„Wir brauchen ein Gegenkonzept“ – Gastronomen suchen Auswege aus der Verpackungssteuer. Aber wie?
Zu wenig Platz für Mehrweggeschirr, zu wenig Personal fürs Pfandsystem, Angst vor Kundenreaktionen: Konstanzer Wirte sind von den Plänen der Stadt überfordert. Einige treffen sich zur Krisensitzung am Hörnle.
Einige Konstanzer Gastronomen schließen sich zusammen, um zu überlegen, wie es in Sachen Verpackungssteuer weitergehen soll. Beim morgendlichen Treffen am Hörnle sind sie etwas ratlos.
| Bild: Kirsten Astor
„Wenn ich Pizza nach Hause liefere, fällt keine Verpackungssteuer an. Aber was ist, wenn ich sie in den Herosé-Park oder ans Schänzle liefere?“, möchte Michele Fiore von der Wollmatinger Pizzeria Rössle wissen, der auch den Lieferservice Pronto betreibt. Ihm ist noch nicht klar, in welchen Fällen die neue Steuer anfällt, die der Konstanzer Gemeinderat jüngst beschlossen hat und die zum 1. Januar 2025 eingeführt wird.
Wie ihm geht es vielen Konstanzer Gastronomen. Einige von ihnen haben sich am Dienstag am Hörnle versammelt, um sich auszutauschen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Nach tagelangem Dauerregen scheint an diesem Morgen endlich wieder die Sonne. Doch nach guter Laune ist hier niemandem zumute.
Vor allem die Dönerverkäufer sehen ihre Existenz bedroht, leben sie doch überwiegend davon, warme Speisen zum Mitnehmen zu verkaufen. Dafür fällt jede Menge Verpackung an, die versteuert werden muss. Diyaddin Celik von Sahara Kebap denkt dabei nicht nur an seine eigene Existenz, sondern an seine jüngsten Kunden.
Michele Fiore (links) betreibt eine Pizzeria und einen Lieferdienst. Er weiß nicht, wann die Verpackungssteuer anfällt und wann nicht. Auch eine Nachfrage bei der Stadt half nicht weiter. Diyaddin Celik vom Imbiss Sahara fürchtet, einige seiner Kunden können sich den um 50 Cent teureren Döner nicht mehr leisten.
| Bild: Kirsten Astor
„Für viele Familien ist sowieso alles schon so teuer. Wenn ich künftig den Kindern sagen muss, dass sie noch 50 Cent mehr bezahlen müssen, drehen viele traurig um und kommen nie wieder. Und bei denen, die sich gern ein Essen teilen, muss ich im neuen Jahr dann zweimal Verpackung abrechnen, oder wie?“
Ein Kollege rät im Witz: „Packe doch künftig den Döner in eine Serviette, die ist steuerfrei.“ Wie soll das funktionieren? „Lass die Sauce weg“, scherzt der Wirt. Müdes Lächeln in der Runde. An diesem Beispiel wird deutlich, wie viele Fragen noch offen sind.
Dass sich die Unmengen an Müll im öffentlichen Raum reduzieren sollen, da sind sich die Wirte einig. Doch das Wie bereitet ihnen Bauchschmerzen. So sagt Natascha Rieg, die die Gastronomie im Strandbad Dingelsdorf betreibt: „Wo soll ich das ganze Mehrweggeschirr stapeln? Und bei einem Pfandsystem bräuchte ich mehr Personal, außerdem ist das Spülen auch aufwändig und teuer, das könnte uns den Hals kosten.“
Mit Mehrwegbechern hat sie mittelmäßige Erfahrungen gemacht. „Ich hole jeden Tag Becher aus den Mülleimern. Andere Leute stellen sie einfach in die Regale ihrer Campingwagen und wieder andere nehmen sie mit zu ihren Handtüchern und bringen sie erst abends zurück. Und am Strand möchte ich Porzellan und Glas vermeiden, wegen der Verletzungsgefahr.“
Vor allem das Vorgehen von Gemeinderat und Verwaltung stößt den Gastronomen sauer auf. „Das ist handwerklich schlecht gemacht“, kritisiert Akim Zuck vom Backstüble Zuck und Kaun. „Die können nicht verlangen, dass was Neues eingeführt wird mit der Aussage, es werde sich schon noch das passende System dafür entwickeln. Das hätte vorher geregelt werden müssen!“
„Ich bin bodenlos erschüttert über die Art und Weise, wie die Verwaltung die Verpackungssteuer abarbeitet“, sagt Manfred Hölzl, stellvertretender Dehoga-Vorsitzender der Kreisstelle Konstanz. „Manche Restaurants haben einen Brief von der Stadt erhalten, obwohl sie kaum betroffen sind. Dafür haben Betriebe, die viel Essen zum Mitnehmen anbieten, das Schreiben nicht bekommen.“
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Dass den Verantwortlichen selbst die Details noch nicht klar sind, die Gastronomen aber innerhalb einer kurzen Frist sagen sollen, auf welches System sie künftig setzen und ihre vermutlich anfallende Verpackungssteuer schätzen sollen, ärgert die Betriebe enorm.
Silvia Minde von der Terrasse in Dingelsdorf ist als Pächterin eines Restaurants kaum von der Verpackungssteuer betroffen, dennoch sagt auch sie: „Ich finde es schwierig, Gastronomen ausbaden zu lassen, dass man die Kunden in Sachen Müll umerziehen will. Wir zahlen ohnehin schon Müllgebühren.“ Die Wirte hätten den Aufwand und bekämen als Dankeschön noch den Zorn der Kunden ab, ist der Tenor in der Runde am Hörnle.
Silvia Minde, Pächterin des Restaurants Terrasse, findet es ungerecht, dass Gastronomen benutzt werden, um die Kunden zu mehr Umweltfreundlichkeit zu erziehen. Kebapverkäufer Musa Cebe fordert, dass alle Wirte besser über die neue Steuer informiert werden müssten.
| Bild: Kirsten Astor
Dass es der Stadt nur ums Geld geht, wie manche Kollegen vermuten, glaubt Musa Cebe allerdings nicht. Der Inhaber des fleischlosen Kebapladens Kervan verweist darauf, dass Konstanz den Klimanotstand ausgerufen hat und nun auch Taten folgen müssten.
Dennoch „habe auch ich mit vielen Menschen zu tun, die Angst vor der Zukunft haben. Das sind vor allem Eisverkäufer.“ Die hätten ohnehin höhere Hygienevorschriften und könnten nur schwer auf Mehrwegsysteme umstellen.
Der Blick nach Tübingen
Beim Treffen der Wirte ist auch Andrea Hauser dabei. Sie arbeitet für eine Firma, die unter anderem Einwegverpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen herstellt, und ist für den Vertrieb im südlichen Baden-Württemberg zuständig – auch für Tübingen. Dort gilt die Verpackungssteuer bereits.
„Auch in Tübingen war der Aufschrei unter Gastronomen am Anfang riesig“, berichtet Hauser. „Mittlerweile hat sich das beruhigt. Und in Tübingen nutzt inzwischen die Hälfte der Wirte ein Mehrwegsystem, während die Quote bundesweit bei nur fünf Prozent liegt.“
Ibrahim Yildirim, der die Gastronomie im Strandbad Hörnle betreibt, hat bereits ein Pfandsystem. Für ihn stellt sich die Frage, ob auch die Verpackung für Eis am Stiel besteuert wird.
| Bild: Kirsten Astor
Am Ende ihres Treffens verständigen die Konstanzer Wirte sich darauf, mit Hilfe von Manfred Hölzl vom Dehoga einen gemeinsamen Brief an die Verwaltung zu formulieren und zu begründen, warum sie innerhalb weniger Tage nicht abschätzen können, wie viel Verpackungssteuer bei ihnen anfällt. „Wir brauchen ein Gegenkonzept zu dem, was die Stadt vorhat“, meint Natascha Rieg. „Einfach nur dagegen zu sein, bringt uns nicht weiter.“
Es scheint noch viel Kommunikation auf beiden Seiten nötig, um den Knoten zu lösen. Manfred Hölzl formuliert es so: „Da ist viel Unsinn in der Satzung zur Steuer entstanden, auch aus Unwissenheit. Und dass alles Hals über Kopf geschehen soll und in der falschen Reihenfolge, vergiftet die Atmosphäre.“