Gegen 8 Uhr am Morgen bemerken Passanten und ein Mitarbeiter der Straßenreinigung das Feuer im Eckhaus der Kanzleistraße. Ermittlungen der Kriminalpolizei ergeben später: Ausgelöst wurde es durch die brennenden Kerzen eines umgestürzten Adventskranzes.
Ein schwer verletzter Mann wird durch die Ersthelfer gerettet. Nach sechs Minuten sind erste Feuerwehrleute und Rettungskräfte vor Ort. Der Bereich wird durch die Helfer abgeriegelt. Die engen Gassen stellen die Einsatzkräfte vor große Herausforderungen.
Das Treppenhaus steht bereits in Flammen. Eine Frau, die in letzter Sekunde über die Drehleiter gerettet wird, erleidet eine Rauchgasvergiftung und muss ebenfalls im Krankenhaus behandelt werden. Auch eine Rettungskraft wird bei dem Einsatz verletzt.
Das Feuer breitet sich rasch weiter aus. Die Bauweise des Hauses und ein daraus resultierender Kamineffekt beschleunigen die Verbreitung des Brandes. Die Flammen greifen auch auf die Dachstühle der anliegenden Häuser über. Bald brennt es in drei Häusern der Altstadt.
Beißender Geruch legt sich über Konstanz. Eine dunkle Rauchsäule steht über dem Quartier. Die Flammen haben auch auf einen Anbau im dicht bebauten Hinterhof übergegriffen. Hier das Feuer zu bekämpfen, ist für die Kräfte vor Ort kaum möglich.
Der Einsatz im Gebäude ist für die Feuerwehrleute zu gefährlich. Um etwa 9.30 Uhr bricht der Dachstuhl des denkmalgeschützten Eckhauses, welches erstmals 1445 erwähnt und als „Haus zum Bub“ bezeichnet wird, auf. Die Flammen schlagen aus dem Gebäude in der Hussenstraße 1.
Am Vormittag ist auch die Feuerwehr aus Kreuzlingen angerückt. Sie unterstützt die Konstanzer Kameraden. Der damalige Kommandant Dieter Quintus (links) bespricht die Lage mit seinem Kreuzlinger Kollegen Kurt Affolter.
Mittags geht man noch davon aus, dass das am meisten betroffene Gebäude den Flammen und der Wasserlast des Löschwassers standhalten wird. Die Feuerwehrleute kämpfen mit vereinten Kräften bereits knapp fünf Stunden gegen die Flammen, als gegen 13 Uhr immer mehr Zwischendecken innerhalb des Gebäudes einbrechen.
Um 14.32 Uhr gibt das untere Stockwerk des Gebäudes nach. Innerhalb von wenigen Sekunden bricht das Haus wie ein Kartenhaus zusammen. Fotograf Oliver Hanser ist vor Ort und hält den Moment in mehreren Bildern fest.
Erst als der Staub sich gelegt hat, zeigt sich das gesamte Ausmaß. Dort, wo einst das mittelalterliche Gebäude stand, klafft nun eine Lücke. Nur eine Wand des Eckhauses steht noch. Die Feuerwehr schätzt den materiellen Schaden zu diesem Zeitpunkt auf über fünf Millionen Euro.
Insgesamt rund 500 Menschen sind zwischen dem 23. Dezember und dem 28. Dezember 2010 im Einsatz. Am Tag des Brandes werden bis in die Nacht weitere Brandstellen gelöscht. Am Abend werden die Feuerwehrleute auch durch das Technische Hilfswerk (THW) unterstützt.
In der Nacht zum 24. Dezember 2010 hat es geschneit. Am Tag nach dem Altstadtbrand ist das THW weiterhin in der Innenstadt vor Ort. Auf der Marktstätte stehen an Heiligabend die Fahrzeuge.
Auch das hellblaue Haus in der Kanzleistraße ist einsturzgefährdet. Bereits am Tag zuvor haben die Helfer damit begonnen, die Wände der rund 700 Jahre alten Gebäude in diesem Bereich abzustützen.
Bald ist klar, dass die Beschädigungen zu groß sind. Das Gebäude in der Kanzleistraße 19 ist ebenfalls nicht mehr zu retten. Wenige Tage später wird damit begonnen, die Trümmer zu entfernen.
Der Schock sitzt tief und die Spendenbereitschaft ist groß. Rund 80.000 Euro sowie zahlreiche Sachspenden kommen für die Opfer des Brandes zusammen. Als die Straße durch Bauzäune abgesichert ist, kommen viele Konstanzer in die Innenstadt, um den Schauplatz des Brandes mit eigenen Augen zu sehen.
An der Ecke Hussenstraße/Kanzleistraße steht wenige Jahre später erneut ein Haus, in dessen Erdgeschoss wieder das Schuhhaus Haug zu finden ist. Links daneben befindet sich nun das Brillengeschäft Müller in einem Neubau. Das stark beschädigte Haus in der Kanzleistraße 19 wurde 2012 abgerissen. Seit Weihnachten 2014 ist die Lücke, die das Feuer in die Konstanzer Innenstadt riss, geschlossen.