Pro: Umsonst ist doch zu teuer

Redakteurin Claudia Wagner ist sicher: „Gastronomen werden freiwillig nicht dazu bereit sein, ein Mehrwegsystem einzuführen.“ ...
Redakteurin Claudia Wagner ist sicher: „Gastronomen werden freiwillig nicht dazu bereit sein, ein Mehrwegsystem einzuführen.“ (claudia.wagner@suedkurier.de) | Bild: SK

Die Abgabe soll 50 Cent betragen, die die Stadt Konstanz ab 2025 auf Einwegverpackungen für Imbiss-Ware erhebt – so ein Gemeinderatsbeschluss. Die Steuer hat ein Ziel: die Menge des Mülls zu reduzieren, der durch das Wegwerfen von Verpackungen für Straßen-Imbiss entsteht, ob nun für den Burger oder die Schnell-Pasta.

Wozu braucht es die Steuer? Weil Tübingen die Verpackungssteuer eingeführt hat und Konstanz sein Image als Klimaschutzstadt behaupten will? Nein, sonern, weil Gastronomen freiwillig nicht bereit sein werden, ein Mehrwegsystem einzuführen und die Menge des Mülls, der in der Stadt anfällt, zu reduzieren. Und Kunden nicht bereit sein werden, den Take-away-Abfall zu vermeiden oder für dessen Beseitigung zu zahlen. Diese kostet die Stadt – und damit übrigens den Steuerzahler – jedes Jahr eine Menge Geld.

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Etwa 60.000 Euro wird die Einführung der neuen Abgabe etwa kosten, zuzüglich jeweils 30.000 Euro jährlich; mit 300.000 Euro an Einnahmen jährlich rechnet die Stadt. Die relativ geringe Differenz zeigt: Um hohe Einnahmen geht es hier nicht. Das Ziel ist ideeller Natur. Wenn eine Kugel Eis in der Waffel keinen Aufschlag kostet, sondern die 1,70 Euro, die die Eisdiele verlangt, für eine Kugel Eis im Wegwerfbecher aber 50 Cent mehr verlangt werden, dann bringt das Kunden und Gastronomen zum Nachdenken – und zumindest die Gastronomen zur Suche nach Lösungen. Denn dass die Müllberge, die aus Plastikbechern und Styroporboxen entstehen, keine Lösung sind, ökologisch schwer auszuhalten sind und das Stadtbild nicht verschönern, dürfte bei den meisten Konsens sein.

In Tübingen gibt es die Steuer bereits seit Anfang 2022. Sie richtet sich an die Verursacher des Verpackungsmülls, also die Imbissbuden und Straßencafés. Rechtlich gesehen ist das haltbar, immerhin hat die Steuer einige Gerichtsverfahren überstanden. Noch etwas hat sie bewirkt: Laut einer Studie der Uni Tübingen haben sich Gastronomen mehr als vor Einführung der Steuer um Mehrwegsysteme beim Essen-zum-Mitnehmen bemüht. Einen Anreiz, das Einweg-System zu ändern, hat die Steuer also geleistet, auch wenn sie nicht beliebt ist.

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Und in Konstanz? Hier gibt es Recup und Rebowl, allerdings nur bei vergleichsweise wenigen Cafés, die einen ökologischen Anspruch haben. Es bräuchte eine gemeinsame Anstrengung der Imbissbetreiber, um sich auf ein einheitliches Pfandsystem zu einigen. Damit wäre das Zahlen der Steuer für viele Betriebe vermeidbar. Mit einem Nebeneffekt binden die Betriebe Kunden an sich, die dort ihre Mehrwegbecher abgeben und wieder kommen. Das Müllproblem unserer Gesellschaft wird man so nicht lösen. Aber es ist ein Modell, wie man auf kommunaler Ebene ein Problem angeht, für das es auf globaler Ebene noch kein Rezept gibt.

Contra: Die Zwangsabgabe ist für den Müll

Redakteurin Kerstin Steinert meint: „Die Stadt versucht ein ideologisches Ziel umzusetzen – und zwar sehr ungalant.“ ...
Redakteurin Kerstin Steinert meint: „Die Stadt versucht ein ideologisches Ziel umzusetzen – und zwar sehr ungalant.“ (kerstin.steinert@suedkurier.de) | Bild: SK

Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Das ist ein großes Problem, welches wir ziemlich gut beziffern können. Laut den Entsorgungsbetrieben Konstanz (EBK) fallen im öffentlichen Raum 500 Tonnen Müll pro Jahr an. Ein Großteil setzt sich aus Einwegverpackungen zusammen – also aus Pizzakartons, Einwickelpapier und Pappbechern.

Dieses Problem muss bekämpft werden. Die Verpackungssteuer ist ein Mittel, welches der Konstanzer Gemeinderat beschlossen hat und die Stadtverwaltung umsetzt. Sie hat zwar ein löbliches Ziel, nämlich die Reduktion von Müll, aber sie beschreitet den falschen Weg. Denn die Zwangsabgabe wird das Problem nicht lösen.

Das zeigt das Beispiel der Stadt Tübingen, nach deren Vorbild die Steuer ins Leben gerufen wurde. Dort gibt es die Abgabe seit 2022. Das Beispiel zeigt, dass die Steuer zwar eingeführt werden kann, aber ihren eigentlichen Zweck nicht erfüllt. Das geht aus einer Studie der Universität Tübingen hervor. Das Ergebnis der Forscher ist enttäuschend: Die Müllberge im öffentlichen Raum haben nur wenig abgenommen. Daher stellt sich die Frage: Warum sollte Konstanz eine Steuer einführen, die nachweislich ihr Ziel verfehlen wird?

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Das zweite Problem: Die Stadt versucht ein ideologisches Ziel umzusetzen – und zwar sehr ungalant. Über den Geldbeutel der Konstanzer und seiner Touristen soll das Konsumverhalten gesteuert werden. Sprich: Die Verpackungssteuer ist eine erzieherische Maßnahme. Doch eine aufgedrückte Steuer wird kaum dazu führen, dass Konsumenten ein Einsehen haben. Es wird sie eher erzürnen. Wenn die Politik Rückhalt aus der Bevölkerung haben möchte, muss sie einen Weg finden, den Bürgern auf Augenhöhe zu begegnen.

Kurzum: Die Verpackungssteuer ist Müll! Sie ist durchzogen von Ideologie bei gleichzeitiger unpraktischer Anwendung. Am Ende gibt es nur Verlierer. Die Gastronomen haben einen hohen bürokratischen Aufwand, um vorab der Stadt zu melden, wie viele Pappbecher und Alufolie sie wohl verkaufen werden. Die Stadt selbst gewinnt auch nicht wirklich. Die Einnahmen liegen ungefähr bei 300.000 Euro, die Ausgaben für die Einführung der Steuer bei über 60.000 Euro. Bleiben weniger als 250.000 Euro – aber dafür hat sie einen hohen bürokratischen Aufwand.

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Auf der anderen Seite sind die Kunden, die wohl einen saftigen Aufpreis auf ihre To-Go-Getränke und -Speisen zahlen müssen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Gastronomen die Steuer übernehmen. Sie würden damit das Risiko eines Verlustgeschäfts eingehen. Ach, und dann gibt es ja noch die Umwelt. Auch sie zählt wohl nicht zu den Gewinnern. Denn die Einwegverpackungs-Müllberge werden nicht schrumpfen. Es ist eben nicht so einfach, ein globales Problem auf einer rein lokalen Ebene lösen zu wollen.