Sonderfälle bei der Mehrwertsteuer

Was hat das Finanzamt von einer Currywurst? Kommt ganz drauf an: Eine Currywurst von der Würstchenbude, verspeist im Freien enthält neben Curry, Ketchup und Wurst 7 Prozent Mehrwertsteuer. Wird die gleiche Wurst im Restaurant serviert, sind seit Januar 2024 wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig.

Denn sobald Tischdecken und Servicepersonal ins Spiel kommen, handelt es sich um eine Dienstleistung. Und für diese gibt es in der Gastronomie keinen ermäßigten Mehrwertsteuersatz mehr – die Corona-Sonderregelung, die die Umsatzsteuer auf 7 Prozent senkte, ist ausgelaufen.

Eigentlich sind die Regeln für die Mehrwertsteuer einfach: Auf alle Waren und Dienstleistungen erhebt der Staat 19 Prozent Mehrwertsteuer. Für Grundnahrungsmittel und ein paar andere Ausnahmen wie Bücher und Zeitschriften sind es nur 7 Prozent. Mit 198,2 Milliarden Euro war die Mehrwertsteuer 2022 eine der größten Einnahmequellen von Bund und Ländern.

In der Realität ist die Umsatzsteuer indessen kompliziert. Manchmal sogar sehr kompliziert. Ein Kaffee zum Mitnehmen, schwarz, wird mit 19 Prozent veranschlagt. Ein Cappuccino to go wiederum, der mehrheitlich aus Milch besteht, kostet nur 7 Prozent Mehrwertsteuer. Milch ist schließlich ein Grundnahrungsmittel.

Doch Vorsicht: Das gilt nur für Kuh-, nicht aber für Sojamilch. Jener geht das Grundnahrungsmittelprivileg ab, weswegen ein Soja-Cappuccino 19 Prozent kostet. Ausnahmen über Ausnahmen auch anderswo: Menstruationsartikel wie Tampons werden seit 2020 nur noch mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt. Nicht aber Slipeinlagen, die sind weiterhin für 19 Prozent gut.

Tierfutter wird mit 7 Prozent besteuert, Babynahrung mit 19. Verstehe, wer will.

Vergnügungssteuer

Bild 1: 7 verrückte deutsche Steuern: Zahlen für Luft, Sekt, Sex
Bild: Franziska Kraufmann

Auch wenn die Bürger es sich gutgehen lassen, möchte der Staat etwas davon abhaben. Mittel zu diesem Zweck ist die Vergnügungssteuer. Zu zahlen ist sie auf vieles, das Vergnügen bereitet – von der Kinokarte, über den Spielautomaten bis hin zu Tanzveranstaltungen. Früher hieß sie – wie heute noch in Österreich – Lustbarkeitssteuer. In Baden-Württemberg spülte sie 2022 etwa 226 Millionen Euro in die Kassen der Kommunen.

Um ans Geld zu kommen, muss der Staat sich aber anstrengen – zum Beispiel bei der Spielautomatensteuer. Die längste Zeit wurde die Steuer nach Zahl der Geräte ermittelt – das hat aber 2009 das Bundesverfassungsgericht kassiert. Seither sind 10 bis 13 Prozent des Umsatzes fällig, der mit den Spielgeräten erzielt wurde. Die Einnahmen können den Kämmerern wenigstens ein kleines Lächeln auf die Lippen zaubern: 2022 waren es bundesweit 872 Millionen Euro.

Sexsteuer

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Bild: Patrick Seeger

Ein Sonderfall der Vergnügungssteuer heißt „Sexsteuer“. Erfunden wurde sie 2004 in Köln. Dort wird seither eine kommunale Steuer auf sexuelle Vergnügungen aller Art erhoben, zu zahlen von Prostituierten sowie Anbietern von Sexkinos und Ähnlichem. Für Köln lohnt sich das Geschäft. Nach einem massiven Einbruch während der Coronajahre hat die Sexsteuer 2023 bis Dezember mit 904.245 Euro laut Auskunft der Pressestelle fast das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht.

Abschaffen will man die Steuer dort deshalb keineswegs. Köln war sogar Trendsetter geworden, die Pressestelle verweist darauf, dass andere Städte wie Dortmund oder Oberhausen nachzogen. Nachbar Bonn geht sogar noch weiter: Dort müssen Prostituierte seit 2011 zu Arbeitsbeginn ein Steuerticket am Automaten ziehen.

Die Satzung wird konkret: “.., ist für jeden Veranstaltungstag (20.15 Uhr bis 6 Uhr des darauf folgenden Tages) vor Aufnahme der Tätigkeit ein Steuerticket für 6 Euro an dem auf dem Verrichtungsgelände aufgestellten Ticketautomaten zu lösen und auf Verlangen den städtischen Beauftragen vorzulegen.“ Für die Stadtkasse kommt was zusammen: Die Einnahmen aus der „Sexsteuer“ betrugen laut Stadtverwaltung 2023 bis Dezember 131.858 Euro. Exakt 10.163 Euro davon entfielen auf den Automaten.

Luftsteuer

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Bild: Jens Büttner

Die Luftsteuer klingt nach Luftnummer, ist aber Realität – zumindest in Fürth. Genau genommen ist sie eine Unterabteilung der Sondernutzungsgebühr, wie sie viele Städte und Gemeinden für Tische und Stühle von Restaurants und Cafes, für Fahrradständer oder Werbetafeln auf dem Bürgersteig erheben.

Das fränkische Fürth geht aber steuertechnisch in die Luft – nämlich dann, wenn an ihren Fassaden Automaten mehr als 15 Zentimeter in den öffentlichen Raum ragen. Meist trifft das Zigaretten-, Kaugummi- oder Handykartenautomaten – eben alles, „was im öffentlichen Raum ist, ohne auf dem Boden zu stehen“, wie es Wolfgang Klein, Fachgebietsleiter für Sondernutzungen im Tiefbauamt der Kommune, definiert.

So ein Zigarettenautomat kostet 45 bis 65 Euro pro Jahr. Werbeschilder bringen der Stadt dann schon mal 200 Euro pro Jahr ein. Lohnt sich das? Klein sagt ja: Der Verwaltungsaufwand sei gering und „Kleinvieh macht auch Mist.“ Rund 15.000 Euro nimmt die Kommune im Jahr ein – und das schon seit 1978.

Verpackungssteuer

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Bild: Uwe Anspach

Manchmal sollen Steuern nicht nur Geld in die öffentlichen Kassen spülen, sondern auch Verhalten ändern. Nachdem sich in Tübingen der OB (und viele andere) über überquellende Mülleimer, Kaffeebecher und Pizzaschachteln in der Altstadt aufregten, gibt es dort seit 2022 in der Universitätsstadt eine Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen: Kaffeebecher kosten wie auch Pommesschalen 50 Cent, Einwegbesteck, Trinkhalme und Eislöffel 20 Cent.

Der Effekt auf die Sauberkeit der Stadt war durchschlagend. Doch die Verpackungssteuer wurde zum Politikum. Die Betreiberin der örtlichen McDonalds-Filiale klagte und bekam in der ersten Instanz beim baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof recht. OB Boris Palmer und der Gemeinderat blieben stur – und setzten sich am Ende durch. Die Revision beim Bundesverwaltungsgericht entschied die Stadt für sich. Die Leipziger Richter gestanden Tübingen und anderen Kommunen das Recht zu, eine solche Steuer zu erheben.

Wer in Tübingen einen To-go-Kaffee holt, hat seither meistens einen Pfandbecher in der Tasche. Konstanz will übrigens 2025 nachziehen. Der Tübinger OB zeigte sich im Dezember mit dem Steuerjahr 2022 sehr zufrieden. „Auf Grundlage der bisher eingegangenen Steuererklärungen ist mit einem Steueraufkommen von mindestens 692.359 Euro für das Jahr 2022 auszugehen“, teilt die Pressestelle mit. 313 von 420 angeschriebenen Betrieben haben ihre Steuererklärung abgegeben.

Allerdings haben erst 59 Betriebe bereits gezahlt, 161 wurden als steuerfrei eingestuft. Das Geld fließt in den Haushalt und soll für Müllbeseitigung ausgegeben werden.

Sektsteuer

Bei jeder Sektflasche, die geöffnet wird, müsste die Finanzverwaltung eigentlich einen Toast auf Kaiser Wilhelm II. ausbringen. Der deutsche Monarch hat die Abgabe auf Schaumwein 1902 eingeführt – um seine Kriegsflotte damit zu finanzieren. Die Flotte ging unter, die Steuer nicht.

1933 wurde sie von der NS-Regierung zwar ausgesetzt, schon 1939 war sie aber wieder da. Das Ende der NS-Diktatur im Mai 1945 überstand die Schaumweinsteuer problemlos und 1952 wurde sie sogar auf Zwischenerzeugnisse wie Sherry, Portwein und Liköre ausgedehnt. 2022 hat der Bund durch die Sektsteuer laut Statistischem Bundesamt 352 Millionen Euro eingenommen – genau 1,02 Euro pro Flasche.

Es wäre nun aber eine Schnapsidee, aus steuerlichen Gründen auf andere Alkoholika umzuschwenken. Auch bei Bier und Schnaps hält der Staat die Hand auf, ganz besonders greift er bei Alkopops zu, um Jugendliche von den süßen Blaumachern fernzuhalten. Nur beim Wein lässt Deutschland Gnade vor Recht ergehen. Die Weinsteuer wurde auf Null gesetzt.

Bettensteuer

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Bild: Jan Woitas

Mit dem Slogan „Spaß in fremden Betten“ wollte einst Reutlingen Kurzurlauber in die Stadt locken. Anderswo wollen Kommunen auch hier vom Spaß etwas abhaben. Bettensteuer, Citytax oder Tourismusabgabe heißt das Instrument, mit dem Urlauber zur Kasse gebeten werden. Sie gibt es alternativ zu Kurtaxe oder Fremdenverkehrsabgabe. Das ist völlig legal, hat 2022 das Bundesverfassungsgericht festgestellt.

Viele Städte reagierten mit einer Bettensteuer, nachdem 2010 der Mehrwertsteuersatz für Hotels und Pensionen gesenkt worden war. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hat eigens eine Bettensteuerkarte erstellt – 29 Städte in Deutschland von Flensburg bis Freiburg sind darauf gelistet. Düsseldorf ist seit 2024 dabei. Dort gelten drei Euro Bettensteuer für jede Nacht – egal wie komfortabel die Liegestatt ist. Fällig wird sie nämlich auch auf Campingplätzen oder Schiffen.