Irgendetwas ist anders. „Ich habe jetzt einen Wagen für mein Gepäck“, erklärt Werner Husemann. „Die Stadt hat mir den geschenkt. Vielen Dank dafür.“ Eigentlich ein Fahrradanhänger. Doch er nutzt das Wägele wie eine Art Schubkarren.

Bild 1: Wie geht‘s eigentlich Werner Husemann? So kommt der beliebte Konstanzer Obdachlose durch die Corona-Krise
Bild: Schuler, Andreas

Der Mann, der seit Jahren, seit wie vielen weiß niemand so genau, zwischen Wallhausen, Dettingen, Dingelsdorf, Oberdorf, Litzelstetten und Wollmatingen wandert und jedem, der ihn freundlich grüßt, ein nettes Lächeln zurück schenkt, muss seine Taschen nicht mehr auf dem Rücken schleppen. „Das hält auf Dauer ja niemand aus“, sagt er. „Da tut dir ja irgendwann der Rücken weh. Der Wagen ist toll.“

Krise? Was für eine Krise?

Und wie erleben Sie die Corona-Krise, Herr Husemann? „Was für eine Krise?“, entgegnet er mit einer ehrlichen Gegenfrage. Der Virus, Social Distancing, Schulschließungen, Home Office, Home Schooling.

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Der Mann legt seine Stirn in Falten, blickt fragend drein. „Davon weiß ich nichts“, sagt er schließlich. „Wie heißt das Virus? Corona? Nein, nie gehört.“ Irgendwie beneidenswert.

„Corona? Das brauche ich nicht“

Werner Husemann geht durch die herrliche Landschaft des Bodanrücks und bekommt nichts mit von der Pandemie, die die Welt in Atem hält. „Ich brauche das nicht“, sagt er schließlich. Wie Recht er doch hat. „Ich gehe zum Friedhof und schlage dort mein Lager auf. Wenn sie ein paar Zigaretten für mich haben, können sie mir die ja dorthin bringen.“

„Mir fehlt nichts. Ich komme gut zurecht“

Werner Husemann lebt in seiner eigenen Welt. Und in der fühlt er sich offenbar nach wie vor sehr wohl. Nach eigener Aussage ist er nach dem Tod seiner Frau vor vielen Jahren von München nach Konstanz gekommen und ist seither auf der Walz. „Mir fehlt nichts. Ich bin gesund und komme gut zurecht.“

Bild 2: Wie geht‘s eigentlich Werner Husemann? So kommt der beliebte Konstanzer Obdachlose durch die Corona-Krise
Bild: Schuler, Andreas

Fester Platz in der Gesellschaft

Die Menschen helfen ihm, wann immer es geht. Daran scheint auch Corona nichts geändert zu haben. Der Mann ist bekannt und beliebt. Er hat mittlerweile seinen festen Platz in unserer Gesellschaft, wenn auch nur am Rande. Den aber hat er selbst gewählt. In eine Obdachlosenunterkunft möchte er nicht gehen. Behördliche Unterstützung nimmt er nicht in Anspruch. Beim Gepäckwagen hat er gerne eine Ausnahme gemacht.

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„Essen habe ich genug“

Wer Werner begegnet, steckt ihm gerne ein Päckchen Zigaretten, etwas Geld oder eine belegte Seele zu. „Essen habe ich genug“, sagt er Mann, der um die 60 Jahre alt ist, wie er selbst sagt. Alter spielt in seinem Leben keine Rolle. Wie zum Beweis öffnet er den Reißverschluss einer Tasche und zeigt auf seine Verpflegung. Brot, Wurst, ein paar Flaschen Bier. „Ich habe alles, was ich brauche.“

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Das Gespräch an diesem verregneten Nachmittag mit Werner Husemann beginnt so wie jedes vorherige. „Hallo, Herr Husemann. Wie geht es Ihnen.“ „Hallo. Aaahhh, Sie sind es. Danke. Mir geht‘s gut. Und Ihnen? Was macht die Zeitung? Wollen sie mich interviewen? Sehr gerne.“ Der Mann redet eigentlich eher selten. Doch wer sein Vertrauen gewonnen hat, ist ein gern gesehener Gesprächspartner.

Bild 3: Wie geht‘s eigentlich Werner Husemann? So kommt der beliebte Konstanzer Obdachlose durch die Corona-Krise
Bild: Schuler, Andreas

Er liebt die Einsamkeit und das Leben als Einzelgänger – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch er wird nie vergessen, wie viele Leser des SÜDKURIER ihn an Weihnachten 2018 beschenkt haben. „Die Schuhe sind von damals“, sagt er stolz und zeigt nach unten. „Meine Klamotten und zwei Taschen ebenfalls. Danke noch mal.“

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Er könnte jetzt, da der Sommer naht, ein paar Halbschuhe gebrauchen. „Vielleicht hat ja jemand welche über. Größe 45 wäre toll.“ Das regnerische Wetter macht ihm nichts aus. „Das ist nur Wasser“, sagt er ganz pragmatisch. Kälte sei da schon schlimmer. „Und wenn es zu heiß wird, habe ich ja den See.“

Werner Husemann Video: Schuler, Andreas

Nach einer Viertelstunde verabschiedet sich Werner Husemann und geht wieder seiner Wege. „Bis bald. Alles Gute. Grüßen Sie die Leser der Zeitung.“ Machen wir, Werner Husemann. Es wird die Leser freuen zu erfahren, dass es ihnen gut geht. Ganz gewiss.

Bild 4: Wie geht‘s eigentlich Werner Husemann? So kommt der beliebte Konstanzer Obdachlose durch die Corona-Krise
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