrichtung noch wachsen: Derzeit beschäftige sie etwa 200 Mitarbeiter, doch sie soll auf 300 Wissenschaftler und Angestellte wachsen.
Von Princeton nach Konstanz
Die Entscheidung, das Institut in Konstanz anzusiedeln, war dabei nicht selbstverständlich. Die Mehrheit der Max-Planck-Gesellschaft stimmte vor einigen Jahren für den Wechsel nach Tübingen. Doch der Konstanzer Flugplatz gab den Ausschlag für den Verbleib am Bodensee. „Für mich war dies einer der Hauptgründe, von Princeton/USA, eine der besten Universitäten der Welt, nach Konstanz zu wechseln“, schrieb Wikelski in einer seiner vielen E-Mails an die hiesigen Stadträte und Oberbürgermeister Uli Burchardt.
Der Professor kämpft schon seit 2015 für den Erhalt des Flugplatzes. Die Stilllegung mache seine Forschungen „praktisch unmöglich“. Ein Ausweichen auf andere Plätze der Region sei zu aufwändig.

Dass der Flugplatz nicht nur Freunde hat, ist allen Beteiligten klar. In den sozialen Netzwerken wird oft kommentiert, der Platz sei nur eine Spielwiese für reiche Privatpiloten. Dem entgegnet Patrick Nicolaus, Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Konstanz GmbH: „Als Verkehrslandeplatz sind wir eine wichtige Anflugstelle für die Flugstaffel der Bundes- und Landespolizei sowie der Luftrettung.“ Zudem kämen aus dem Bereich der Entwicklung von Drohnen für Transport und Logistik sowie Lufttaxis vermehrt Anfragen, auch von Konstanzer Unternehmen.

Aber auch Privatleute steuern die Graslandebahn an. Laut Flugleiterin Minky Schweizer sind dies zu 90 Prozent Deutsche, es kommen aber auch Gäste der Schweiz, Frankreich, Belgien und Österreich. „Wenn im April die Luftfahrtmesse Aero in Friedrichshafen stattfindet, flattern die Piloten aus allen Ländern herbei“, sagt Minky Schweizer. Der Grund: „In Friedrichshafen gibt es nur sehr knappe Zeitslots zum Landen. Da kommen die Piloten lieber nach Konstanz, übernachten auch oft hier und schippern gemütlich mit dem Katamaran nach Konstanz.“
„Zur Aero hatten wir 120 bis 150 Flieger nur an den Messetagen, die hier auch übernachteten“, sagt Patrick Nicolaus. Neben dem Hotel- und Tagungsbereich profitierten auch die Gastronomie und das Taxigewerbe von den Besuchern am Flugplatz.
Teilnutzung als Camping- oder Parkplatz
Patrick Nicolaus sieht noch einen weiteren Beitrag des Geländes zur regionalen Wertschöpfung: „Ohne die Möglichkeit, einen Teil der Flächen zeitweise für Camping und Parkmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, wären einige etablierte Großveranstaltungen wie die Festivals wahrscheinlich nicht realisierbar. Hier trägt der Flugplatz auch dazu bei, dass einige tausend Fahrzeuge pro Jahr nicht zusätzlich in die Stadt reinfahren, Stichwort Klimaschutz.“
Der ehemalige Pilot und einstige Teilzeit-Flugleiter im Konstanzer Tower, Dieter Bauer, würde die Fläche auch nicht ohne Not aufgeben: „Die Verwaltung soll in Ruhe Konzepte prüfen und wenn irgendwann ein Projekt dabei ist, das für Konstanz wichtig ist, muss der Flugplatz eben stillgelegt werden.“ Dann schiebt er hinterher: „Aber nicht, solange es noch freie Gewerbeflächen gibt und nicht nur deshalb, weil sich manche Leute in der Stadt profilieren wollen.“