Victor sitzt mit seinen Hunden Gina und Lady wie so oft vor der Dreifaltigkeitskirche. Vor ihm stehen zwei Hundenäpfe mit Wasser und Trockenfutter sowie eine Schale, in der ein paar Münzen liegen. „Das Geschäft läuft eigentlich ganz gut“, erzählt der 63-Jährige. „Corona war hart, aber der Sommer gleicht vieles aus.“

Und doch ist Victor, der seit einem Jahr fest im Stadtgarten schläft und zuvor immer mal wieder tageweise aus Stuttgart und Rastatt nach Konstanz kam, nicht glücklich mit der aktuellen Situation.
Der Grund sind offenbar organisierte Bettelbanden aus Osteuropa. „Die machen uns allen das Leben schwer und bringen uns in Verruf“, sagt er. „Die gehen direkt auf die Passanten zu und halten ihnen zitternd einen Becher vors Gesicht. Das geht gar nicht.“

Und so war es auch gestern zu beobachten in den Gassen der Innenstadt. Einer dieser Menschen heißt nach eigenen Angaben Jannis und kommt aus Griechenland. „Unfall“, sagt er und zeigt auf einen offensichtlich verkrüppelten Fuß. Er zittert am ganzen Körper.
Erfolg mit aggressivem Betteln
Jannis hält einen Kaffeebecher in der einen Hand, mit der anderen stützt er sich auf eine Krücke. In der oberen Augustinergasse humpelt der 31-Jährige von einem Passanten zum nächsten – und hält den Menschen tatsächlich den Becher vors Gesicht. Damit ist er recht erfolgreich. Das wird als aggressives Betteln bezeichnet und ist eigentlich verboten.
„Das stille Betteln ist in Deutschland zulässig und kann nicht durch die Stadt generell verboten werden“, erklärt Walter Rügert von der Pressestelle der Stadt Konstanz. „Es ist dem so genannten kommunikativen Verkehr zuzurechnen und somit zu dulden.“
Das Bürgeramt habe das Thema selbstverständlich im Blick, wie er weiter ausführt: „Wenn aggressiv gebettelt wird oder es sich nachweislich um Bettelbanden handelt, werden Platzverweise oder Verwarnungen erteilt. Im Einzelfall wurden auch schon Aufenthaltsverbote erteilt, die allerdings nur unter strengen Voraussetzungen überhaupt zulässig sind. Das bandenmäßige Betteln ist nur mit einem sehr großen Einsatz und Aufwand nachweisbar.“
Ingo Drews lebt zeitweise in Konstanz und in Mannheim. Er verdiente sich jahrelang seinen Lebensunterhalt mit Flaschen sammeln und kennt die Szene in der Innenstadt wie kaum ein Zweiter. „Derzeit sind viele dieser organisierten Bettler unterwegs“, erzählt er. „Die wohnen in Kleinbussen im Industriegebiet, werden morgens hierher gefahren und abends abgeholt.“
Warum machen die das? „Weil sie so viel mehr Geld verdienen als daheim.“ Er könne diese Menschen verstehen, sie würden ihm sogar leid tun. „So ein Leben ist doch nicht schön.“ Victor hält dem entgegen: „Ja, in Ordnung. Aber ihr Verhalten auf der Straße nervt sowohl die Passanten als auch uns normale Bettler.“