Als Aydo Kir gestern um acht Uhr morgens seinen Friseursalon in Wollmatingen aufschloss, standen die Kunden bereits Schlange. „Wir vergeben Termine und haben auch offene Zeiten“, sagt er. „Wer noch nicht der Reihe ist, muss draußen warten.“ So wie auch am Nachmittag, als ein halbes Dutzend Menschen geduldig auf den Parkplätzen vor dem Salon stehen und darauf warten, hineingewunken zu werden.

Vor dem Salon Aydo warten die Menschen auf einen frei werdenden Termin. Auch hier muss der Mindestabstand eingehalten werden.
Vor dem Salon Aydo warten die Menschen auf einen frei werdenden Termin. Auch hier muss der Mindestabstand eingehalten werden. | Bild: Schuler, Andreas

Erweiterte Öffnungszeiten wegen des Andrangs

Aydo Kir hat seine Öffnungszeiten für mindestens die kommenden vier Wochen deutlich erweitert: Die letzte Schicht hat um 22 Uhr Feierabend, auch samstags. „Das Telefon steht nicht mehr still. Die Leute dürsten nach einem Besuch beim Friseur“, sagt der Mann, der vor 28 Jahren sein Geschäft eröffnete und sechs Mitarbeiter beschäftigt.

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Aydo Kir wird an der Bezahltheke von dieser Scheibe geschützt.
Aydo Kir wird an der Bezahltheke von dieser Scheibe geschützt. | Bild: Schuler, Andreas

Alle Kunden müssen registriert werden

Auf der Theke liegt eine Liste, auf der sich alle Kunden eintragen müssen. Falls ein Kunde oder ein Mitarbeiter positiv auf Corona getestet werden sollte, müssen alle Personen, die mit dem Patienten in Kontakt gekommen sein könnten, benachrichtigt werden.

Ibrahim Ilgin vom Salon Aydo.
Ibrahim Ilgin vom Salon Aydo. | Bild: Schuler, Andreas

„Der Organisationsaufwand ist riesig“, erzählt Aydo Kir, der exakt aufpassen muss, dass jeder im Salon einen Mundschutz trägt, der Abstand zwischen den Menschen mindestens 1,50 Meter beträgt und sämtliche Scheren, Bürsten oder Kämme nach jedem Gebrauch desinfiziert werden – so will es der Gesetzgeber.

Emran Greku vom Salon Aydo mit einem Kunden.
Emran Greku vom Salon Aydo mit einem Kunden. | Bild: Schuler, Andreas
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Wochenlanges Bangen

In der Fürstenbergstraße befindet sich der Salon von Anna Jedzig, die aus einer kleinen Friseur-Dynastie stammt: Ihre Mutter Heide führt seit vielen Jahren den Salon in der Bahnhofstraße, sie selbst hat noch einen weiteren am Gebhardsplatz.

Hinweisschild im Salon Jedzig.
Hinweisschild im Salon Jedzig. | Bild: Schuler, Andreas

„Wir haben wochenlang gehofft, dass es bald wieder losgeht“, erzählt sie. „In den sechs Wochen ohne Betrieb haben wir unsere Mitarbeiter geschult. Leider sind immer noch ein paar in Kurzarbeit, da wir ja aufgrund der Bestimmungen weniger Arbeit haben.“

Anna Jedzig in ihrem Salon in der Fürstenbergstraße.
Anna Jedzig in ihrem Salon in der Fürstenbergstraße. | Bild: Schuler, Andreas

Hier in der Fürstenbergstraße beispielsweise können nur maximal vier Kunden gleichzeitig bedient werden, die übrigen drei Stühle kommen wegen des Mindestabstands nicht zum Einsatz.

Anna Jedzig.
Anna Jedzig. | Bild: Schuler, Andreas

Anna Jedzig verlangt von ihren Kunden einen Corona-Zuschlag in Höhe von drei Euro. „Mundschutz, Handschuhe, Desinfektionsmittel oder Einmalumhang kosten viel Geld“, erklärt sie. „Wir wollen mit diesem Zuschlag nur unsere Unkosten decken. Die Kunden zahlen das bereitwillig.“

Reinhard Zieger, Inhaber des 100 Jahre alten Unternehmens.
Reinhard Zieger, Inhaber des 100 Jahre alten Unternehmens. | Bild: Schuler, Andreas

Niemand musste entlassen werden

Reinhard Zieger ist Herr über vier Salons, einer Friseur-Akademie mit Meisterschule sowie 70 Mitarbeitern. „Mein Bestreben war es von Anfang an, dass wir niemanden entlassen müssen“, sagt er. „Das ist mir gelungen.“ Bis auf die Azubis, bei denen das rechtlich nicht möglich ist, waren alle Mitarbeiter auf Kurzarbeit. „Ich möchte mich wirklich nicht beschweren, aber durch diese Regelung wurden Ausbildungsbetriebe wie wir bestraft. Das kann es doch nicht sein.“

Reinhard Zieger (ganz rechts) zeigt mit seinen Mitarbeitern den Mindestabstand, der einzuhalten ist.
Reinhard Zieger (ganz rechts) zeigt mit seinen Mitarbeitern den Mindestabstand, der einzuhalten ist. | Bild: Schuler, Andreas

Soforthilfe ging für die Miete zweier Läden drauf

Sein Unternehmen erhielt angesichts der hohen Zahl von Mitarbeitern eine Soforthilfe in Höhe von 30.000 Euro. „Eine tolle Sache“, so Reinhard Zieger. „Damit konnte ich immerhin die Miete meiner Geschäfte im Lago und in der Sigismundstraße bezahlen.“

Die Wartestühle im Salon Zieger im Lago sind gesperrt.
Die Wartestühle im Salon Zieger im Lago sind gesperrt. | Bild: Schuler, Andreas

Über die Jahrzehnte als großer Unternehmer in Konstanz konnte er sich eigener Aussage ein Polster zulegen, das ihm jetzt zugute kam. „Fakt ist auch: Ich biete unseren Meisterschülern Mietwohnungen an. Die Schule ist nun geschlossen, die Mieten muss ich aber trotzdem bezahlen.“

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Es sind vor allem die Mitarbeiter, die Reinhard Zieger kämpfen lassen. „Die sind wirklich spitze und leisten hervorragende Arbeit“, sagt er mit überzeugter Stimme. „Für meine Mitarbeiter lohnt sich der ganze Aufwand. Ich war zuletzt krank und konnte drei Wochen nicht arbeiten. Da haben sie alle Vorbereitungen auf die Wiedereröffnung selbstständig gestemmt. Das war große Klasse.“

Erika Kirchhoff, Inhaberin des Salons Medusa, mit Kundin Elke Franke.
Erika Kirchhoff, Inhaberin des Salons Medusa, mit Kundin Elke Franke. | Bild: Schuler, Andreas

Renovierung in der Zwangspause

In der Niederburg befindet sich seit 26 Jahren der Salon Medusa von Erika Kirchhoff. In den sechs Wochen der Zwangsschließung renovierte sie den Laden von Grund auf. „Ich schnitt gerade die Haare eine Kundin, als wir damals im Radio hörten, dass alle Friseure in Bayern am nächsten Tag auf unbestimmte Zeit schließen müssten“, erinnert sie sich. „Wir konnten das zunächst gar nicht glauben.“ Doch noch am selben Abend übernahm Baden-Württemberg die Anordnung.

Der Salon Medusa in der Niederburg.
Der Salon Medusa in der Niederburg. | Bild: Schuler, Andreas

Vier Wochen lang wusste Erika Kirchhoff nicht, wann es wieder losgehen würde. Sie beantragte Soforthilfe sowie Kurzarbeit für ihre Mitarbeiterin – bis heute wartet sie auf eine Antwort und äußert zeitgleich Verständnis dafür. „So viele Unternehmen haben das beantragt. Die Ämter kommen wahrscheinlich gar nicht mehr hinterher.“

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Im Salon Medusa steht dieser Desinfektionstisch. Er gehört mittlerweile zur Pflichtausstattung.
Im Salon Medusa steht dieser Desinfektionstisch. Er gehört mittlerweile zur Pflichtausstattung. | Bild: Schuler, Andreas

Als vor 14 Tagen dann bekannt wurde, dass am 4. Mai die Salons unter Auflagen wieder öffnen dürften, stand ihr Telefon nicht mehr still. „Ich bin vier Wochen ausgebucht“, berichtet sie lächelnd. Zeitschriften sucht man in allen Salons vergeblich – sie dürfen so wie Getränke nicht mehr angeboten werden.

Im Salon Medusa hängt dieser Hinweis für die Kunden.
Im Salon Medusa hängt dieser Hinweis für die Kunden. | Bild: Schuler, Andreas