Gerhard Schreiner vom Turnverein Konstanz bewegt die Kuhglocke. Weit über den Stephansplatz hallen Töne, die verkünden: Jetzt hat wieder jemand Trinkgeld gegeben. Der nüchterne Parkplatz ist für vier Tage Festmeile, und zum Auftakt noch viel mehr. Er ist Magnet für Menschen aus Konstanz, er ist eine Plattform des Wiedersehens und er ist der Notgroschen für Vereine.

Denn der Konstanzer Tag auf dem Weinfest hat seinen besonderen Zauber. Susanne Urban hat ihn erlebt. Jemanden, den sie schon seit sehr vielen Jahren nicht mehr gesehen hat, stand plötzlich vor ihr. Wegen solcher Begegnungen sind Konstanzer vor allem zum Auftakt des Weinfests am Mittwoch auf den Platz. „Man trifft hier alte Bekannte.“ Als sie einmal am Samstag zum Weinfest ging, habe sie sich fremd gefühlt. Zu viele junge Menschen, zu viele Touristen.

Die 79 Jahre alte Priska Waibel hat dies ein wenig anders erlebt: In jedem Jahr ist sie an mindestens einem Tag beim Weinfest, egal an welchem. „Da gibt es immer nette Runden.“ Die Geselligkeit und die Gespräche sind ihr besonders wichtig. Dem stimmt die 78 Jahre alte Gisela Gmeiner zu. Der Konstanzer Tag am Mittwoch garantiert aber das Zusammentreffen mit Einheimischen.

„Das ist ein Fest, an dem sich halb Konstanz trifft“
Stephanie Schiess sagt: „Das ist ein Fest, an dem sich halb Konstanz trifft.“ Sie ist mit Lara Olsen und Julia Straub unterwegs. Die drei Konstanzerinnen sagen, es handle sich auch um eine Tradition, zum Weinfest zu gehen.

Helmut Böhler und Manfred Stanglewski verabreden sich immer zum Treffen auf dem Weinfest. Beide kennen sich als Buben aus dem Paradies. Beide besuchten die Stephansschule. Manfred Stanglewski erinnert sich, wie zu seiner Jugend das Paradies noch gar nicht so zugebaut war, und wie die Jungs tagsüber gemeinsam die Schule besuchten, und am Nachmittag gegeneinander antraten: der Trupp aus dem stadtnahen Oberparadies und der aus dem Unterparadies, also dem hinteren Teil des Paradieses mit Kapelle.

Auf dem ersten Weinfest 1977 musste Böhler, der damals Koch im Hotel Hirschen am Bodanplatz war, an einem Stand arbeiten. Er richtete unter anderem Speckbrote an. Heute kann er das Fest als Gast genießen.
Karlheinz und Conny Nack stellen ihre Weingläser auf gekäkelte Untersetzer mit dem Konstanz-Wappen. Conny Nack macht diese selbst. Beide kommen gern zum Weinfest, weil sie dort Bekannte treffen.
„Die ersten Jahre waren schwierig“
Vereine haben Stände am Konstanzer Weinfest, um für ihre Organisationen Gelder einzuspielen. In Zeiten der gestiegenen Preise ist dies allerdings gar nicht so einfach. Harald Schuster, Vorsitzender vom Volleyballverein USC Konstanz, rechnet vor, man müsse mit rund 3400 Euro in Vorleistung gehen. Erst wenn der Verein diese Summe erwirtschaftet habe, komme er langsam ins Plus. Sein Verband mit heute 400 Mitgliedern ist seit 19 Jahren auf dem Weinfest. In der Anfangszeit musste er Lehrgeld bezahlen.
Sein Vize Charly Baur bekräftigt: „Die ersten Jahre waren schwierig.“ Die Gruppe sei nicht bekannt gewesen und der Stand zu klein. Inzwischen kooperiert der Verein mit einer Winzergemeinschaft, er hat einen großen Stand und ein paar Tricks, um die Kunden anzulocken. Denn ohne Einnahmen aus dem Weinfest wäre es viel mühsamer Notwendiges zu bezahlen, wie etwa die drei Busse, die der Verein braucht, um zu Spielen zu kommen.

Rund 50 Menschen hat der USC als ehrenamtliche Helfer im Einsatz. An die Theke kommen aber nur Leute, die Spaß daran haben, mit Menschen umzugehen, so wie Charly Baur. Auch im Beruf ist das Verkaufen und der Umgang mit den Kunden sein Geschäft. „Die Leute müssen freundlich sein, und die Kunden so annehmen, wie sie sind, dann ist schon viel gewonnen.“ Bei einer Probe bei ihm daheim entscheide sich, welche Weine aufs Fest kommen. Als Faustregel gilt: Gäste aus der Schweiz mögen gern süße, junge, fruchtige Sorten.
Kerstin Bergmann von den Seehasen stellt fest: „Das Weinfest in Konstanz gehört dazu, wie jeden Tag Essen und Trinken.“ Sie liebt es, am selbst gebauten Verkaufsstand zu stehen, seit 15 Jahren schon. Als frühere Zugbegleiterin und Ticketkontrolleurin der Deutschen Bahn hat sie viel Erfahrung mit Kunden. Auf dem Weinfest hat sie Freude, alte Bekannte wiederzusehen.

„Das ist für Konstanz ein ganz wichtiges Fest“
Auch ihre Kollegin am Stand, Christine Aichele, sagt: „Das ist für Konstanz ein ganz wichtiges Fest.“ Sie freut sich, wenn Musik läuft, die sie mag, und wenn Kinder zur Musik tanzen. Ihre neun Jahre alte Tochter darf, wenn sie will, zum Beispiel bei der Ausgabe von Pfand mitwirken. Auch als diejenige, die arbeitet, sagt Christine Aichele, das Schönste am Fest sei, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
Dies stellt auch Erich Böhler fest, der mit seiner Tochter Bettina am Stand der Kamelia Paradies steht. An vielen Ständen dürfen Kunden einen kleinen Schluck probieren, bevor sie sich entscheiden, welche Flasche Wein sie nehmen. Gerhard Schreier vom TV Konstanz sagt, „das kommt gut an.“
Bei anderen gibt es Zugaben wie Blumen, Nüsschen oder Gummibärchen. Die Vereine wissen, wie sie Gäste bei Laune halten.