Der Ausstieg aus dem Einstieg ist gescheitert: Der Konstanzer Gemeinderat hat die wohl umstrittenste Abgabe der Stadt nicht gekippt. Die Verpackungssteuer gilt also ab 1. Januar 2025 und wird wohl fast alle, die sich in der Stadt mal schnell was zum Essen oder Trinken kaufen wollen, betreffen. Hier kommen die wichtigsten Fragen und Antworten.

Das soll es bald nicht mehr geben: Kurz vor der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer liegt Müll aus Fastfood-Verpackungen auf ...
Das soll es bald nicht mehr geben: Kurz vor der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer liegt Müll aus Fastfood-Verpackungen auf dem Gehweg der Max-Stromeyer-Straße in Konstanz. Die höchst umstrittene neue Abgabe soll dazu führen, dass Gastronomen und Kunden auf Mehrwegverpackungen umsteigen. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Warum erhebt Konstanz eine Verpackungssteuer?

Kurz gesagt: Weil immer mehr Speisen und Getränke zum Verzehr unterwegs verkauft werden und der Verpackungsmüll dann auf der Straße und in öffentlichen Mülltonnen landet. Laut Stadtverwaltung sind dies inzwischen rund 500 Tonnen pro Jahr, an besucherstarken Sommertagen können es demnach bis zu drei Tonnen und damit eine kleine Lastwagen-Ladung an einem einzigen Tag sein.

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Die Entsorgung dieses Mülls bezahlt bisher die Allgemeinheit – zuletzt mehr als 2,5 Millionen Euro pro Jahr, wobei dies die Gesamtausgaben für die Stadtreinigung sind. Nun soll ein Teil der Kosten auf die Verursacher abgewälzt werden. Die neue Steuer, so die Überlegung, erhöht den Druck auf Verbraucher und Anbieter, auf Mehrweg-Gefäße umzusteigen. Dies entlaste das Klima, schone wertvolle (Kunststoff-)Ressourcen und verbessere die Sauberkeit in der Stadt.

Wie hoch ist die Steuer und wer muss sie bezahlen?

Auf jede Einweg-Verpackung werden 53 bis 60 Cent (50 Cent Steuer plus Mehrwertsteuer, je nach Einzelfall 7 oder 19 Prozent) fällig. Bei einem Menü mit Burger, Pommes und Getränk sind das dann bis zu 1,80 Euro (drei Teile). Einweg-Besteck einschließlich Trinkhalme oder Essstäbchen wird mit 20 Cent plus Mehrwertsteuer belegt. Steuerpflichtig sind formal diejenigen, die Speisen und Getränke für unterwegs verkaufen. Es ist aber zu erwarten, dass sie die Abgabe an ihre Kunden weiterreichen. Im Ergebnis wird To-Go-Verpflegung also teurer.

In welchen Fällen greift die Verpackungssteuer?

Verpackungssteuer wird dann erhoben, wenn der Inhalt einer Einweg-Verpackung von seiner Beschaffenheit her für den sofortigen Verzehr bestimmt ist. Die Rechtsprechung geht dabei von einer „Veränderung der Konsistenz“ aus – Eis schmilzt, Pizza wird kalt, Nudeln werden matschig.

Tiziano Pampanin von der gleichnamigen Konstanzer Eisdiele gehört zu den Eisverkäufern, die sich gegen die Verpackungssteuer ...
Tiziano Pampanin von der gleichnamigen Konstanzer Eisdiele gehört zu den Eisverkäufern, die sich gegen die Verpackungssteuer ausgesprochen haben – unter anderem, weil 50 Cent Abgabe auf den Pappbecher in keinem Verhältnis zum Preis des Inhalts stünden. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Beim sofortigen Verzehr wird angenommen, dass dieser im öffentlichen Raum stattfindet. Bei einer Lieferung nach Hause wird unterstellt, dass die Verpackung über den Hausmüll entsorgt und das dann ja über die Müllgebühren bezahlt ist. Knifflig wird es bei Einwegflaschen, etwa für Wein. Wenn sie zum Trinken zum Beispiel am Schänzle abgegeben wird, ist sie steuerpflichtig – für zu Hause weiterhin nicht.

Was ist von der Verpackungssteuer nicht betroffen?

Essbare Verpackungen wie Eiswaffeln bleiben steuerfrei, aber auch Papierservietten, bereits mit Pfand belegte Getränkeverpackungen und Einwegverpackungen für mitgenommene Reste nach einem Restaurantbesuch. Auch wenn – wie etwa bei Eisdielen denkbar – Verpackungen nachweislich zurückgenommen und verwertet (aber nicht verbrannt) werden, greift die Steuer nicht. Industrieverpackungen zum Beispiel von Eis sind ebenfalls steuerfrei, selbst wenn sie am Ende auch in einem öffentlichen Mülleimer landen.

Geht doch, sagt Martina Vogl: Ihr Café in der Konstanzer Altstadt setzt bereits konsequent auf Mehrweg-Verpackungen, wenn die Kunden das ...
Geht doch, sagt Martina Vogl: Ihr Café in der Konstanzer Altstadt setzt bereits konsequent auf Mehrweg-Verpackungen, wenn die Kunden das Essen oder Trinken lieber mitnehmen wollen. | Bild: Anjuli Rossa | SK-Archiv

Wie kann ich vermeiden, dass ich die Steuer bezahlen muss?

Am besten ist es, ein Mehrweggefäß zu verlangen (viele Betriebe sind dazu auch gesetzlich verpflichtet, kommen dem aber nicht immer nach) oder sich die Butterbrezel gar nicht einpacken zu lassen. Alternativ kann man natürlich auch in einem Restaurant oder Imbiss am Platz essen. Möglich ist es auch, sich eine Verpackung – und sei es die Alufolie für den Döner – von zu Hause mitzubringen. In all diesen Fällen darf der Verkäufer keine Verpackungssteuer erheben.

Was sind die wesentlichen Kritikpunkte?

Viele halten die Regelungen für kompliziert und widersprüchlich. So ist die gleiche Papiertüte steuerpflichtig, wenn eine Butterbrezel eingepackt wird, und steuerfrei, wenn eine Brezel ohne Butter hineinkommt. Der Pizza-Karton wird besteuert, falls die Pizza in den Park geliefert wird, und nicht besteuert, wenn man sie sich an die Wohnung bestellt. Unklarheiten gibt es noch bei Pommes-Pickern und Eislöffelchen. Für Kritik sorgt auch, dass die Stadt zwar 600.000 Euro im Jahr über die Steuer einnehmen will, dafür aber einen erheblichen Verwaltungsaufwand hat – ganz zu schweigen vom Aufwand für die Gastronomie- und Handelsbetriebe.

Zwei Verpackungen, wie sie nach Angaben von Chefin Katharina Müller die gleichnamige Metzgerei in Konstanz einsetzt: Die große ...
Zwei Verpackungen, wie sie nach Angaben von Chefin Katharina Müller die gleichnamige Metzgerei in Konstanz einsetzt: Die große Plastikschale bleibt steuerfrei, wenn Kunden ihr Mittagessen darin mit nach Hause nehmen. Auf die Papiertasche für das Fleischkäsbrötle werden dagegen 50 Cent fällig. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Wer ist in der Politik für und wer gegen die Steuer?

Die Trennlinie geht quer durch den Gemeinderat. Bei der vorerst letzten Abstimmung in der Sache haben 16 Stadträte gegen die Einführung der Verpackungssteuer zum 1. Januar 2025 gestimmt – alle aus dem bürgerlichen Lager mit CDU, FDP und Freien Wählern. Die links-grüne Mehrheit mit FGL und Grünen, SPD, Jungem Forum und Linker Liste kam auf 20 Stimmen. Die beiden Lager argumentieren im Wesentlichen mit Umweltschutz und dem Wunsch nach einer Verhaltensänderung sowie dem Verursacherprinzip auf der einen Seite und mit überbordender Bürokratie und unlogischen Regelungen auf der anderen.

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Was sagen die Wirte?

Bei den Gastronomen gibt es etliche, die sich auf das Thema Mehrweg schon lange eingestellt haben. Zu den aktiven Befürworterinnen der Verpackungssteuer gehört zum Beispiel Martina Vogl vom Voglhaus. In der Breite sind der Konstanzer Wirtekreis, sowie der Hotel- und Gaststättenverband aber ablehnend. Sie befürchten, dass weniger Essen und Trinken für unterwegs gekauft wird. Viele Eisdielen fühlen sich gegenüber Fabrik-Eis benachteiligt. Auch Bäckereien und Metzgereien befürchten, dass ihre Mitarbeiter nun ständige Diskussionen mit den Kunden führen müssen und am Ende deren Frust abbekommen.

Wie sieht es die Schülervertretung?

Aufmerken ließ, was Franka Nunnenmacher von der Konstanzer Schülervertretung sagte. Viele Schüler seien in der Mittagspause auf Döner, Pizza und Co. angewiesen, da das Mensa-Essen nicht immer gut und ausreichend sei. Die Steuer treffe also viele Menschen mit wenig Geld. Deshalb lehne die Schülervertretung die Verpackungssteuer in der derzeitigen Form ab. Die Befürworter der Steuer im Gemeinderat konnte die Schülerin damit aber nicht überzeugen.