Blauer Himmel und Sonnenschein: Vor der Bäckerei „Laib & Seele“ auf der Reichenau stehen hungrige Männer und Frauen an. Verkäuferin Martina Grüll bedient einen der drei Kunden im Verkaufsraum. Inhaber Robert Martin unterhält sich auf dem Vorplatz mit einer wartenden Frau – alles natürlich mit Maske und unter Einhaltung der Abstandsregeln.
Backstube und Konditorei laufen weiter auf Hochtouren – es riecht nach Mehl und frischem Brot. „Es gibt genug zu tun“, sagt Bäckermeister Hans Peter Stärk. Denn die Leute müssen mit Brot und Kuchen versorgt werden. Nur die Terrasse ist wegen Corona geschlossen.
„Wir verkaufen gleich viele süße Stückchen und Brote wie vor der Krise – aber deutlich weniger Kuchen, weil das Café, das wir beliefern, geschlossen hat“, erklärt der 58-jährige Bäckermeister Hans Peter Stärk.

Verkäuferin: „Ich vermisse die Gespräche mit den Stammkunden“
Während in der Backstube alles seinen gewohnten Gang geht, hat sich für die Verkäuferinnen viel verändert. „Mit Mundschutz zu arbeiten, ist nicht angenehm. Man versteht die Leute schlecht, weil die Mimik fehlt. Und die Gespräche mit den Stammkunden vermisse ich“, klagt Martina Grüll.
Die 59-jährige wirkt trotz des vielen Kontakts mit Menschen und Bargeld entspannt. „Ich mache mir keine Sorgen“, erklärt sie. Auch ihre Kolleginnen seien zuversichtlich. Ihr falle nur auf, dass ihre Handgriffe seit Corona unter Beobachtung stehe. „Die Leute achten genau darauf, ob ich Handschuhe trage.“
Sie könne das zwar verstehen. „Aber eigentlich wäre es ohne Handschuhe sogar weniger gefährlich, da man die Hände dann öfter desinfizieren könnte.“ Zudem kriege sie manchmal die Wut der Kunden ab, wenn sich jemand nicht an Regeln halten will. „Das sind aber sehr wenige Einzelfälle. Die meisten Menschen sind total nett und hilfsbereit.“
Martin Gehrt: „Umgang mit Leuten ohne Maske ist schwierig“
Nur einmal habe es Probleme gegeben, weil jemand keine Maske anziehen wollte, aber kein Attest vorzeigen konnte, berichtet Geschäftsführer Martin Gehrt. „Bedienen wir ihn, sind andere Kunden wütend. Bedienen wir ihn nicht, spricht sich das rum. Es ist schwierig, damit umzugehen.“ Doch viel häufiger gebe es schöne Erfahrungen, sagt Martina Grüll. Ihr tue es deshalb Leid, die Menschen draußen in der Kälte anstehen zu sehen.

„Darum versuche ich, mich beim Bedienen besonders zu beeilen“, sagt die Verkäuferin lachend. Inhaber Robert Martin stimmt ihr zu. „99 Prozent der Leute sind super. Die halten Abstand, bleiben uns treu und schätzen, dass wir geöffnet haben. Das ist eine tolle Erfahrung in der Krise“, freut er sich.
Inhaber Martin: „Ich habe einige Nächte nicht gut geschlafen“
Der 67-jährige, eigentlich gelernter Berufschullehrer, übernahm die Bäckerei erst 2019. „Im zweiten Jahr direkt so eine Situation – da habe ich natürlich einige Nächte nicht gut geschlafen. Wir wussten nicht, wie es weiter geht.“ Er habe Angst gehabt, dass sich einer seiner Mitarbeiter infizieren oder er den Kredit nicht mehr bedienen könne.
„Da wird einem schon anders“, gesteht er. Schließlich muss auch ein Bäcker irgendwie seine Brötchen verdienen. Dennoch seien die finanziellen Sorgen nicht ganz so groß, erläutert Geschäftsführer Martin Gehrt. „Aber die Krise frisst unsere Gewinne auf.“

Denn durch die Einschränkungen im Busreiseverkehr fehlen die Touristen auf der Reichenau. „Zudem können wir im Moment keine Hotels beliefern.“ Ein weiteres Problem sei für die Bäckerei laut Gehrt, dass sie als Mischbetrieb keine staatlichen Förderungen erhalten. „Wir kriegen keine Hilfen, weil wir keine reine Gastronomie sind und nicht geschlossen haben.“
Bäckermeister Stärk: „Vielen meiner Kollegen geht es schlechter“
Trotzdem gibt es weiterhin zwei Auszubildende und niemand ist in Kurzarbeit – kein Bäcker, kein Konditor, keine Verkäuferin, berichtet Robert Martin stolz. Sein Bäckermeister Hans Peter Stärk weiß das zu schätzen: „Vielen meiner Kollegen geht es schlechter.“ Und auch Robert Martin blickt optimistisch auf seine Bäckerei: „Die Leute werden immer Brot brauchen, egal was kommt.“

Große Sorgen macht sich er dagegen um die Branche als Ganze – man spürt, dass es ihn schmerzt. „Wenn die Gastronomie am ersten April nicht öffnen darf, müssen 50 Prozent in Konstanz schließen“ schätzt der Ur-Konstanzer die Lage ein. Seine Bäckerei werde überleben.
Robert Martin: „Situation in der Gastronomie bedrückt mich“
„Aber die Gastronomen sind ja auch meine Kollegen und Partner, mit denen ich seit Jahren zusammen arbeite. Die werden zum Teil schließen müssen. Das bedrückt mich.“ Man merkt ihm dabei an, dass es ihn belastet. Sein Geschäftsführer Martin Gehrt stimmt ihm zu: „Ich denke, die Gastroszene in Konstanz wird sich stark verändern.“ Dabei seien hier die Hygieneregeln im vergangenen Sommer gut umgesetzt worden.
„Und jetzt trifft es uns so, während große Konzerne wie Daimler und VW, die Riesengewinne machen, Geld bekommen.“ Ihm fehle ein langfristiges Konzept, nach dem er sich vorbereiten kann, sagt Robert Martin. Er fordert: „Für die Gastronomie und die Hotels braucht es ein klares Datum für die Eröffnung, mit dem man planen kann.“ Man müsse sich darauf vorbereiten – Leute einstellen, Hygienekonzepte planen.
Krise sorgt für Umdenken und neue Ideen
In der Bäckerei „Laib & Seele“ gibt es ein solches Konzept bereits: „In der Produktion und im Verkauf tragen alle durchgängig Maske. „Wer krank ist, dürfe ohne negativen Test nicht zurückkommen. „Da sind wir rigoros, um die anderen Mitarbeiter zu schützen“, sagt Martin.
„In den Verkaufsraum dürfen nur drei Kunden zeitgleich.“ Zudem hat er Plexiglasscheiben angebracht. „Die lassen wir auch nach Corona da – das ist ein toller Schutz für unsere Verkäuferinnen, die mit so vielen Menschen täglich Kontakt haben“, erklärt der 67-jährige.
Und es gibt noch Etwas, das nach der Krise bleiben soll: „Wir haben angefangen, Recup-Becher zu verwenden. Durch die vielen To-Go-Angebote entsteht unglaublich viel Müll – dem wollen wir so entgegenwirken“, erklärt Martin Gehrt.