Als Aydo Kir gestern um acht Uhr morgens seinen Friseursalon in Wollmatingen aufschloss, standen die Kunden bereits Schlange. „Wir vergeben Termine und haben auch offene Zeiten“, sagt er. „Wer noch nicht der Reihe ist, muss draußen warten.“ So wie auch am Nachmittag, als ein halbes Dutzend Menschen geduldig auf den Parkplätzen vor dem Salon stehen und darauf warten, hineingewunken zu werden.

Erweiterte Öffnungszeiten wegen des Andrangs
Aydo Kir hat seine Öffnungszeiten für mindestens die kommenden vier Wochen deutlich erweitert: Die letzte Schicht hat um 22 Uhr Feierabend, auch samstags. „Das Telefon steht nicht mehr still. Die Leute dürsten nach einem Besuch beim Friseur“, sagt der Mann, der vor 28 Jahren sein Geschäft eröffnete und sechs Mitarbeiter beschäftigt.
Alle Kunden müssen registriert werden
Auf der Theke liegt eine Liste, auf der sich alle Kunden eintragen müssen. Falls ein Kunde oder ein Mitarbeiter positiv auf Corona getestet werden sollte, müssen alle Personen, die mit dem Patienten in Kontakt gekommen sein könnten, benachrichtigt werden.
„Der Organisationsaufwand ist riesig“, erzählt Aydo Kir, der exakt aufpassen muss, dass jeder im Salon einen Mundschutz trägt, der Abstand zwischen den Menschen mindestens 1,50 Meter beträgt und sämtliche Scheren, Bürsten oder Kämme nach jedem Gebrauch desinfiziert werden – so will es der Gesetzgeber.
Wochenlanges Bangen
In der Fürstenbergstraße befindet sich der Salon von Anna Jedzig, die aus einer kleinen Friseur-Dynastie stammt: Ihre Mutter Heide führt seit vielen Jahren den Salon in der Bahnhofstraße, sie selbst hat noch einen weiteren am Gebhardsplatz.
„Wir haben wochenlang gehofft, dass es bald wieder losgeht“, erzählt sie. „In den sechs Wochen ohne Betrieb haben wir unsere Mitarbeiter geschult. Leider sind immer noch ein paar in Kurzarbeit, da wir ja aufgrund der Bestimmungen weniger Arbeit haben.“
Hier in der Fürstenbergstraße beispielsweise können nur maximal vier Kunden gleichzeitig bedient werden, die übrigen drei Stühle kommen wegen des Mindestabstands nicht zum Einsatz.
Anna Jedzig verlangt von ihren Kunden einen Corona-Zuschlag in Höhe von drei Euro. „Mundschutz, Handschuhe, Desinfektionsmittel oder Einmalumhang kosten viel Geld“, erklärt sie. „Wir wollen mit diesem Zuschlag nur unsere Unkosten decken. Die Kunden zahlen das bereitwillig.“
Niemand musste entlassen werden
Reinhard Zieger ist Herr über vier Salons, einer Friseur-Akademie mit Meisterschule sowie 70 Mitarbeitern. „Mein Bestreben war es von Anfang an, dass wir niemanden entlassen müssen“, sagt er. „Das ist mir gelungen.“ Bis auf die Azubis, bei denen das rechtlich nicht möglich ist, waren alle Mitarbeiter auf Kurzarbeit. „Ich möchte mich wirklich nicht beschweren, aber durch diese Regelung wurden Ausbildungsbetriebe wie wir bestraft. Das kann es doch nicht sein.“

Soforthilfe ging für die Miete zweier Läden drauf
Sein Unternehmen erhielt angesichts der hohen Zahl von Mitarbeitern eine Soforthilfe in Höhe von 30.000 Euro. „Eine tolle Sache“, so Reinhard Zieger. „Damit konnte ich immerhin die Miete meiner Geschäfte im Lago und in der Sigismundstraße bezahlen.“
Über die Jahrzehnte als großer Unternehmer in Konstanz konnte er sich eigener Aussage ein Polster zulegen, das ihm jetzt zugute kam. „Fakt ist auch: Ich biete unseren Meisterschülern Mietwohnungen an. Die Schule ist nun geschlossen, die Mieten muss ich aber trotzdem bezahlen.“
Es sind vor allem die Mitarbeiter, die Reinhard Zieger kämpfen lassen. „Die sind wirklich spitze und leisten hervorragende Arbeit“, sagt er mit überzeugter Stimme. „Für meine Mitarbeiter lohnt sich der ganze Aufwand. Ich war zuletzt krank und konnte drei Wochen nicht arbeiten. Da haben sie alle Vorbereitungen auf die Wiedereröffnung selbstständig gestemmt. Das war große Klasse.“
Renovierung in der Zwangspause
In der Niederburg befindet sich seit 26 Jahren der Salon Medusa von Erika Kirchhoff. In den sechs Wochen der Zwangsschließung renovierte sie den Laden von Grund auf. „Ich schnitt gerade die Haare eine Kundin, als wir damals im Radio hörten, dass alle Friseure in Bayern am nächsten Tag auf unbestimmte Zeit schließen müssten“, erinnert sie sich. „Wir konnten das zunächst gar nicht glauben.“ Doch noch am selben Abend übernahm Baden-Württemberg die Anordnung.
Vier Wochen lang wusste Erika Kirchhoff nicht, wann es wieder losgehen würde. Sie beantragte Soforthilfe sowie Kurzarbeit für ihre Mitarbeiterin – bis heute wartet sie auf eine Antwort und äußert zeitgleich Verständnis dafür. „So viele Unternehmen haben das beantragt. Die Ämter kommen wahrscheinlich gar nicht mehr hinterher.“

Als vor 14 Tagen dann bekannt wurde, dass am 4. Mai die Salons unter Auflagen wieder öffnen dürften, stand ihr Telefon nicht mehr still. „Ich bin vier Wochen ausgebucht“, berichtet sie lächelnd. Zeitschriften sucht man in allen Salons vergeblich – sie dürfen so wie Getränke nicht mehr angeboten werden.